10.03.2023

Versicherer muss bei Einsatz sog. "Hausanwälte" Pflicht zur Kostenminderung beachten

Verfügt ein bundesweit tätiger Versicherer über sog. "Hausanwälte" an verschiedenen Orten, denen er im Wege des Outsourcing die weitere Bearbeitung von Leistungsfällen im Zusammenhang mit gerichtlichen Streitigkeiten überlässt, muss er diese organisatorischen Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Kostenminderung in Ausrichtung an dem konkreten Streitfall sachorientiert und effizient nutzen. Dies bedingt die Mandatierung eines gerichtsansässigen "Hausanwaltes", wenn die Erforderlichkeit einer besonderen Spezialisierung eines Rechtsanwaltes am dritten Ort nicht ersichtlich ist.

OLG Rostock v. 22.2.2023 - 7 W 7/23
Der Sachverhalt:
Die Parteien hatten in der Hauptsache über Ansprüche auf Schadensersatz aufgrund eines Unfallereignisses unter Beteiligung eines Anhängers, für den bei der Beklagten zu 1) für die Lebensgefährtin des Sohnes des Klägers eine Haftpflichtversicherung bestand. Die Beklagte zu 1) machte geltend, dass sich der Unfall nicht so abgespielt haben könne, wie von dem Kläger dargelegt. Aufgrund einer in der Berufungsinstanz bestätigten Abweisung der Klage wurden die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt bei einem Streitwert von bis zu 25.000 €.

Beklagten zu 1) hat ihren Sitz in M. und beauftragte mit ihrer Vertretung in dem Rechtsstreit ihre in D. ansässigen Prozessbevollmächtigten. Diese werden von der Beklagten zu 1) regelmäßig für die Bearbeitung von Haftpflicht- und Kaskoschadensfällen in Anspruch genommen, wobei die Mandatsbearbeitung ohne gesonderte Instruktionen lediglich durch Übersendung der Vorgangsakte erfolgt; eine Mandatierung gerichtsansässiger Anwälte bedingte anderenfalls weitere Personaleinstellungen bei der Beklagten zu 1). In den Terminen der mündlichen Verhandlung im ersten und zweiten Rechtszug traten wiederum jeweils Unterbevollmächtigte für die Beklagte zu 1) auf.

Die Beklagte zu 1) beantragte eine Kostenfestsetzung für den ersten Rechtszug i..H.v. 3.399 € bzw. i.H.v. 3.628 € für den zweiten Rechtszug unter Einbeziehung für die Unterbevollmächtigten angefallener Kosten. Sie führte an, dass es ihr freigestanden habe, auch einen Rechtsanwalt an ihrem Firmensitz zu beauftragen. Das LG hat jedoch zu Gunsten der Beklagten zu 1) lediglich Gebühren und Auslagen festgesetzt, wie sie im Falle der Beauftragung eines Rechtsanwaltes aus dem jeweiligen Bezirk des erstinstanzlichen sowie des Berufungsgerichts angefallen wären unter Zugrundelegung der weitesten Entfernung zu dem Gerichtsort innerhalb der Bezirksgrenzen.

Das OLG hat die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 1) gegen den Beschluss zurückgewiesen.

Die Gründe:
Das LG hat die erstattungsfähigen außergerichtlichen Auslagen der Beklagten zu 1) zu Recht in der erfolgten Weise beschränkt.

Zwar ist es einem bundesweit tätigen Versicherer, der keine eigene sachbearbeitende Rechtsabteilung unterhält, gestattet, dass er nach Leistungsablehnung im Wege des sog. Outsourcing die Weiterbearbeitung einem Rechtsanwalt überlässt, der aufgrund ständiger Geschäftsbeziehung derartige Verfahren weiter bearbeitet, ohne in kostenerstattungsrechtlicher Hinsicht Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Im Rahmen der Kostenerstattung kommt es allerdings (eben) auf die tatsächliche Organisation des Unternehmens der Partei an, und sie ist gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen.

Danach konnte hier nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Beklagte zu 1) den Vorhalt des LG aufgrund seiner Erkenntnisse aus anderen Verfahren unter ihrer Beteiligung nicht in Abrede gestellt hat, auch unmittelbar im Bezirk des Prozess- bzw. Berufungsgerichts über von ihr so bezeichnete "Hausanwälte" zu verfügen. Wird ihr dann zu Lasten ihres Prozessgegners zugestanden, dass dieser einerseits ihm kostenrechtlich nachteilige Auswirkungen der Unternehmensorganisation der Beklagten zu 1) zu akzeptieren hat, obliegt es ihr andererseits wiederum umgekehrt angesichts ihrer Verpflichtung aus dem Prozessrechtsverhältnis, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt, die getroffenen organisatorischen Maßnahmen nicht unüberlegt ohne Ausrichtung an dem konkreten Streitfall zu nutzen, sondern sachorientiert und effizient.

Die Beklagte zu 1) konnte vor diesem Hintergrund nicht einen mehr oder weniger beliebigen ihrer offenbar bundesweit an unterschiedlichen Standorten ansässigen "Hausanwälte" mit der Prozessvertretung in Schwerin und Rostock mandatieren, sondern musste bei entsprechend bestehender Möglichkeit einen solchen am Gerichtsort beauftragen. Zu keinem anderen Ergebnis führte der Verweis der Beklagten zu 1) darauf, dass sich ihre hier tätigen anwaltlichen Bevollmächtigten auf Fälle aus dem Bereich der Betrugsabwehr spezialisiert hätten. Der vorliegende Fall war insofern in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht überschaubar gelagert, ohne dass sich etwa wegen besonderer Schwierigkeiten das Bedürfnis spezieller Kenntnisse in der Bearbeitung vergleichbarer Verfahren aufdrängte.

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