17.03.2025

Verschleppung des Verfahrens durch wiederholte Terminsverlegungsanträge?

Die erheblichen Gründe für eine Terminsverlegung müssen mit dem Verlegungsantrag vorgetragen werden, damit sie in die Ermessensentscheidung des Gerichts einfließen können. Ein Terminsverlegungsantrag ist rechtsmissbräuchlich und unbegründet, wenn er allein der Verschleppung des Verfahrens dient.

BGH v. 21.1.2025 - II ZR 52/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger war in die Gesellschafterliste der Beklagten, einer GmbH, eingetragen. Er hielt einen Geschäftsanteil i.H.v. 11.200 DM. Das Stammkapital der Beklagten betrug 100.000 DM. Er kündigte seine gesellschaftsrechtliche Beteiligung zum 31.12.2020. Am 16.3.2021 fand eine außerordentliche Gesellschafterversammlung statt, auf der Beschlüsse gefasst wurden. Der Kläger macht die Nichtigkeit dieser Beschlüsse geltend. Die Beklagte erhob Widerklage und beantragte, den Kläger zu verurteilen, die dingliche Geschäftsanteilsabtretung an die Beklagte abzuschließen.

Der Kläger drängte auf Terminsbestimmung und wies darauf hin, dass die Beklagte vor dem Arbeitsgericht versuche, durch "ständige Terminsverlegungsanträge und Fristverlängerungsgesuche" die Prozesse in die Länge zu ziehen. Das LG bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 1.9.2021. Am 10.8.2021 wurde der Beklagtenvertreter angemahnt, das Empfangsbekenntnis zur Terminsladung zurückzusenden. Am 16.8.2021 wurde vom Beklagtenvertreter gegenüber der Geschäftsstelle des LG auf telefonischer Nachfrage erklärt, keine Ladung erhalten zu haben. Ein Empfangsbekenntnis übersandte er erst nach erneuter Übermittlung der Ladung per Fax an das LG. Am 27.8.2021 stellte der Beklagtenvertreter einen Terminsverlegungsantrag. Dieser wurde mit Verfügung vom 30.8.2021 zurückgewiesen. Daraufhin erneuerte der Beklagtenvertreter den Verlegungsantrag und wies darauf hin, dass er damit einverstanden wäre, wenn nach § 128 Abs. 2 ZPO im schriftlichem Verfahren entschieden würde. Daraufhin wurde der Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 15.12.2021 verlegt. Mit Beschluss vom 2.9.2021 ordnete das LG das schriftliche Verfahren an und hob den Termin zum 15.12.2021 auf. Der Beschluss wurde dem Beklagtenvertreter am 10.9.2021 zugestellt. Das Empfangsbekenntnis ging erst am 7.12.2021 beim LG ein. Der Verkündungstermin wurde wegen Erkrankung des Vorsitzenden aufgehoben und der Beklagtenvertreter verweigerte eine weitere Zustimmung zum schriftlichen Verfahren. Danach bestimmte das LG mit einer am 30.11.2021 zugestellten Verfügung Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 15.6.2022. Mit Schriftsatz vom 8.6.2022 verlangte die Beklagte die Aufhebung des Verhandlungstermins mit der Begründung, der Kläger habe diesem Verfahren zugestimmt. Dieser hatte jedoch zuvor bereits mitgeteilt, dass er einem solchen Verfahren nicht zugestimmt habe. Mit Beschluss vom 14.6.2022 hob das LG den Termin auf, ordnete das schriftliche Verfahren an, gab mit am 29.8.2022 zugestelltem Urteil der Klage statt und wies die Widerklage ab.

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgte die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag und die Verurteilung des Klägers auf die Widerklage. Das OLG bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 23.8.2023. Die Ladung wurde dem Beklagtenvertreter am 30.6.2023 zugesandt. Am 11.8.2023 beantragte der Beklagtenvertreter eine Terminsverlegung, weil er bereits im Mai 2023 einen Urlaub in dieser Zeit gebucht habe. Er sei der alleinige Sachbearbeiter der Kanzlei und die Beklagte wünsche keine Vertretung durch einen anderen Rechtsanwalt. Hierauf wurde der Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 25.10.2023 verlegt. Am 23.10.2023 beantragte der Beklagtenvertreter Terminsverlegung, da er erkrankt sei. Daraufhin wurde der Termin vom 25.10.2023 aufgehoben. Mit Verfügung des Gerichts vom 8.12.2023 wurde neuer Termin auf den 10.1.2024 bestimmt. Zugleich wurden die Beklagten und ihr Prozessbevollmächtigter darauf hingewiesen, dass ein erneuter Fall der Verhinderung unverzüglich anzuzeigen und bereits mit dem Verlegungsantrag glaubhaft zu machen sei. Das OLG wies darauf hin, dass bei längerfristiger Verhinderung auf geeignete Weise zum Beispiel auch durch Wechsel des Bevollmächtigten oder durch Erteilung einer qualifizierten Untervollmacht sicherzustellen sei, dass die Beklagte im Verhandlungstermin und im weiteren Verfahren durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist.

