02.05.2024

Verhängung von Ordnungsmitteln nach § 89 FamFG nur bei Umgangsregelungen mit vollstreckungsfähigem Inhalt

Voraussetzung für die Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 89 FamFG ist eine Umgangsregelung mit vollstreckungsfähigem Inhalt, mithin eine nach Art, Ort und Zeit erschöpfende, hinreichend bestimmte und konkrete Regelung des Umgangsrechts. Einer Umgangsregelung, durch die der Umgang auf einen bestimmten Rhythmus festgelegt wird oder dem umgangsberechtigten Elternteil bestimmte Umgangszeiten zugewiesen werden, ist nicht mit für eine Vollstreckung hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass sich der Umgangsberechtigte eines Umgangs mit dem Kind in der übrigen Zeit zu enthalten hat. Ein solches Gebot muss sich stets ausdrücklich und eindeutig aus der Umgangsregelung ergeben und von dem nach § 89 Abs. 2 FamFG zu erteilenden Hinweis umfasst sein, um taugliche Grundlage für die Anordnung eines Ordnungsmittels zu sein.

BGH v. 21.2.2024 - XII ZB 401/23
Der Sachverhalt:
Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist ein Ordnungsmittelbeschluss zur Vollstreckung einer gerichtlichen Umgangsregelung. Die Beteiligten sind getrenntlebende Eltern der Kinder M (8 Jahre) und S (6 Jahre), die bei der Antragstellerin leben. Der Umgang des Antragsgegners mit den Kindern wurde durch Beschluss dergestalt geregelt, dass dem Antragsgegner für "reguläre Betreuungszeiten" einerseits und die Ferienzeiten andererseits bestimmte Tage unter Festlegung konkreter Übergabezeiten zugewiesen sind. Unter Ziffer 4 der Umgangsregelung heißt es: "Der Vater holt die Kinder pünktlich an der Schule / am Kindergarten bzw. am Wohnsitz der Mutter ab und bringt die Kinder pünktlich wieder zum Wohnsitz der Mutter zurück." Unter II. des Beschlusses findet sich der Hinweis, dass bei "schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die getroffene Umgangsregelung" Ordnungsgeld und ersatzweise Ordnungshaft angeordnet werden kann.

Im Zeitraum vom 4.11.2022 bis zumindest zum 28.1.2023 hatte der Antragsgegner insgesamt achtmal außerhalb der ihm zugewiesenen Umgangszeiten Umgang mit einem der Kinder. Er brachte S am 18. und am 25.12.2022 jeweils später als zu den geregelten Übergabezeiten zur Antragstellerin zurück (Fälle Nr. 3 und Nr. 4) und holte M an anderen als den ihm zugewiesenen Tagen, nämlich am 4. und 22.11.2022 sowie am 18., 19., 25. und 26.1.2023 (Fälle Nr. 1 und 2 sowie Nr. 5 bis 8) von der Schule ab und/oder nahm ihn nach der Schule für zumindest mehrere Stunden bei sich auf, wobei sich der Aufenthalt von M beim Antragsgegner im Fall 8 auf mindestens drei Tage erstreckte. Die Antragstellerin beantragte wegen der Verstöße die Festsetzung eines Ordnungsgeldes i.H.v. mindestens 10.000 € gegen den Antragsgegner.

Das AG setzte hierauf insgesamt zwölf Tage Ordnungshaft gegen den Antragsgegner fest, nämlich jeweils einen Tag für die Fälle Nr. 1 bis 7 und fünf Tage für den Fall Nr. 8. Das OLG änderte die Entscheidung ab und setzte wegen der Zuwiderhandlungen am 18. und am 25.12.2022 (verspätetes Zurückbringen von S) jeweils ein Ordnungsgeld i.H.v. 250 € (insgesamt 500 €) und ersatzweise Ordnungshaft fest. Den weitergehenden Ordnungsmittelantrag hinsichtlich der Fälle Nr. 1 und 2 sowie Nr. 5 bis 8 wies es zurück. Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Bei der Zuwiderhandlung gegen einen Vollstreckungstitel zur Regelung des Umgangs kann das Gericht gegenüber dem Verpflichteten Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft anordnen (§ 89 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Die Regelung geht in den Fällen des § 151 Nr. 2 FamFG als Spezialregelung derjenigen in § 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG vor. Voraussetzung für die Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 89 FamFG ist eine vollstreckungsfähige Umgangsregelung, mithin eine nach Art, Ort und Zeit erschöpfende, hinreichend bestimmte und konkrete Regelung des Umgangsrechts sowie gem. § 89 Abs. 2 FamFG ein hierauf bezogener Hinweis auf die möglichen Folgen einer Zuwiderhandlung.

