Verfahrenskostenhilfe: Für nicht notwendige Anschaffungen verwendete Unterhaltsnachzahlungen werden als fiktives Vermögen berücksichtigt
BGH 20.6.2018, XII ZB 636/17Das Familiengericht verpflichtete den Antragsteller auf den Widerantrag zur Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 5.000 € an die Antragsgegnerin und wies ihren weitergehenden Antrag zurück. Auf diese Entscheidung beantragte die Antragsgegnerin fristgerecht, ihr Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde zu bewilligen. Sie gab im Rahmen der Darlegung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse an, während des erstinstanzlichen Verfahrens neben einer arbeitsrechtlichen Abfindung i.H.v. rd. 2.000 € rückständigen Unterhalt i.H.v. rd. 25.000 € erhalten zu haben. Diesen habe sie für die Rückzahlung eines privaten Darlehens über 11.000 €, für den Kauf einer Küche und anderer Möbel (rd. 5.000 €), für den Kauf von Elektrogeräten (rd. 2.000 €) und für die Wohnungsrenovierung (rd. 1.000 €) ausgegeben. Zusätzlich habe sie ihren Lebensunterhalt für Juni 2016 bis Januar 2017 damit bestritten.
Das KG wies den Verfahrenskostenhilfeantrag zurück, da die Antragsgegnerin den Unterhalt für die Verfahrensführung habe zurücklegen müssen. Die Zahlung der Kosten des Beschwerdeverfahrens, mit dem die Antragsgegnerin habe rechnen müssen, ginge den nicht unbedingt notwendigen Anschaffungen vor.
Gegen diese Entscheidung legte die Antragsgegnerin Beschwerde in der Hauptsache ein und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, dass sie nicht mit der Ablehnung ihres Verfahrenskostenhilfeantrags wegen fehlender Bedürftigkeit habe rechnen müssen. Das KG wies den Wiedereinsetzungsantrag ab. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Der Wiedereinsetzungsantrag ist unbegründet, denn die Antragsgegnerin war nicht ohne Verschulden gehindert, die versäumte Frist zur Einlegung der Begründung einzuhalten.
Die Antragsgegnerin war nicht ohne Verschulden gehindert, da sie nicht nach den Umständen vernünftigerweise nicht mit der Gewährung des Antrags aufgrund von Bedürftigkeit rechnen durfte. Die Antragsgegnerin oder ihr anwaltlicher Vertreter konnten erkennen, dass die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht gegeben sind. Ein Rechtsmittelführer kann vor allem dann darauf vertrauen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligungen von Prozesskostenhilfe dargetan zu haben, wenn ihm bereits in der Vorinstanz Verfahrenskostenhilfe gewährt worden war und sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse seither nicht für die Gewährung wesentlich geändert haben. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsgegnerin haben sich zwischenzeitlich dadurch in erheblicher Weise geändert, dass sie während des erstinstanzlichen Verfahrens rückständigen Unterhalt i.H.v. rd. 25.000 € erhalten hat. Dieses Geld musste sie, soweit es das Schonvermögen von 5.000 € übersteigt, als erworbenes Vermögen grundsätzlich zur Bestreitung der Kosten des Beschwerdeverfahrens, mit dem die Antragsgegnerin rechnen musste, zurücklegen. Obwohl das Geld nicht mehr vorhanden ist, muss sich die Antragsgegnerin das Geld als fiktives Vermögen zurechnen lassen, da sie ihre Leistungsunfähigkeit durch nicht unbedingt notwendige Anschaffungen böswillig herbeigeführt hat. Sind Rechtsverfolgungskosten vorhersehbar, darf vorhandenes Vermögen nicht mehr für nicht unbedingt notwendige Zwecke ausgegeben werden. Das betrifft im Streitfall jedenfalls die Aufwendungen für Renovierung und Neueinrichtung der Wohnung im Umfang von rd. 7.000 €. Auch durfte die Antragsgegnerin in Bezug auf die vorhersehbaren Verfahrenskosten nicht von Juni 2016 bis Januar 2017 ihren Lebensunterhalt um weitere 535 € aufbessern, nachdem ihr für diesen Zeitraum monatlich 1.284 € an Unterhalt zur Verfügung standen.
Die Antragsgegnerin kann sich zudem nicht auf das aus dem Sozialstaatsprinzip, dem Rechtsstaatsgrundsatz und dem allgemeinen Gleichheitssatz ergebende Recht auf Rechtsverfolgung für alle berufen, denn sie hat über den Einsatz der an sich ausreichend vorhandenen Mittel eigenständig disponiert und sich dabei bewusst gegen die Zurückbehaltung des Geldes zum Zweck der anstehenden Rechtsverfolgung entschieden. Eine so getroffene Vermögensdisposition muss sie gegen sich gelten lassen. Insbesondere da es sich nicht um überlebenswichtige Positionen geht und sonst eine Besserstellung verursacht würde.
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