07.10.2024

Verkehrsunfall: Darlegungs- und Beweispflicht des Geschädigten hinsichtlich eines Vorschadens am Auto

Ist ein Vorschaden während der Besitzzeit des Geschädigten eingetreten und verfügt dieser über entsprechende Werkstattrechnungen, aus denen der Vorschaden und dessen sach- und fachgerechte Behebung ohne weiteres nachvollzogen werden können, ist der Geschädigte eines Verkehrsunfalls nach § 119 Abs. 3 VVG dem gegnerischen Haftpflichtversicherer im Rahmen der Regulierung des Sachschadens nicht nur zur Auskunft bezüglich des Vorschadens, sondern auch zur Vorlage der entsprechenden Rechnungen verpflichtet.

OLG Saarbrücken v. 1.10.2024, 3 W 7/24
Der Sachverhalt:
Bei einem Unfall am 25.10.2022 war der Heckbereich des klägerischen Fahrzeugs beschädigt worden. Der Kläger holte daraufhin zur Schadensermittlung ein Sachverständigengutachten ein. Dieses enthielt unter "Vorschäden" den Eintrag "Heckschaden". Der Sachverständige führte hierzu Folgendes aus: "Am Fahrzeug wurden Vorschäden festgestellt bzw. angegeben. Die Instandsetzung der festgestellten Vorschäden erfolgte sach- und fachgerecht." Unter der Überschrift "Unreparierte Vorschäden" fand sich der Eintrag: "Am Fahrzeug wurden keine unreparierten Vorschäden festgestellt."

Mit Schreiben vom 2.11.2022 übermittelten die Prozessbevollmächtigten des Klägers der Erstbeklagten das Gutachten und forderten diese zur Schadensregulierung auf. Die Erstbeklagte verwies darauf, dass die eingereichten Unterlagen eine zuverlässige Ermittlung auch nur eines unfallbedingten Teilschadens nicht ermöglichten, da eine Überlagerung mehrerer Schadenereignisse nicht auszuschließen sei und eine sach- und fachgerechte Reparatur nicht dargelegt werde. Sie bat um Verständnis, dass sie aus diesem Grund eine Erstattung von Reparaturkosten sowie entsprechender Folgekosten zurückstelle.

Mit seiner Klage hat der Kläger unter Berücksichtigung der geleisteten Teilzahlung i.H.v. 996,38 € Schadensersatz i.H.v. 5.546,59 € geltend gemacht. Er trug dann im laufenden Verfahren vor, sein Fahrzeug habe Ende 2016 einen Heckschaden erlitten, der durch eine Fachwerkstatt sach- und fachgerecht repariert worden sei. Er legte hierzu eine entsprechende Rechnung vor. Die Erstbeklagte umgehend den Schaden des Klägers. Die Parteien erklärten in der Folge den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt.

Das LG hat die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger zu 98% auferlegt. Das OLG hat die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers zurückgewiesen.

Die Gründe:
Die Beklagten haben hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils der Klageforderung keinen Anlass zur Klage gegeben und diesen Teil der Klageforderung auch sofort i.S.d. § 93 ZPO erfüllt. Der Kläger war hier gem. § 119 Abs. 3 VVG zur Auskunft und Vorlage weiterer Unterlagen verpflichtet, damit die Erstbeklagte als regulierungsbefugter Haftpflichtversicherer die geltend gemachten Reparaturkosten prüfen konnte, um danach eine Entscheidung über den Grund und die Höhe ihrer Einstandspflicht treffen zu können.

Der Geschädigte muss nach allgemeinen Regeln das Entstehen und den Umfang eines Sachschadens i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG darlegen und beweisen. Dabei bleibt es auch, wenn der Schädiger bzw. sein Haftpflichtversicherer den Umfang oder die Höhe des geltend gemachten Schadens bestreitet mit der Behauptung, der Gegenstand sei bereits durch ein früheres Ereignis beeinträchtigt worden. Der Geschädigte muss dann darlegen und beweisen, welcher Schaden (abgrenzbar) auf das spätere Schadensereignis zurückzuführen ist. Das schließt je nach Lage des Falles die Notwendigkeit von Darlegungen dazu ein, dass und auf welche Weise ein Vorschaden beseitigt wurde. Sowohl die Darlegung als auch die Beweisführung werden dem Geschädigten im Prozess durch § 287 ZPO erleichtert. Danach genügt es für die Ersatzfähigkeit eines mit dem späteren Schadensereignis kompatiblen Schadens, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist, dass dieser Schaden bereits durch das Vorschadensereignis entstanden ist.

Der Kläger wäre verpflichtet gewesen, weitere Auskünfte zum Vorschaden zu erteilen und die ihm zur Verfügung stehende Werkstattrechnung über die Behebung des Vorschadens vorzulegen, anstatt sich - wie erfolgt - auf die Übersendung des Schadensgutachtens zu beschränken. Dabei bedarf keiner abschließenden Entscheidung, wie weit allgemein die vorprozessuale Darlegungslast eines Geschädigten hinsichtlich der Abgrenzbarkeit von Vorschäden und deren (etwaiger) Behebung reicht. Denn jedenfalls in einem Fall wie hier, in dem der Vorschaden während der Besitzzeit des Geschädigten eingetreten ist und der Geschädigte über entsprechende Werkstattrechnungen verfügt, aus denen der Vorschaden und dessen sach- und fachgerechte Behebung ohne weiteres nachvollzogen werden können, ist der Geschädigte bezüglich eines solchen Vorschadens dem Versicherer des Unfallschädigers nach § 119 Abs. 3 VVG nicht nur zur Auskunft, sondern auch zur Vorlage der entsprechenden Rechnungen verpflichtet. Kommt der Geschädigte dem nicht nach, fehlt es an einem Anlass zur Klageerhebung i.S.d. § 93 ZPO.

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