Versorgungsausgleich: Änderung eines Anrechts auf betriebliche Altersversorgung nach dem Ende der Ehezeit
BGH v. 15.12.2021 - XII ZB 347/21
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller begehrt die Abänderung einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Wege einer Totalrevision nach § 51 Abs. 1 VersAusglG. Die im August 1961 geschlossene Ehe des 1936 geborenen Antragstellers mit der früheren Ehefrau (E) wurde mit Urteil des AG M. vom 31.10.1984 rechtskräftig geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt. Die im Scheidungsverbund erlassene Entscheidung zum Versorgungsausgleich wurde mit Beschluss des AG M. vom 29.4.1994 abgeändert. Ausweislich der im Abänderungsverfahren erteilten Versorgungsauskünfte hatten beide früheren Ehegatten in der gesetzlichen Ehezeit vom 1.8.1961 bis zum 30.9.1983 Versorgungsanrechte erworben. Aufseiten des Antragstellers eines pensionierten Polizeibeamten wurde eine Anwartschaft auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen berücksichtigt, deren ehezeitliche Höhe von dem Versorgungsträger mit rd. 1.680 DM angegeben worden ist. E hatte bei der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine auf das Ende der Ehezeit bezogene Rentenanwartschaft i.H.v. mtl. 400 DM erlangt.
Zusätzlich hatte E ein betriebliches Anrecht bei der U-GmbH (Beteiligte zu 3) erworben. Das AG M. hatte für den Ehezeitanteil dieser Versorgung einen Jahresbetrag i.H.v. nominal rd. 715 DM (entspricht einem mtl. Rentenbetrag i.H.v. nominal rd. 60 DM) ermittelt und diesen Betrag unter Anwendung der seinerzeit gültigen Barwert-Verordnung in einen volldynamischen mtl. Rentenbetrag von rd. 12 DM umgerechnet. Dementsprechend begründete das AG M. im Wege des Quasi-Splittings zulasten der beamtenrechtlichen Versorgung des Antragstellers mtl. und auf das Ende der Ehezeit bezogene gesetzliche Rentenanwartschaften i.H.v. rd. 630 DM auf dem Versicherungskonto von E. E verstarb am 24.1.2019. Mit einer am 29.10.2019 bei Gericht eingegangenen Antragsschrift begehrte der Antragsteller eine Abänderung der Entscheidung des AG M. vom 29.4.1994
Das AG wies den Antrag nach Einholung neuer Versorgungsauskünfte als unzulässig zurück. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte vor dem OLG ebenso wenig Erfolg wie die vorliegende Rechtsbeschwerde vor dem BGH.
Die Gründe:
Eine Entscheidung über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht kann gem. § 51 Abs. 1 VersAusglG beim Vorliegen einer wesentlichen Wertänderung abgeändert werden. Anders als in den Fällen des § 225 Abs. 1 FamFG sind die Abänderungsmöglichkeiten nach § 51 Abs. 1 VersAusglG nicht auf die in § 32 VersAusglG genannten Anrechte in den Regelsicherungssystemen beschränkt, sondern sie erfassen auch Anrechte der betrieblichen Altersversorgung.
Wegen der besonderen Voraussetzungen für die Abänderung wird in § 51 Abs. 2 VersAusglG auf die Bestimmungen in § 225 Abs. 2 und 3 FamFG verwiesen. Danach ist die Ausgangsentscheidung abzuändern, wenn rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit auf den Ausgleichswert zurückwirken (§ 225 Abs. 2 FamFG) und zu einer wesentlichen Wertänderung führen, die mindestens 5 % des bisherigen Ausgleichswerts beträgt (relative Wesentlichkeitsgrenze; § 225 Abs. 3 Alt. 1 FamFG) und bei einem Rentenbetrag als maßgeblicher Bezugsgröße 1 %, in allen anderen Fällen als Kapitalwert 120 % der am Ende der Ehezeit maßgeblichen monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV übersteigt (absolute Wesentlichkeitsgrenze; § 225 Abs. 3 Alt. 2 FamFG). Dabei genügt die wesentliche Wertänderung nur eines Anrechts. Zutreffend ist das OLG davon ausgegangen, dass weder bei dem vom Antragsteller erworbenen Anrecht auf beamtenrechtliche Versorgung noch bei dem von der früheren Ehefrau erlangten Anrecht der gesetzlichen Rentenversicherung eine wesentliche Wertänderung i.S.v. § 225 Abs. 3 FamFG vorliegt.
