05.06.2024

Vergemeinschaftung von Mängelrechten gegen den Bauträger in einer Mehrhausanlage

Sind nach der Gemeinschaftsordnung einer Mehrhausanlage weitgehend verselbstständigte Untergemeinschaften gebildet, kann nur die Gesamtgemeinschaft der Wohnungseigentümer die den einzelnen Erwerbern aus den jeweiligen Verträgen mit dem Veräußerer wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums zustehenden Rechte auf ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums durch Mehrheitsbeschluss zur alleinigen Durchsetzung an sich ziehen. Dies gilt auch dann wenn die Mängel nur den einer Untergemeinschaft zugeordneten Teil der Anlage betreffen.

BGH v. 23.2.2024 - V ZR 132/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Sie hatte das Grundstück als Bauträgerin nach Sanierung der beiden Häuser der Anlage unter Bildung der Untergemeinschaften G. 54 und G. 56 in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt. Die Untergemeinschaft G. 54 besteht aus acht Einheiten mit insgesamt 635 Miteigentumsanteilen, die Untergemeinschaft G. 56 aus fünf Einheiten mit 365 Miteigentumsanteilen.

Am 4.2.2020 fand eine außerordentliche Eigentümerversammlung der Gesamtgemeinschaft statt, bei der zu TOP 5 beschlossen wurde, die Ausübung der auf die ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichteten Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche sowie die sonstigen primären Mängelrechte, die den Erwerbern gegen die Klägerin als Bauträgerin zustehen, an sich zu ziehen. Auf der Grundlage dieses Beschlusses nahm daraufhin die GdWE die Klägerin vor dem LG auf Zahlung von Vorschuss für die Beseitigung behaupteter Mängel am Gemeinschaftseigentum in Anspruch. Die in dem Rechtsstreit geltend gemachten Mängel bezogen sich ausschließlich auf das Objekt G. 54.

In der Eigentümerversammlung vom 15.10.2021 hat die Gesamtgemeinschaft zu TOP 14 beschlossen, den Prozess vor dem LG zunächst fortzuführen, das Ergebnis des gerichtlich beauftragten Gutachters abzuwarten und im Anschluss einen Vergleich mit der Klägerin anzustreben. Zu TOP 15 wurde beschlossen, eine einmalige Sonderumlage i.H.v. 6.000 € zur Finanzierung der Prozesskosten anteilig entsprechend den Miteigentumsanteilen der Wohnungseigentümer zu erheben.

In der Annahme, der Gesamtgemeinschaft fehle die Beschlusskompetenz, da der Rechtsstreit vor dem LG allein die Untergemeinschaft G. 54 betreffe, und die Beschlüsse entsprächen zudem nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, wandte sich die Klägerin gegen die oben genannten Beschlüsse mit der Beschlussmängelklage. Das AG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der beklagten GdWE hat das LG die Klage abgewiesen. Der BGH hat das Berufungsurteil bestätigt.

Gründe:
Es lagen keine Beschlussmängel vor.

Der Beschluss zu TOP 14 war nicht wegen mangelnder Beschlusskompetenz der Gesamtgemeinschaft nichtig, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hatte. Gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG können zwar in Mehrhausanlagen durch Vereinbarung - wie hier - weitgehend verselbstständigte Untergemeinschaften gebildet werden. Damit ist aber nicht gesagt, dass ausschließlich die auf diese Weise gebildeten Untergemeinschaften über sämtliche "ihrer" Angelegenheiten eigenständig entscheiden dürfen. Sind nach der Gemeinschaftsordnung einer Mehrhausanlage weitgehend verselbstständigte Untergemeinschaften gebildet, kann nur die Gesamtgemeinschaft der Wohnungseigentümer die den einzelnen Erwerbern aus den jeweiligen Verträgen mit dem Veräußerer wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums zustehenden Rechte auf ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums durch Mehrheitsbeschluss zur alleinigen Durchsetzung an sich ziehen. Dies gilt auch dann wenn die Mängel nur den einer Untergemeinschaft zugeordneten Teil der Anlage betreffen.

Ferner war nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den zu TOP 15 gefassten Beschluss vom 15.10.2021 über die Erhebung einer Sonderumlage zur Prozessfinanzierung für rechtmäßig erachtet. Die Kompetenz, durch Beschluss über die gerichtliche Geltendmachung der vergemeinschafteten Ansprüche und die mit der Prozessführung im Zusammenhang stehenden Fragen (hier: Aufnahme von Vergleichsverhandlungen und Erhebung einer Sonderumlage zur Finanzierung der Prozesskosten) zu entscheiden, steht ebenfalls allein der Gesamtgemeinschaft der Wohnungseigentümer zu. Zwar wird im Schrifttum vertreten, dass eine rückwirkende Fälligkeit einer Sonderumlage nicht beschlossen werden darf (vgl. Jennißen in Jennißen, WEG, 8. Aufl., § 28 Rn. 82). Ob dem generell zu folgen ist, war hier jedoch unerheblich, da die Wohnungseigentümer bei der gebotenen objektiven Auslegung die Erhebung einer Sonderumlage beschlossen hatten, die erst nach der Beschlussfassung fällig wurde.

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