Verjährung von Ansprüchen wegen vermeintlich unlauterer Mitarbeiterabwerbung
OLG Brandenburg v. 14.2.2023 - 6 U 14/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine im Jahr 2010 gegründete und in Deutschland tätige Produzentin von aus der blauen Süßlupine hergestellten Produkten. Sie ist Inhaberin verschiedener Patente und Patentanmeldungen. Die Beklagte wurde 2014 gegründet und vertreibt u.a. Brotaufstriche auf Basis von Lupinenprotein-Extrakten. Sie hat in der Vergangenheit häufiger mit der Klägerin vor dem Bundespatentgericht gestritten.
Zwischen September 2014 und Mai 2015 war bei der Klägerin der G. als Berater im Bereich Vermarktung beschäftigt. In seinem Beratungsvertrag war ein Wettbewerbsverbot zur Aufnahme einer Tätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen für die Dauer von 12 Monaten vorgesehen. Aufgrund eiener Nachtragsvereinbarung aus Oktober 2014 sollte G. zum Interimsgeschäftsführer für die Dauer von voraussichtlich drei Monaten bestellt werden. In einem 2. Nachtrag aus März 2015 wurde der 1. Nachtrag vereinbarungsgemäß aufgehoben. Die Tätigkeit des G. bei der Klägerin endete am 31.5.2015.
Am 17.7.2015 schloss die Beklagte mit G. einen Handelsvertretervertrag. Dieser sollte zum 1.6.2016 wirksam werden. Bereits zuvor versandte der G. in seiner E-Mail-Signatur als Salesmanager der Beklagten E-Mails in englischer Sprache. Die Klägerin behauptete daraufhin, der G. sei für die Beklagte spätestens ab August 2015 tätig gewesen und nicht erst gemäß Handelsvertretervertrag ab dem 1.6.2016. Sie nahm die Beklagte am 18.7.2017 auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht insbesondere wegen vermeintlich unlauterer Mitarbeiterabwerbung in Anspruch.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Auch die Berufung der Klägerin vor dem OLG blieb erfolglos.
Die Gründe:
Die Klage ist in den auf Unterlassung, auf Auskunftserteilung sowie auf Feststellung der Schadenersatzpflicht gerichteten Hauptanträgen und im Antrag auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten unbegründet.
Es konnte offenbleiben, ob die Beklagte durch die Einstellung und Beschäftigung des G. die Verbotstatbestände eines Verstoßes gegen Marktverhaltensregelungen bzw. wegen einer gezielten Behinderung durch Verleiten zum Vertragsbruch i.S.v. § 3a UWG bzw. § 4 Nr. 4 UWG oder des sich unbefugten Verschaffens und/oder Offenlegens von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen i.S.v. § 3a UWG i.V.m. § 17 Abs. 2 UWG a.F. bzw. § 4 Abs. 3 GeschGehG erfüllt hat. Denn dem LG war im Ergebnis darin zu folgen, dass die Klage wegen Verjährung unbegründet ist.
Der Unterlassungsanspruch (§ 8 Abs. 1 UWG) unterliegt nach § 11 Abs. 1 UWG der Verjährung binnen sechs Monaten. Gem. § 11 Abs. 2 UWG beginnt die Verjährungsfrist, wenn der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Klägerin hatte die Beklagte und den G. am 27. bzw. 28.10.2015 u.a. unter Verweis auf die von G. im Oktober 2015 als Salesmanager der Beklagten versandten E-Mails abgemahnt. Selbst wenn man den Verjährungsbeginn erst mit Auslaufen des vertraglichen Wettbewerbsverbots des G. mit Ablauf des 31.05.2016 annähme, konnte die Klageschrift vom 18.7.2017, der Beklagten zugestellt am 20.10.2017, die Verjährung nicht mehr hemmen, denn sie war spätestens mit Ablauf des 30.11.2016 (§ 188 Abs. 3 BGB) abgelaufen.
