04.02.2022

Verpflichtung zur Belegvorlage umfasst nur Vorlage vorhandener Nachweise

Die Verpflichtung zur Belegvorlage beschränkt sich auf die Vorlage vorhandener Nachweise. Eine Pflicht zur Erstellung von Belegen, die über die bloße Reproduktion bereits existierender Unterlagen - etwa durch Ausdruck - hinausgeht und eine eigene schöpferische Leistung erfordert, besteht nicht.

BGH v. 1.12.2021 - XII ZB 472/20
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten machen im Rahmen eines Scheidungsverbundverfahrens wechselseitig Zugewinnausgleichsansprüche im Wege von Stufenanträgen geltend, wobei sie im Rechtsbeschwerdeverfahren nur über die Verpflichtung des Antragsgegners zur weiteren Belegvorlage hinsichtlich eines Anteils an einer GbR streiten.

Die Beteiligten heirateten im Juni 2003 und trennten sich im Februar 2016. Der Scheidungsantrag wurde dem Antragsgegner im November 2016 zugestellt. Durch Gesellschaftsvertrag von April 2016 wurde die I. & W. GbR gegründet, deren Gesellschafter der Antragsgegner ist. Er hat diesbezüglich den Gesellschaftsvertrag vorgelegt und erklärt, dass er den Wert seines Anteils an der GbR nicht kenne. Ob ein Jahresabschluss 2016 für die GbR erstellt wurde, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Das AG verpflichtete den Antragsgegner, die Auskunft bzgl. seines Gesellschaftsanteils an der GbR durch Vorlage des Jahresabschlusses für 2016 zu belegen. Seine hiergegen gerichtete Beschwerde wies das OLG durch Beschluss vom 30.9.2020 zurück. Mit Schriftsatz vom 14.10.2020 erklärte die Antragstellerin gegenüber dem AG die Rücknahme ihres Antrags bzgl. der Belegvorlage. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsgegner, der seine Einwilligung zur Antragsrücknahme verweigert hat, seinen Abweisungsantrag hinsichtlich der die GbR betreffenden Belegvorlage weiter. Der BGH hob den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Die von der Antragstellerin erklärte Rücknahme des streitgegenständlichen Antrags ist nicht wirksam, weil die Voraussetzungen der §§ 112 Nr. 2, 113 Abs. 1 FamFG, 269 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 und 4 ZPO nicht vorliegen und der Antragsgegner mit der Rechtsbeschwerdebegründung seine Einwilligung in die Antragsrücknahme ausdrücklich verweigert hat. In der Sache hat das OLG insbesondere zu Unrecht nicht aufgeklärt, ob der verlangte Beleg dem Antragsgegner vorliegt.

Der Umfang der Verpflichtung zur Belegvorlage nach § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt. Überwiegend wird dabei vertreten, dass sie sich auf die Vorlage vorhandener Belege beschränkt. Teilweise wird dagegen angenommen, dass die Verpflichtung auch die Erstellung von Belegen umfasst, jedenfalls soweit die Belege mit vertretbarem Aufwand beigebracht werden können. Die erstgenannte Auffassung ist zutreffend. Die Verpflichtung zur Belegvorlage nach § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB beschränkt sich auf die Vorlage vorhandener Nachweise. Eine Pflicht zur Erstellung von Belegen, die über die bloße Reproduktion bereits existierender Unterlagen etwa durch Ausdruck hinausgeht und wie etwa bei einem Jahresabschluss eine eigene schöpferische Leistung erfordert, besteht nicht.

Zwar ergibt sich eine Beschränkung der Vorlagepflicht auf vorhandene Belege nicht zwingend aus dem Wortlaut von § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB, da von der Formulierung "vorzulegen" auch zuvor zu erstellende Belege umfasst sein können. Auch die Gesetzesbegründung ermöglicht insoweit keine eindeutige Beurteilung. Allerdings wird dort ausgeführt, die Pflicht zur Vorlage bestehe "nur in dem Umfang, in dem solche Belege noch vorhanden sind". Als Beispiel wird sodann erörtert, dass eine Erfüllung der Belegpflicht unmöglich und daher nicht zu erfüllen wäre, wenn nach dreißigjähriger Ehe Kaufbelege nicht mehr vorhanden seien. Danach hatte der Gesetzgeber erkennbar Sachverhalte vor Augen, in denen ursprünglich vorhandene Belege abhandengekommen sind. Dies ist mit der erstmaligen Erstellung etwa eines Jahresabschlusses nicht vergleichbar, so dass sich für das Gesetzesverständnis insoweit nur bedingt Rückschlüsse ziehen lassen.

Die Beschränkung auf vorhandene Belege ergibt sich aber aus Sinn und Zweck der Regelung. Der Anspruch auf Belegvorlage dient als Hilfsanspruch in erster Linie zur Kontrolle der Auskunft. Da sich der Auskunftsanspruch auf die Zusammensetzung des Vermögens des Auskunftspflichtigen am Stichtag einschließlich der wertbildenden Faktoren richtet, sollen die vorzulegenden Belege danach eine Überprüfung der Angaben des Auskunftspflichtigen daraufhin ermöglichen, ob dieser seinen Wissensstand zu den von der Auskunft umfassten Punkten zutreffend und vollständig mitgeteilt hat. Mithin dient die Belegvorlage insoweit vor allem dem Ausgleich des Informationsgefälles, nicht aber dazu, dem Auskunftsberechtigten weitere Auskünfte und einen Informationsstand zu verschaffen, der über den des dem Auskunftspflichtigen aktuell verfügbaren Wissens noch hinausgeht. Unter Anwendung dieser Grundsätze steht der Antragstellerin hier ein Anspruch auf Vorlage des Jahresabschlusses 2016 der GbR nur dann zu, wenn dieser bereits erstellt worden ist. Dies hat das OLG offen gelassen.

Mehr zum Thema:
  • Aufsatz: Die Entwicklung der Rechtsprechung zum Zugewinnausgleich (Koch, FamRZ 2021, 1849)
  • Aufsatz: Die Entwicklung der Rechtsprechung zur Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts (Wever/Frank, FamRZ 2021, 1165)
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