Zu der Frage, ob eine gerichtliche Umgangsregelung, die den Umgang durch Zuweisung von Umgangszeiten positiv regelt, gleichzeitig ein hinreichend deutliches, bestimmtes und damit ordnungsmittelfähiges Gebot an den umgangsberechtigten Elternteil enthält, sich außerhalb der festgelegten Zeiten eines Umgangs mit dem Kind zu enthalten, werden in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten. So wird u.a. eine derart positiv gefasste Umgangsregelung teilweise im Umkehrschluss als an den umgangsberechtigten Elternteil gerichtetes Verbot einer Kontaktaufnahme außerhalb der zugewiesenen Umgangszeiten verstanden und als auch in diesem Sinne vollstreckbarer Umgangstitel angesehen. Nach anderer Auffassung liegt in einer Regelung, die dem umgangsberechtigten Elternteil bestimmte Umgangszeiten zuweist, nicht zugleich ein hinreichend bestimmtes und damit ordnungsmittelfähiges (umfassendes) Umgangs- bzw. Kontaktverbot für die übrige Zeit. Ein Verstoß gegen eine Umgangsregelung durch Kontaktaufnahme mit dem Kind in der dem Umgangsberechtigten nicht zugewiesenen Zeit ist nach dieser Auffassung nur dann mit Ordnungsmitteln sanktionierbar, wenn neben der Zuweisung von Umgangszeiten ein ausdrückliches Umgangs- bzw. Kontaktverbot für die übrige Zeit in die Entscheidungsformel aufgenommen und ein diesbezüglicher Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG erteilt ist. Die zuletzt genannte Auffassung ist zutreffend.

Vor dem Hintergrund dieses umfassenden Begriffsverständnisses ist eine Regelung, die ohne nähere qualitative Eingrenzung Umgangszeiten zwischen dem umgangsberechtigten Elternteil und dem Kind festlegt, nicht hinreichend bestimmt, um dem betroffenen Elternteil in der für eine Vollstreckung gebotenen Deutlichkeit vor Augen zu führen, welches Verhalten von ihm außerhalb der ihm zugewiesenen Umgangszeiten erwartet wird. Insbesondere ist eine solche Regelung nicht ohne Weiteres als an den Umgangsberechtigten gerichtetes Verbot zu verstehen, sich jeglicher Kontaktaufnahme etwa auch in Form von Briefen, Telefonaten, Text- oder Sprachnachrichten sowie kurzen Gesprächen oder auch eines nur nonverbalen Kontakts im Rahmen zufälliger Begegnungen außerhalb der Umgangszeiten zu enthalten.

Dem anderen Elternteil steht allerdings die Möglichkeit offen, eine konkrete Verhaltensgebote oder -verbote enthaltende Umgangsregelung nach § 1684 Abs. 3 BGB, einen spezifischen Umgangsausschluss nach § 1684 Abs. 4 BGB oder ein Kontaktverbot nach § 1666 Abs. 3 Nr. 4 BGB zu erwirken. Dabei muss sich ein an den umgangsberechtigten Elternteil gerichtetes Unterlassungsgebot, sich der Kontaktaufnahme mit dem Kind in der ihm nicht zum Umgang zugewiesenen Zeit zu enthalten, stets ausdrücklich und eindeutig aus der Umgangsregelung ergeben und von dem nach § 89 Abs. 2 FamFG zu erteilenden Hinweis umfasst sein, um Grundlage für die Anordnung eines Ordnungsmittels zu sein. Danach enthält die vorliegende Umgangsregelung kein an den Antragsgegner gerichtetes hinreichend bestimmtes Gebot, sich außerhalb der ihm zum Umgang zugewiesenen Zeiten eines Kontakts zu den Kindern zu enthalten, und stellt daher auch keinen den Anforderungen des § 89 Abs. 1 FamFG genügenden Vollstreckungstitel zur Durchsetzung einer derartigen Unterlassungsverpflichtung des Antragsgegners dar. Denn sie weist dem umgangsberechtigten Antragsgegner lediglich positiv bestimmte Umgangszeiten zu und enthält keine ausdrückliche und eindeutige Anordnung, der sich unmissverständlich entnehmen ließe, dass dem Antragsgegner Kontaktaufnahmen zu seinen Kindern außerhalb der ihm zugewiesenen Umgangszeiten untersagt sind.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | BGB
§ 1684 Umgang des Kindes mit den Eltern
Döll in Erman, BGB, 17. Aufl. 2023
09/2023

Kommentierung | FamFG
§ 89 Ordnungsmittel
Hammer in Prütting/Helms, FamFG, Kommentar, 6. Aufl. 2023
6. Aufl./Lfg. 09.2022

Rechtsprechung
Kontaktverbot gegen nicht sorgeberechtigten Elternteil nur im Umgangsverfahren
OLG Frankfurt vom 20.10.2023 - 6 UF 151/23
Monika Clausius, FamRB 2024, 19
FAMRB0061856

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