Vermieter darf Mieterhöhungsverlangen nachträglich reduzieren
BGH v. 6.4.2022 - VIII ZR 219/20
Der Sachverhalt:
Die Beklagten sind Mieter einer 69,81 qm großen Wohnung der Klägerin. . Das Anwesen, in dem sich die Wohnung befindet, wurde im Jahr 1969 erbaut. Seit Februar 2017 betrug die monatliche Nettokaltmiete 490,69 €. Mit Schreiben vom 10.10.2018 forderte die Klägerin die Beklagten auf, einer Erhöhung der Nettokaltmiete ab Januar 2019 um 65,68 € auf insgesamt monatlich 556,37 € (dies entspricht einer Miete von 7,97 €/m²) zuzustimmen. Zur Begründung wurde auf den Nürnberger Mietspiegel 2018 Bezug genommen. Den Erhöhungsbetrag ermittelte die Klägerin anhand der Wohnfläche, des (zu einem Abschlag führenden) Baujahrs und bestimmter aus ihrer Sicht vorhandener positiver Wohnwertmerkmale. Die Beklagten stimmten der Mieterhöhung nicht zu.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin auf der Grundlage einer ortsüblichen Vergleichsmiete von 7,68 €/m2, die sie nunmehr unter Außerachtlassung der zuvor herangezogenen positiven Wohnwertmerkmale ermittelt hat, lediglich noch die Verurteilung der Beklagten zur Zustimmung zu einer Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete um 45,62 € auf 536,31 €. AG und LG gaben der Klage statt. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Die Vorinstanzen sind im Ergebnis rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin vom 10.10.2018 den formellen Begründungsanforderungen des § 558a BGB gerecht wird, den Beklagten im Hinblick auf die geforderte Zustimmung zu einer Mieterhöhung ab Januar 2019 rechtzeitig zugegangen ist (vgl. § 558b Abs. 1, 2 Satz 1 BGB) und auch die übrigen Förmlichkeiten des Verfahrens auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung nach § 558b Abs. 2 BGB eingehalten sind. Dabei haben sie zutreffend angenommen, der Umstand, dass die Klägerin mit ihrer Klage eine gegenüber dem Erhöhungsverlangen vom 10.10.2018 um 20,06 € reduzierte Erhöhung der monatlich geschuldeten Miete verlange, stehe der Bejahung eines formell ordnungsgemäßen Mieterhöhungsverlangens (§ 558a BGB) nicht entgegen.
Gem. § 558a Abs. 1 BGB ist das Erhöhungsverlangen dem Mieter gegenüber in Textform (§ 126b BGB) zu erklären und zu begründen, wobei gem. § 558a Abs. 2 Nr. 1 BGB zur Begründung - wie hier - auf einen Mietspiegel Bezug genommen werden kann. Der Vermieter ist berechtigt, innerhalb eines Mieterhöhungsverfahrens nach §§ 558 ff. BGB sein formell ordnungsgemäßes vorprozessuales Erhöhungsverlangen (§ 558a BGB) nachträglich - etwa mit Erhebung der Zustimmungsklage - zu ermäßigen. Einer nochmaligen - den Lauf der in § 558b Abs. 1, 2 BGB geregelten Fristen von Neuem auslösenden - Erklärung und Begründung nach § 558a BGB bedarf es hierfür nicht.
Anders als die Revision meint, sind die aus diesem gesetzlichen Regelungsmechanismus hervorgehenden Besonderheiten nicht auf eine - im Hinblick auf die Zustimmungserklärung des Mieters eindeutig vorgesehene - Abweichung von den allgemeinen Regeln nach §§ 145 ff. BGB, namentlich von der Bestimmung des § 150 Abs. 2 BGB, beschränkt. Vielmehr steht der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, dass der Mieter dem Erhöhungsverlangen nur teilweise zustimmt bzw. nur zum Teil zu einer Zustimmung verurteilt wird, nach Sinn und Zweck des Mieterhöhungsverfahrens gem. §§ 558 ff. BGB - gleichsam spiegelbildlich - die Berechtigung des Vermieters gegenüber, sein den Ausgangspunkt des gesetzlichen Erhöhungsverfahrens bildendes Erhöhungsverlangen - abweichend von den Vorschriften der §§ 145 ff. BGB - nachträglich zurückzunehmen oder zu ermäßigen, ohne dass Letzteres als neues Mieterhöhungsverlangen anzusehen wäre, welches seinerseits (erneut) den Anforderungen der Vorschrift des § 558a BGB zu genügen hätte und den Lauf der in § 558b Abs. 1, 2 BGB geregelten Fristen von Neuem auslöste. Ein anderes Verständnis ließe sich weder mit der gesetzgeberischen Zielsetzung noch mit der Interessenlage der Mietvertragsparteien vereinbaren.
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Die Beklagten sind Mieter einer 69,81 qm großen Wohnung der Klägerin. . Das Anwesen, in dem sich die Wohnung befindet, wurde im Jahr 1969 erbaut. Seit Februar 2017 betrug die monatliche Nettokaltmiete 490,69 €. Mit Schreiben vom 10.10.2018 forderte die Klägerin die Beklagten auf, einer Erhöhung der Nettokaltmiete ab Januar 2019 um 65,68 € auf insgesamt monatlich 556,37 € (dies entspricht einer Miete von 7,97 €/m²) zuzustimmen. Zur Begründung wurde auf den Nürnberger Mietspiegel 2018 Bezug genommen. Den Erhöhungsbetrag ermittelte die Klägerin anhand der Wohnfläche, des (zu einem Abschlag führenden) Baujahrs und bestimmter aus ihrer Sicht vorhandener positiver Wohnwertmerkmale. Die Beklagten stimmten der Mieterhöhung nicht zu.
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