Die Beklagte ist mit der Einrede der Verjährung entgegen der Auffassung der Klägerin nicht präkludiert. Dass eine von der beklagten Partei erstinstanzlich erhobene Verjährungseinrede jedenfalls dann nicht wegen prozessualer Verspätung gem. §§ 282 Abs. 1, 296 Abs. 2 ZPO präkludiert sein kann, wenn die den Anlauf der Verjährungsfrist begründenden Tatsachen zwischen den Parteien - wie vorliegend - unstreitig sind, liegt auf der Hand. Dafür war es lediglich erforderlich, den Beginn der Verjährungsfrist darzulegen, der sich gemäß den hierfür nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UWG erforderlichen Tatsachen der Anspruchsentstehung und diesbezüglicher Kenntnis der Klägerin aus der unstreitigen Versendung ihres an die Beklagte gerichteten Abmahnschreibens ergibt. Nachdem bereits das LG die Einrede für beachtlich erachtet hatte, wäre eine erstinstanzlich unterlassene Zurückweisung verspäteten Vortrags in der Berufungsinstanz ohnehin prozessual überholt.
Der Ablauf der Verjährungsfrist ist auch nicht wegen zwischenzeitlich geführter Verhandlungen der Parteien gem. § 203 BGB gehemmt worden. Auch ein Neuanlauf der Verjährung durch ein von der Beklagten abgegebenes Anerkenntnis gem. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB schied hier entgegen der Auffassung der Klägerin aus, und zwar schon deshalb, weil die von ihr dafür angeführten Umstände, insbesondere die vermeintlich auf ein Anerkenntnis deutende nicht sofortige Erhebung der Verjährungseinrede seitens der Beklagten in der ersten Instanz, sämtlich nach Ablauf der sechsmonatigen Verjährungsfrist des § 11 Abs. 1 UWG eingetreten sind und daher von vornherein nicht mehr geeignet waren, den Neubeginn der Verjährungsfrist zu begründen.
Mit Rücksicht auf die nach § 11 Abs. 1 UWG gleichfalls eingetretene Verjährung des Mitbewerber-Schadensersatzanspruchs aus §§ 3, 9 Satz 1 UWG sowie des Aufwendungsersatzanspruchs aus §§ 8, 13 Abs. 3 UWG, § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG a.F. war auch der Auskunftsanspruch nicht mehr durchsetzbar respektive unbegründet.
Mehr zum Thema:
Aktionsmodul Zivilrecht
Sie können Tage nicht länger machen, aber effizienter. 6 Module vereint mit führenden Kommentaren, Handbüchern und Zeitschriften für die zivilrechtliche Praxis. Neu: Online-Unterhaltsrechner. Jetzt zahlreiche, bewährte Formulare mit LAWLIFT bearbeiten! Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. 4 Wochen gratis nutzen!
Landesrecht Brandenburg
Die Klägerin ist eine im Jahr 2010 gegründete und in Deutschland tätige Produzentin von aus der blauen Süßlupine hergestellten Produkten. Sie ist Inhaberin verschiedener Patente und Patentanmeldungen. Die Beklagte wurde 2014 gegründet und vertreibt u.a. Brotaufstriche auf Basis von Lupinenprotein-Extrakten. Sie hat in der Vergangenheit häufiger mit der Klägerin vor dem Bundespatentgericht gestritten.
Zwischen September 2014 und Mai 2015 war bei der Klägerin der G. als Berater im Bereich Vermarktung beschäftigt. In seinem Beratungsvertrag war ein Wettbewerbsverbot zur Aufnahme einer Tätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen für die Dauer von 12 Monaten vorgesehen. Aufgrund eiener Nachtragsvereinbarung aus Oktober 2014 sollte G. zum Interimsgeschäftsführer für die Dauer von voraussichtlich drei Monaten bestellt werden. In einem 2. Nachtrag aus März 2015 wurde der 1. Nachtrag vereinbarungsgemäß aufgehoben. Die Tätigkeit des G. bei der Klägerin endete am 31.5.2015.
Am 17.7.2015 schloss die Beklagte mit G. einen Handelsvertretervertrag. Dieser sollte zum 1.6.2016 wirksam werden. Bereits zuvor versandte der G. in seiner E-Mail-Signatur als Salesmanager der Beklagten E-Mails in englischer Sprache. Die Klägerin behauptete daraufhin, der G. sei für die Beklagte spätestens ab August 2015 tätig gewesen und nicht erst gemäß Handelsvertretervertrag ab dem 1.6.2016. Sie nahm die Beklagte am 18.7.2017 auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht insbesondere wegen vermeintlich unlauterer Mitarbeiterabwerbung in Anspruch.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Auch die Berufung der Klägerin vor dem OLG blieb erfolglos.
Die Gründe:
Die Klage ist in den auf Unterlassung, auf Auskunftserteilung sowie auf Feststellung der Schadenersatzpflicht gerichteten Hauptanträgen und im Antrag auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten unbegründet.
