Vermieter darf bei streitigem Mietende nicht einfach die Wasserversorgung abstellen
OLG Hamburg v. 5.2.2025 - 4 U 95/24
Der Sachverhalt:
Die Verfügungsklägerin hatte vom Verfügungsbeklagten Büroräume angemietet. Der Mietvertrag war bis zum 30.4.2020 befristet, sah aber eine Verlängerungsoption um vier Jahre vor, die unstreitig wirksam ausgeübt wurde, und eine weitere Verlängerungsoption um fünf Jahre, deren wirksame Ausübung zwischen den Parteien streitig war. Mit Schreiben vom 28.9.2021 erklärte die Verfügungsbeklagte die ordentliche Kündigung zum 31.3.2022 und mahnte die Verfügungsklägerin wegen behaupteter Vertragsverstöße ab. Anschließend erklärte sie mit Schreiben vom 19.10.2021 und nochmals mit Schreiben vom 7.12.2021 die außerordentliche Kündigung. Die Verfügungsklägerin zahlte weiterhin den Mietzins und die Betriebskostenvorauszahlungen.
Während des Räumungsprozesses stellte die Verfügungsbeklagte die Wasserversorgung ab. Hiergegen wandte sich die Verfügungsklägerin mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung. Das LG hat dem Antrag stattgegeben. Im Laufe des hier gegenständlichen Berufungsverfahren wurde die Verfügungsklägerin in dem gesonderten Räumungsprozess zweitinstanzlich zur Räumung verurteilt, weswegen sie zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung räumte. Das einstweilige Verfügungsverfahren erklärte sie danach für erledigt und beantragte festzustellen, dass der Verfügungsantrag bis zur Räumung zulässig und begründet gewesen sei. Der Verfügungsbeklagte widersprach der Erledigung und beantragte, den Feststellungsantrag zurückzuweisen.
Das OLG hat die Berufung der Verfügungsbeklagten zurückgewiesen.
Die Gründe:
Die Verfügungsklägerin konnte bis zum Auszug am 6.12.2024 von der Verfügungsbeklagten die Wiederherstellung der Wasserversorgung und Unterlassung der Versorgungssperre verlangen.
Stellt der Vermieter von Büroräumlichkeiten in einem laufenden Räumungsprozess die Wasserversorgung ab, kann der Mieter hiergegen in der Regel im Wege der einstweiligen Verfügung auf Grundlage von nachvertraglichen Pflichten aus Treu und Glauben gem. § 242 BGB vorgehen, wenn er sowohl den Mietzins, als auch die Betriebskostenvorauszahlungen weiterhin leistet. Gibt der Mieter in diesem Verfügungsprozess den Besitz aufgrund angedrohter Zwangsvollstreckung jedenfalls vorübergehend auf, kann er den Rechtsstreit teilweise nur für die Zukunft für erledigt erklären und die Zulässigkeit sowie Begründetheit seines Verfügungsantrages bis zur Besitzaufgabe feststellen lassen, wenn eine bereits erlassene einstweilige Verfügung für die Vergangenheit Gültigkeit behalten soll, etwa weil aus ihr bereits vollstreckt worden ist oder noch vollstreckt werden soll.
Für Gewerbemietverhältnisse können sich nachvertragliche Pflichten im Einzelfall aus den besonderen Belangen des Mieters (z.B. eines durch eine Versorgungssperre drohenden, besonders hohen Schadens) ergeben. Dies gilt gerade dann, wenn der Mieter im Streit um die Wirksamkeit einer Kündigung mit nachvollziehbaren Erwägungen davon habe ausgehen darf, weiter zum Besitz berechtigt zu sein (BGH v. 27.5.2015 - XII ZR 66/13, MietRB 2015, 265). Andererseits darf eine solche Verpflichtung den berechtigten Interessen des Vermieters nicht in einer Weise zuwiderlaufen, die ihm die weitere Leistung unzumutbar macht. So insbesondere dann, wenn der Vermieter die Versorgungsleistungen mangels Vorauszahlungen auf eigene Kosten erbringen muss.