Dem Beklagtenvertreter wurde aufgegeben, in einem erneuten Fall der Verhinderung dies unverzüglich anzuzeigen und deren Gründe bereits mit dem Verlegungsantrag glaubhaft zu machen. Gesundheitliche Gründe könnten nur durch ein amtsärztliches Zeugnis über eine Verhandlungs- bzw. Reiseunfähigkeit belegt werden; bei längerer Verhinderung sei auf geeignete Weise z.B. Wechsel des Bevollmächtigten oder durch Erstellung einer qualifizierten Untervollmacht sicherzustellen, dass die Beklagte im Verhandlungstermin vertreten werde. Mit Schriftsatz vom 27.12.2023 beantragte der Beklagtenvertreter die Verlegung des Termins. Er sei durch eine andere Ladung gebunden. Dieser Antrag wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass die anderweitige Verhinderung nicht rechtzeitig nach der Ladung angezeigt worden sei. Auch ein weiterer Verlegungsantrag vom 29.12.2023 wurde zurückgewiesen. Ein erneuter Verlegungsantrag vom 8.1.2024 wurde nicht mehr beschieden, da der Termin von Amts wegen aufgehoben wurde. Neuer Termin zur mündlichen Verhandlung wurde auf den 31.1.2024 bestimmt. Am 16.1.2024 fragte der Beklagtenvertreter an, ob der Termin stattfinden werde. Am 29.1.2024 wurde eine Terminsverlegung seitens der Beklagten beantragt, da der sachbearbeitende Rechtsanwalt sich einer Behandlung nebst Schmerztherapie unterziehen müsse. Die Beklagte sowie die Zeugen seien bereits von der Kanzlei unterrichtet worden, dass der Termin nicht stattfinde. Ein amtsärztliches Attest fügte er nicht bei. Der Verlegungsantrag wurde zurückgewiesen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung erging ein die Berufung zurückweisendes Versäumnisurteil gegen die Beklagte.

Das Versäumnisurteil wurde mangels Rücksendung eines Empfangsbekenntnisses durch den Beklagtenvertreter am 8.2.2024 per Postzustellungsurkunde zugestellt. Am 14.2.2024 legte die Beklagte Einspruch ein. Mit am 19.2.2024 dem Beklagtenvertreter zugestellter Verfügung wurde Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 27.3.2024 bestimmt. Am 14.3.2024 beantragte der Beklagtenvertreter Terminsverlegung, da er bereits im Januar einen Skiurlaub gebucht habe. Der Terminsverlegungsantrag wurde mit Verfügung vom 19.3.2024 zurückgewiesen. Sodann lehnte die Beklagte am gleichen Tag den Vorsitzenden sowie zwei weitere Richter des Senats wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Nachdem das Befangenheitsgesuch zurückgewiesen wurde, beantragte der Beklagtenvertreter erneut mit zwei Schriftsätzen am 25. und 26.3.2024 Terminsverlegung. Unter der prozessualen Bedingung der Zurückweisung des Verlegungsantrags stellte die Beklagte zugleich einen Befangenheitsantrag gegen alle Richter des über die Berufung entscheidenden 12. Zivilsenats und zwei weitere Richter des 17. Zivilsenats des Berufungsgerichts. Die Befangenheitsgesuche wurden vor dem Verhandlungstermin am 27.3.2024 zurückgewiesen. Die Beklagte war in dem Termin nicht vertreten. Das OLG erließ sodann ein zweites Versäumnisurteil und verwarf den Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Eine geplante Urlaubsreise des Prozessbevollmächtigten einer Partei ist regelmäßig ein erheblicher Grund, und zwar erst recht, wenn die betreffende Reise bereits vor der Terminierung gebucht worden ist. Auch wenn es die Prozessförderungspflicht geboten hat, die Verhinderung früher anzuzeigen, kann ein kurzfristig vor dem Verhandlungstermin gestellter Terminsverlegungsantrag nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden, wenn auch bei rechtzeitiger Antragstellung die Terminsverlegung hätte erfolgen müssen. Dem Beschleunigungsgebot kann bei der Ermessensentscheidung erhöhtes Gewicht zukommen, wenn Verhandlungstermine schon mehrfach verlegt wurden und ein weiterer Verlegungsantrag rechtsmissbräuchlich allein in der Absicht gestellt wird, den Prozess zu verschleppen. Eine Verzögerungsabsicht, die im Einzelfall den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs rechtfertigen könnte, kann sich insbesondere aus dem vorangegangenen Prozessverhalten der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten ergeben.