Es konnte offenbleiben, ob die Beklagte durch die Einstellung und Beschäftigung des G. die Verbotstatbestände eines Verstoßes gegen Marktverhaltensregelungen bzw. wegen einer gezielten Behinderung durch Verleiten zum Vertragsbruch i.S.v. § 3a UWG bzw. § 4 Nr. 4 UWG oder des sich unbefugten Verschaffens und/oder Offenlegens von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen i.S.v. § 3a UWG i.V.m. § 17 Abs. 2 UWG a.F. bzw. § 4 Abs. 3 GeschGehG erfüllt hat. Denn dem LG war im Ergebnis darin zu folgen, dass die Klage wegen Verjährung unbegründet ist.
Der Unterlassungsanspruch (§ 8 Abs. 1 UWG) unterliegt nach § 11 Abs. 1 UWG der Verjährung binnen sechs Monaten. Gem. § 11 Abs. 2 UWG beginnt die Verjährungsfrist, wenn der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Klägerin hatte die Beklagte und den G. am 27. bzw. 28.10.2015 u.a. unter Verweis auf die von G. im Oktober 2015 als Salesmanager der Beklagten versandten E-Mails abgemahnt. Selbst wenn man den Verjährungsbeginn erst mit Auslaufen des vertraglichen Wettbewerbsverbots des G. mit Ablauf des 31.05.2016 annähme, konnte die Klageschrift vom 18.7.2017, der Beklagten zugestellt am 20.10.2017, die Verjährung nicht mehr hemmen, denn sie war spätestens mit Ablauf des 30.11.2016 (§ 188 Abs. 3 BGB) abgelaufen.
Die Beklagte ist mit der Einrede der Verjährung entgegen der Auffassung der Klägerin nicht präkludiert. Dass eine von der beklagten Partei erstinstanzlich erhobene Verjährungseinrede jedenfalls dann nicht wegen prozessualer Verspätung gem. §§ 282 Abs. 1, 296 Abs. 2 ZPO präkludiert sein kann, wenn die den Anlauf der Verjährungsfrist begründenden Tatsachen zwischen den Parteien - wie vorliegend - unstreitig sind, liegt auf der Hand. Dafür war es lediglich erforderlich, den Beginn der Verjährungsfrist darzulegen, der sich gemäß den hierfür nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UWG erforderlichen Tatsachen der Anspruchsentstehung und diesbezüglicher Kenntnis der Klägerin aus der unstreitigen Versendung ihres an die Beklagte gerichteten Abmahnschreibens ergibt. Nachdem bereits das LG die Einrede für beachtlich erachtet hatte, wäre eine erstinstanzlich unterlassene Zurückweisung verspäteten Vortrags in der Berufungsinstanz ohnehin prozessual überholt.
Der Ablauf der Verjährungsfrist ist auch nicht wegen zwischenzeitlich geführter Verhandlungen der Parteien gem. § 203 BGB gehemmt worden. Auch ein Neuanlauf der Verjährung durch ein von der Beklagten abgegebenes Anerkenntnis gem. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB schied hier entgegen der Auffassung der Klägerin aus, und zwar schon deshalb, weil die von ihr dafür angeführten Umstände, insbesondere die vermeintlich auf ein Anerkenntnis deutende nicht sofortige Erhebung der Verjährungseinrede seitens der Beklagten in der ersten Instanz, sämtlich nach Ablauf der sechsmonatigen Verjährungsfrist des § 11 Abs. 1 UWG eingetreten sind und daher von vornherein nicht mehr geeignet waren, den Neubeginn der Verjährungsfrist zu begründen.
Mit Rücksicht auf die nach § 11 Abs. 1 UWG gleichfalls eingetretene Verjährung des Mitbewerber-Schadensersatzanspruchs aus §§ 3, 9 Satz 1 UWG sowie des Aufwendungsersatzanspruchs aus §§ 8, 13 Abs. 3 UWG, § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG a.F. war auch der Auskunftsanspruch nicht mehr durchsetzbar respektive unbegründet.
Aktionsmodul Zivilrecht
Sie können Tage nicht länger machen, aber effizienter. 6 Module vereint mit führenden Kommentaren, Handbüchern und Zeitschriften für die zivilrechtliche Praxis. Neu: Online-Unterhaltsrechner. Jetzt zahlreiche, bewährte Formulare mit LAWLIFT bearbeiten! Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. 4 Wochen gratis nutzen!