Es ist nur das Interesse des Mieters an der Aufrechterhaltung der Wasserversorgung gegenüber dem Interesse des Vermieters an der Einstellung der Versorgungsleistungen abzuwägen, nicht hingegen das Interesse an der Aufrechterhaltung des Gebrauchs gegenüber dem Interesse auf Räumung. Denn es kann dem Vermieter nicht freistehen, seinem Interesse an einer schnellen Räumung durch ein Abstellen der Versorgungsleistung zum Erfolg zu verhelfen. Maßgeblich ist nur, ob der Vermieter Gefahr läuft, auf den Kosten der Versorgungsleistung "sitzen zu bleiben".
Für die Verfügungsklägerin bestand ein erhebliches Interesse an der Aufrechterhaltung der Wasserversorgung, da die Geschäftsräume ohne diese für die vorgesehene Nutzung des Betriebes nicht möglich war. Insbesondere waren ohne Leitungswasser weder Handwaschbecken noch die WC-Spülung oder die Küche zu betreiben, so dass die Mitarbeiter dort nicht zuverlässig arbeiten konnten. Durch die hierdurch bedingte Einstellung des Betriebes drohten der Verfügungsklägerin erhebliche Umsatzausfälle. Auf der anderen Seite entstand dem Verfügungsbeklagten kein Schaden durch die Weiterversorgung, da sowohl die Miete als auch die Nebenkostenvorauszahlungen - zwar unter Vorbehalt der Rückforderung, aber gleichwohl pünktlich und in voller Höhe - gezahlt wurden.
Mehr zum Thema:
Beratermodul Zivilrecht und Zivilverfahrensrecht
Die perfekte Basisausstattung zum Zivilrecht und Zivilverfahrensrecht finden Praktiker in diesem Beratermodul. Jetzt neu und zusätzlich mit der GVRZ - Zeitschrift für das gesamte Verfahrensrecht! 4 Wochen gratis nutzen!
Beratermodul Mietrecht und WEG-Recht
Die perfekte Datenbank zum Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht: Mit diesem spezifischen Beratermodul holen Sie das Beste für Ihre Mandanten heraus. Mit zahlreichen Formularen und Mustertexten. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO: Wann immer es zeitlich passt: Für Fachanwälte bietet das Beratermodul Beiträge zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!
Landesrecht Hamburg
Die Verfügungsklägerin hatte vom Verfügungsbeklagten Büroräume angemietet. Der Mietvertrag war bis zum 30.4.2020 befristet, sah aber eine Verlängerungsoption um vier Jahre vor, die unstreitig wirksam ausgeübt wurde, und eine weitere Verlängerungsoption um fünf Jahre, deren wirksame Ausübung zwischen den Parteien streitig war. Mit Schreiben vom 28.9.2021 erklärte die Verfügungsbeklagte die ordentliche Kündigung zum 31.3.2022 und mahnte die Verfügungsklägerin wegen behaupteter Vertragsverstöße ab. Anschließend erklärte sie mit Schreiben vom 19.10.2021 und nochmals mit Schreiben vom 7.12.2021 die außerordentliche Kündigung. Die Verfügungsklägerin zahlte weiterhin den Mietzins und die Betriebskostenvorauszahlungen.
Während des Räumungsprozesses stellte die Verfügungsbeklagte die Wasserversorgung ab. Hiergegen wandte sich die Verfügungsklägerin mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung. Das LG hat dem Antrag stattgegeben. Im Laufe des hier gegenständlichen Berufungsverfahren wurde die Verfügungsklägerin in dem gesonderten Räumungsprozess zweitinstanzlich zur Räumung verurteilt, weswegen sie zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung räumte. Das einstweilige Verfügungsverfahren erklärte sie danach für erledigt und beantragte festzustellen, dass der Verfügungsantrag bis zur Räumung zulässig und begründet gewesen sei. Der Verfügungsbeklagte widersprach der Erledigung und beantragte, den Feststellungsantrag zurückzuweisen.
Das OLG hat die Berufung der Verfügungsbeklagten zurückgewiesen.
Die Gründe:
Die Verfügungsklägerin konnte bis zum Auszug am 6.12.2024 von der Verfügungsbeklagten die Wiederherstellung der Wasserversorgung und Unterlassung der Versorgungssperre verlangen.