Das OLG hat ebenfalls richtig erkannt, dass eine i.S.d. § 51 Abs. 2 VersAusglG i.V.m. § 225 Abs. 2 und 3 FamFG wesentliche Wertänderung auch bei dem von der früheren Ehefrau erworbenen betrieblichen Anrecht bei der Beteiligte zu 3) nicht vorliegt. Die dagegen erhobenen Beanstandungen der Rechtsbeschwerde greifen nicht durch. Der betriebliche Rentenanspruch der E belief sich zuletzt auf mtl. rd. 110 €, woraus sich ein Ehezeitanteil i.H.v. rd. 37 € und ein als mtl. Rentenbetrag ausgedrückter aktueller Ausgleichswert i.H.v. rd. 18 € oder 36 DM errechnen. In der Ausgangsentscheidung hatte das AG M. für diese Versorgung einen ehezeitanteiligen Jahresbetrag von rd. 715 DM ermittelt, was einer mtl. Rente von nominal rd. 60 DM entspricht. Bezogen auf die mtl. Rente beträgt die Hälfte des ursprünglichen Ehezeitanteils somit nominal rd. 30 DM.
Bei Anrechten, die wie hier in der Ausgangsentscheidung mit Hilfe der Barwert-Verordnung umgewertet worden sind, ist Vergleichsgrundlage der seinerzeit festgestellte Nominalwert des Ehezeitanteils vor der Dynamisierung. Die von der Rechtsbeschwerde vertretene Gegenauffassung, die für den nach § 51 Abs. 2 VersAusglG i.V.m. § 225 Abs. 3 FamFG vorzunehmenden Wertvergleich nicht die Hälfte des ursprünglichen Nominalbetrags der ehezeitlichen Rente, sondern die Hälfte des Rentenbetrags heranziehen will, der in der Ausgangsentscheidung nach Umrechnung und Dynamisierung als fiktive Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in die Ausgleichsbilanz eingestellt wurde, lässt sich mit Normzweck und Systematik des § 51 VersAusglG nicht in Einklang bringen.
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Der Antragsteller begehrt die Abänderung einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Wege einer Totalrevision nach § 51 Abs. 1 VersAusglG. Die im August 1961 geschlossene Ehe des 1936 geborenen Antragstellers mit der früheren Ehefrau (E) wurde mit Urteil des AG M. vom 31.10.1984 rechtskräftig geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt. Die im Scheidungsverbund erlassene Entscheidung zum Versorgungsausgleich wurde mit Beschluss des AG M. vom 29.4.1994 abgeändert. Ausweislich der im Abänderungsverfahren erteilten Versorgungsauskünfte hatten beide früheren Ehegatten in der gesetzlichen Ehezeit vom 1.8.1961 bis zum 30.9.1983 Versorgungsanrechte erworben. Aufseiten des Antragstellers eines pensionierten Polizeibeamten wurde eine Anwartschaft auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen berücksichtigt, deren ehezeitliche Höhe von dem Versorgungsträger mit rd. 1.680 DM angegeben worden ist. E hatte bei der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine auf das Ende der Ehezeit bezogene Rentenanwartschaft i.H.v. mtl. 400 DM erlangt.
Zusätzlich hatte E ein betriebliches Anrecht bei der U-GmbH (Beteiligte zu 3) erworben. Das AG M. hatte für den Ehezeitanteil dieser Versorgung einen Jahresbetrag i.H.v. nominal rd. 715 DM (entspricht einem mtl. Rentenbetrag i.H.v. nominal rd. 60 DM) ermittelt und diesen Betrag unter Anwendung der seinerzeit gültigen Barwert-Verordnung in einen volldynamischen mtl. Rentenbetrag von rd. 12 DM umgerechnet. Dementsprechend begründete das AG M. im Wege des Quasi-Splittings zulasten der beamtenrechtlichen Versorgung des Antragstellers mtl. und auf das Ende der Ehezeit bezogene gesetzliche Rentenanwartschaften i.H.v. rd. 630 DM auf dem Versicherungskonto von E. E verstarb am 24.1.2019. Mit einer am 29.10.2019 bei Gericht eingegangenen Antragsschrift begehrte der Antragsteller eine Abänderung der Entscheidung des AG M. vom 29.4.1994
Das AG wies den Antrag nach Einholung neuer Versorgungsauskünfte als unzulässig zurück. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte vor dem OLG ebenso wenig Erfolg wie die vorliegende Rechtsbeschwerde vor dem BGH.