Gemessen an diesem Maßstab konnten die Terminsverlegungsanträge der Beklagten vom 14. und 25./26.3.2024 nicht mit der vom OLG gegebenen Begründung zurückgewiesen werden. Die Feststellungen des OLG tragen die Würdigung nicht, die Terminsverlegungsanträge seien rechtsmissbräuchlich gestellt und daher unbegründet. Dies setzt, wie bereits ausgeführt, voraus, dass allein die Verschleppung des Verfahrens maßgebend für die Terminsverlegungsanträge war. Hier hat die Beklagte glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter vor Anberaumung des Termins zur mündlichen Verhandlung bereits eine Urlaubsreise gebucht hatte, was grundsätzlich ein wichtiger Grund für eine Terminsverlegung ist. Der Hinweis auf vorangegangenes fragwürdiges Prozessverhalten reicht dann nicht aus, um einen an sich berechtigten Terminsverlegungsantrag als rechtsmissbräuchlich zurückzuweisen. Besondere Umstände, die darauf schließen lassen, dass diese Terminsverlegungsanträge ausschließlich zum Zweck der Verzögerung des Rechtsstreits gestellt worden sind, hat das OLG nicht festgestellt. Allein das Zuwarten bis zur Antragstellung vom 19.2.2024 bis zum 14.3.2024, reicht für sich genommen nicht aus, um den Terminsverlegungsantrag zurückzuweisen, weil er allein der Prozessverschleppung diene. Auch bei früherer Antragstellung wäre eine Terminsverlegung erforderlich gewesen.

Die Zurückweisung des Terminsverlegungsantrags und die Annahme der verschuldeten Versäumnis des Termins zur mündlichen Verhandlung war jedoch aus anderen Gründen richtig und geboten. Die Beklagte hat nicht hinreichend dargelegt, dass sie in dem Verhandlungstermin nicht durch einen anderen Rechtsanwalt insbesondere aus der Sozietät ihres Prozessbevollmächtigten an diesem Tag hätte vertreten werden können. Die Beklagte hat für einen vorangegangenen Terminsverlegungsantrag geltend gemacht, dass der im Verfahren tätige Rechtsanwalt aus der Sozietät der alleinige Sachbearbeiter und in die Sache eingearbeitet sei. Sie wünsche die Vertretung durch ihn. Im Terminsverlegungsantrag vom 14.3.2024 hat sie weiter ausgeführt, dass die anderen Sozietätsmitglieder der die Beklagte vertretenden Rechtsanwälte ebenfalls wegen Urlaubs bzw. Terminskollisionen verhindert seien.

Grundsätzlich ist das Interesse einer Partei anzuerkennen, durch einen gewählten Rechtsanwalt vertreten zu werden. Jeder Partei steht das Recht zur freien Anwaltswahl zu. Dem Beschleunigungsgebot kommt jedoch ein erhöhtes Gewicht zu, wenn Verhandlungstermine schon mehrfach verlegt worden sind. In die Ermessensentscheidung des Gerichts über die Terminsverlegung sind neben den übrigen Umständen des Einzelfalls auch einzubeziehen, die Besonderheiten der Mandatsbeziehung, die Möglichkeit, einen Kollisionstermin verlegen zu lassen oder einen der Termine durch einen Vertreter wahrnehmen zu lassen. Zu berücksichtigen ist auch, zu welchem Zeitpunkt der Termin unter Beteiligung des verhinderten Rechtsanwalts voraussichtlich nachgeholt werden kann, welches Interesse die Partei bei einer Vertretung durch gerade diesen Rechtsanwalt geltend macht und welcher zusätzliche Aufwand bei Einarbeitung durch einen anderen Rechtsanwalt der Sozietät entsteht. Auch das Interesse der anderen Partei an einer zügigen Durchführung des Verfahrens ist in den Blick zu nehmen. Die erheblichen Gründe für eine Terminsverlegung müssen mit dem Verlegungsantrag vorgetragen werden, damit sie in die Ermessensentscheidung des Gerichts einfließen können Danach wurden die Verlegungsanträge der Beklagten zu Recht zurückgewiesen. Sie hat nicht hinreichend dargelegt, dass sie sich nicht durch einen anderen Anwalt, insbesondere aus der von ihr beauftragten Sozietät hätte vertreten lassen können.

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Kommentierung | ZPO
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Feskorn in Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024
07/2024

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