Stellt der Vermieter von Büroräumlichkeiten in einem laufenden Räumungsprozess die Wasserversorgung ab, kann der Mieter hiergegen in der Regel im Wege der einstweiligen Verfügung auf Grundlage von nachvertraglichen Pflichten aus Treu und Glauben gem. § 242 BGB vorgehen, wenn er sowohl den Mietzins, als auch die Betriebskostenvorauszahlungen weiterhin leistet. Gibt der Mieter in diesem Verfügungsprozess den Besitz aufgrund angedrohter Zwangsvollstreckung jedenfalls vorübergehend auf, kann er den Rechtsstreit teilweise nur für die Zukunft für erledigt erklären und die Zulässigkeit sowie Begründetheit seines Verfügungsantrages bis zur Besitzaufgabe feststellen lassen, wenn eine bereits erlassene einstweilige Verfügung für die Vergangenheit Gültigkeit behalten soll, etwa weil aus ihr bereits vollstreckt worden ist oder noch vollstreckt werden soll.
Für Gewerbemietverhältnisse können sich nachvertragliche Pflichten im Einzelfall aus den besonderen Belangen des Mieters (z.B. eines durch eine Versorgungssperre drohenden, besonders hohen Schadens) ergeben. Dies gilt gerade dann, wenn der Mieter im Streit um die Wirksamkeit einer Kündigung mit nachvollziehbaren Erwägungen davon habe ausgehen darf, weiter zum Besitz berechtigt zu sein (BGH v. 27.5.2015 - XII ZR 66/13, MietRB 2015, 265). Andererseits darf eine solche Verpflichtung den berechtigten Interessen des Vermieters nicht in einer Weise zuwiderlaufen, die ihm die weitere Leistung unzumutbar macht. So insbesondere dann, wenn der Vermieter die Versorgungsleistungen mangels Vorauszahlungen auf eigene Kosten erbringen muss.
Es ist nur das Interesse des Mieters an der Aufrechterhaltung der Wasserversorgung gegenüber dem Interesse des Vermieters an der Einstellung der Versorgungsleistungen abzuwägen, nicht hingegen das Interesse an der Aufrechterhaltung des Gebrauchs gegenüber dem Interesse auf Räumung. Denn es kann dem Vermieter nicht freistehen, seinem Interesse an einer schnellen Räumung durch ein Abstellen der Versorgungsleistung zum Erfolg zu verhelfen. Maßgeblich ist nur, ob der Vermieter Gefahr läuft, auf den Kosten der Versorgungsleistung "sitzen zu bleiben".
Für die Verfügungsklägerin bestand ein erhebliches Interesse an der Aufrechterhaltung der Wasserversorgung, da die Geschäftsräume ohne diese für die vorgesehene Nutzung des Betriebes nicht möglich war. Insbesondere waren ohne Leitungswasser weder Handwaschbecken noch die WC-Spülung oder die Küche zu betreiben, so dass die Mitarbeiter dort nicht zuverlässig arbeiten konnten. Durch die hierdurch bedingte Einstellung des Betriebes drohten der Verfügungsklägerin erhebliche Umsatzausfälle. Auf der anderen Seite entstand dem Verfügungsbeklagten kein Schaden durch die Weiterversorgung, da sowohl die Miete als auch die Nebenkostenvorauszahlungen - zwar unter Vorbehalt der Rückforderung, aber gleichwohl pünktlich und in voller Höhe - gezahlt wurden.
Beratermodul Zivilrecht und Zivilverfahrensrecht
Die perfekte Basisausstattung zum Zivilrecht und Zivilverfahrensrecht finden Praktiker in diesem Beratermodul. Jetzt neu und zusätzlich mit der GVRZ - Zeitschrift für das gesamte Verfahrensrecht! 4 Wochen gratis nutzen!
Beratermodul Mietrecht und WEG-Recht
Die perfekte Datenbank zum Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht: Mit diesem spezifischen Beratermodul holen Sie das Beste für Ihre Mandanten heraus. Mit zahlreichen Formularen und Mustertexten. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO: Wann immer es zeitlich passt: Für Fachanwälte bietet das Beratermodul Beiträge zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!