Die Gründe:
Eine Entscheidung über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht kann gem. § 51 Abs. 1 VersAusglG beim Vorliegen einer wesentlichen Wertänderung abgeändert werden. Anders als in den Fällen des § 225 Abs. 1 FamFG sind die Abänderungsmöglichkeiten nach § 51 Abs. 1 VersAusglG nicht auf die in § 32 VersAusglG genannten Anrechte in den Regelsicherungssystemen beschränkt, sondern sie erfassen auch Anrechte der betrieblichen Altersversorgung.
Wegen der besonderen Voraussetzungen für die Abänderung wird in § 51 Abs. 2 VersAusglG auf die Bestimmungen in § 225 Abs. 2 und 3 FamFG verwiesen. Danach ist die Ausgangsentscheidung abzuändern, wenn rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit auf den Ausgleichswert zurückwirken (§ 225 Abs. 2 FamFG) und zu einer wesentlichen Wertänderung führen, die mindestens 5 % des bisherigen Ausgleichswerts beträgt (relative Wesentlichkeitsgrenze; § 225 Abs. 3 Alt. 1 FamFG) und bei einem Rentenbetrag als maßgeblicher Bezugsgröße 1 %, in allen anderen Fällen als Kapitalwert 120 % der am Ende der Ehezeit maßgeblichen monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV übersteigt (absolute Wesentlichkeitsgrenze; § 225 Abs. 3 Alt. 2 FamFG). Dabei genügt die wesentliche Wertänderung nur eines Anrechts. Zutreffend ist das OLG davon ausgegangen, dass weder bei dem vom Antragsteller erworbenen Anrecht auf beamtenrechtliche Versorgung noch bei dem von der früheren Ehefrau erlangten Anrecht der gesetzlichen Rentenversicherung eine wesentliche Wertänderung i.S.v. § 225 Abs. 3 FamFG vorliegt.
Das OLG hat ebenfalls richtig erkannt, dass eine i.S.d. § 51 Abs. 2 VersAusglG i.V.m. § 225 Abs. 2 und 3 FamFG wesentliche Wertänderung auch bei dem von der früheren Ehefrau erworbenen betrieblichen Anrecht bei der Beteiligte zu 3) nicht vorliegt. Die dagegen erhobenen Beanstandungen der Rechtsbeschwerde greifen nicht durch. Der betriebliche Rentenanspruch der E belief sich zuletzt auf mtl. rd. 110 €, woraus sich ein Ehezeitanteil i.H.v. rd. 37 € und ein als mtl. Rentenbetrag ausgedrückter aktueller Ausgleichswert i.H.v. rd. 18 € oder 36 DM errechnen. In der Ausgangsentscheidung hatte das AG M. für diese Versorgung einen ehezeitanteiligen Jahresbetrag von rd. 715 DM ermittelt, was einer mtl. Rente von nominal rd. 60 DM entspricht. Bezogen auf die mtl. Rente beträgt die Hälfte des ursprünglichen Ehezeitanteils somit nominal rd. 30 DM.
Bei Anrechten, die wie hier in der Ausgangsentscheidung mit Hilfe der Barwert-Verordnung umgewertet worden sind, ist Vergleichsgrundlage der seinerzeit festgestellte Nominalwert des Ehezeitanteils vor der Dynamisierung. Die von der Rechtsbeschwerde vertretene Gegenauffassung, die für den nach § 51 Abs. 2 VersAusglG i.V.m. § 225 Abs. 3 FamFG vorzunehmenden Wertvergleich nicht die Hälfte des ursprünglichen Nominalbetrags der ehezeitlichen Rente, sondern die Hälfte des Rentenbetrags heranziehen will, der in der Ausgangsentscheidung nach Umrechnung und Dynamisierung als fiktive Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in die Ausgleichsbilanz eingestellt wurde, lässt sich mit Normzweck und Systematik des § 51 VersAusglG nicht in Einklang bringen.
- Kurzbeitrag: Stockmann - Buchtipp: Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG, 4. Auflage (FamRB 2022, 82)
- Aufsatz: Siede - Empfehlungen zur externen Teilung von Anrechten der betrieblichen Altersversorgung (FamRB 2022, 116)
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