10.04.2018

Versicherungsnehmer trägt Totalverlustrisiko auch bei Rückabwicklung nach Widerspruch einer fondsgebundenen Lebensversicherung

Bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung einer fondsgebundenen Lebensversicherung nach erklärtem Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. muss sich der Versicherungsnehmer auch erhebliche oder vollständige Fondsverluste bereicherungsmindernd anrechnen lassen.

BGH 21.3.2018, IV ZR 353/16
Der Sachverhalt:
Die Kläger, Eheleute, schlossen zwei fondsgebundene Lebensversicherung jeweils mit Versicherungsbeginn zum 1.12.2005 im sog. Policenmodell gem. § 5a VVG a.F. ab. Sie erhielten dabei keine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 S. 1 VVG a.F.. In der Folgezeit leisteten die Kläger die Einmalprämie i.H.v. je 10.000 €, die die Beklagte nach Abzug von Risiko-, Abschluss-, und Verwaltungskosten in dem von den Klägern bei Antragstellung jeweils gewählten Fonds anlegte.

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 25.6.2010 die Verträge, da der Fonds liquidiert worden und der aktuelle Depotwert daher unter den bedingungsgemäßen Mindestdepotwert auf 0 € gesunken sei. Die Kläger erklärten mit Schreiben vom 19.12.2014 den Widerspruch nach § 5a VVG a.F., den die Beklagte zurückwies.

Die Kläger erhoben Klage auf Rückzahlung ihrer auf die Verträge geleisteten Beiträge aus ungerechtfertigter Bereicherung. Nach ihrer Auffassung hat der Versicherer nach Widerspruchserklärung bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung das Totalverlustrisiko der Anlage zu tragen. Das LG gab der Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten wies das OLG die Klage ab. Die dagegen eingelegte Revision der Kläger hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Kläger können nicht die Rückzahlung der von der Beklagten in den Fonds investierten Sparanteile der Prämien gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB verlangen. Zwar hat die Beklagte auch hinsichtlich der Sparanteile etwas i.S.v. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB erlangt. Die Beklagte kann sich aber erfolgreich auf den Einwand der Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB berufen. Die Kläger müssen sich bereicherungsmindernd anrechnen lassen, dass der Fonds, in dem die Sparanteile der von ihnen gezahlten Prämien angelegt worden sind, Verluste erwirtschaftet hat.

Es kommt bei einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung von unwirksamen Verträgen darauf an, inwieweit das jeweilige Entreicherungsrisiko der einen oder anderen Partei zugewiesen ist. Das Verlustrisiko kann nicht dem Versicherer aufgrund dessen auferlegt werden, dass der Lebensversicherungsvertrag nach dem wirksam erklärten Widerspruch rückwirkend und nicht erst ab Widerspruchserklärung rückabzuwickeln ist. Nach Art des Vertrags ist im Streitfall das Verlustrisiko den Klägern zugewiesen, denn der Versicherungsnehmer entscheidet sich bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung für ein Produkt, bei dem Höhe der Versicherungsleistung nicht von vorneherein betragsmäßig festgelegt ist, sondern vom wechselnden Wert des Fondsguthabens abhängig ist.

Entscheidet sich der Versicherungsnehmer gerade für ein solches Modell mit typisch behafteten Gewinn- und Verlustmöglichkeiten, rechtfertigt dies grundsätzlich, ihm das Verlustrisiko zuzuweisen, wenn der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande kommt und rückabgewickelt werden muss. Dem Versicherungsnehmer Risiken zuzuweisen, die untrennbar mit der einer von ihm gewählten Kapitalanlage verbunden sind, entspricht einer gerechten Risikoverteilung.

Dieser Risikoverteilung steht auch nicht der mit § 5a Abs. 2 S. 4 BGB bezweckte Schutz des Versicherungsnehmers entgegen. Dem europarechtlichen Effektivitätsgebot widerspricht es nicht, wenn der Versicherungsnehmer auch nach Ablauf der Jahresfrist dem Versicherungsvertrag widersprechen kann, er aber Fondsverluste tragen muss. Dies gilt auch dann, wenn die Fondsverluste erheblich sind oder sogar ein Totalverlust vorliegt. Denn dem nicht oder nicht ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmer wird die Ausübung des Widerspruchsrechts durch die Zuweisung des Entreicherungsrisikos nach § 818 Abs. 3 BGB nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert. Der Zweck der Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Lösungsrecht sicherzustellen, wird dadurch nicht tangiert.

Linkhinweis:
Für den auf den Webseiten des BGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

BGH online
Zurück