Versorgungsausgleich: Übertragung eines nicht geschützten Altersvorsorgekapitals auf einen anderen Altersvorsorgevertrag
BGH v. 19.6.2024 - XII ZB 456/23
Der Sachverhalt:
Auf den am 10.11.2020 zugestellten Antrag hat das FamG die am 12.12.2012 geschlossene Ehe des Antragstellers (Ehemann) und der Antragsgegnerin (Ehefrau) geschieden und in der abgetrennten Folgesache den Versorgungsausgleich geregelt. Während der Ehezeit haben beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der privaten Altersversorgung erworben, darunter der Ehemann ein Anrecht aus einer Rentenversicherung bei der Beteiligten zu 4), dessen Ehezeitanteil der Versorgungsträger mit rd. 16.000 € bei einem vorgeschlagenen Ausgleichswert von rd. 8.000 € unter Berücksichtigung von 200 € Teilungskosten angegeben hat.
Versicherungsbeginn des bei der Beteiligten zu 4) bestehenden Anrechts ist der 1.2.2018. Auf den Vertrag sind mtl. Beiträge von 50 € und ein Einmalbetrag i.H.v. rd. 15.000 € eingezahlt worden. Zuvor hatte der Ehemann eine private Rentenversicherung bei der A. Versicherung geführt, auf die zum Ehezeitbeginn ein Vertragsguthaben von rd. 11.000 € angespart war. Am 1.2.2018 betrug das Vertragsguthaben rd. 16.000 €, woraus nach Abzug von Steuern rd. 15.000 € an den Ehemann ausgezahlt wurden.
Das AG teilte die Anrechte jeweils intern mit Ausnahme eines Anrechts der Ehefrau aus einer Lebensversicherung, von dessen Ausgleich es wegen Geringfügigkeit nach § 18 Abs. 2 VersAusglG abgesehen hat. Gegen diese Entscheidung legte der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung der Ehefrau Beschwerde ein, mit der er den zusätzlichen Ausgleich eines von der Ehefrau erworbenen Grundrentenzuschlags verfolgt. Der Ehemann legte ebenfalls Beschwerde ein, mit der er einen Ausschluss des Ausgleichs seines Anrechts bei der Beteiligten zu 4) erreichen wollte. Das OLG ergänzte die Beschlussformel um den Ausgleich des Grundrentenzuschlags und wies die Beschwerde des Ehemanns zurück; gegen die Zurückweisung richtet sich seine zugelassene Rechtsbeschwerde.
Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Ob der Wechsel des Versorgungsträgers im Versorgungsausgleich als eine Auflösung des bestehenden und Neubegründung eines anderen Anrechts oder als Fortführung eines einheitlichen Anrechts anzusehen ist, bedarf ebenso wie die Frage, ob eine Versorgung überhaupt einzubeziehen ist oder nicht, einer wertenden Betrachtung nach Sinn und Zweck des Versorgungsausgleichs. Diese kann im Fall von nicht staatlich geförderten privaten Altersversorgungen jedoch regelmäßig nicht zu einer einheitlichen Betrachtungsweise sukzessiver Versorgungsverhältnisse führen.
Gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG ist ein Anrecht auszugleichen, sofern es durch Arbeit oder Vermögen geschaffen oder aufrechterhalten worden ist. Anrechte im Sinne des Gesetzes sind im In- oder Ausland bestehende Anwartschaften auf Versorgungen und Ansprüche auf laufende Versorgungen (§ 2 Abs. 1 VersAusglG). Wie der Senat bereits entschieden hat, ist ein durch Vermögen geschaffenes oder aufrecht erhaltenes Anrecht gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG auszugleichen, ohne dass das Gesetz nach der Herkunft des Vermögens oder nach dem Zeitpunkt seines Erwerbs unterscheidet. Daher kommt es nicht darauf an, ob das in eine Altersversorgung eingezahlte Kapital aus einem bereits vor der Ehezeit erwirtschafteten Vermögen stammt. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 VersAusglG ist nur erforderlich, dass das Geld, mit dem der Ehegatte die Beiträge entrichtet hat, zu seinem Vermögen gehörte, während es auf die Herkunft des Geldes nicht ankommt. Insbesondere wird nicht danach gefragt, ob es sich um Vermögen handelt, das ein Ehegatte vor oder während der Ehe erworben hatte. Auszugleichen sind im Versorgungsausgleich daher auch Versorgungsanrechte, die mit dem Anfangsvermögen eines Ehegatten nach der Eheschließung erworben wurden.
Denn mit der Einzahlung in die Rentenversicherung verliert der Geldbetrag seine güterrechtliche Zugehörigkeit zum Vermögen und erlangt stattdessen den Charakter einer Altersversorgung. Damit geht einher, dass er nicht mehr dem Verbrauch zum Lebensbedarf der Ehegatten oder dem Ausgleichssystem des Zugewinnausgleichs, sondern fortan dem Ausgleichssystem des Versorgungs-ausgleichs unterfällt. Hiermit strukturell vergleichbar ist grundsätzlich auch die Begründung einer neuen Versorgungsanwartschaft aus Mitteln, die aus der Auflösung eines vorher bestehenden anderen Vertrages erlöst worden sind. Denn auch in dem Fall wird die neue Versorgungsanwartschaft aus Mitteln gespeist, die seit der Auflösung des vorigen Vertrages dem güterrechtlichen Ausgleichssystem unterfielen oder dem gemeinsamen Verbrauch zur Verfügung gestanden hätten. Grundsätzlich besteht insoweit kein Anlass, zwischen Einzahlungen aus dem Anfangsvermögen eines Ehegatten oder solchen aus der Auflösung eines vorher existenten Versorgungsvertrages zu differenzieren.
Zwar bedeutet ein Wechsel des Versorgungsträgers unter versorgungsausgleichsrechtlichen Gesichtspunkten nicht in jedem Fall eine Auflösung des bisher bestehenden und Neubegründung eines anderen Anrechts. So besteht beispielsweise versorgungsausgleichsrechtliche Kontinuität, wenn der gesetzlich bestimmte Träger der Insolvenzsicherung in dem durch § 7 BetrAVG bestimmten Umfang in die vom ursprünglichen Versorgungsträger übernommene Leistungs-verpflichtung eintritt. Ebenso hat der Senat das Bestehen einer einheitlichen Versorgung im Falle sukzessiver Anrechte aus zertifizierten Altersvorsorgeverträgen anerkannt. Dem liegt die Besonderheit zugrunde, dass zu den Voraussetzungen einer Zertifizierung nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz eine dauerhafte Bindung des gebildeten Kapitals an den Versorgungszweck gehört. Ein solcher Vertrag kann nicht frei aufgelöst und das gebildete Kapital nicht steuer- und zulagenunschädlich an den Vertragspartner zur freien Verfügung ausgezahlt, sondern lediglich unter Aufrechterhaltung der Bindung an den Versorgungszweck auf einen anderen Anbieter übertragen werden (§ 1 Abs. 1 Nr. 10 b AltZertG). Auch bei einem nachträglichen Wechsel des Anbieters setzt in dem Fall die Ansparung den Versorgungszweck kontinuierlich fort und ist dann auch eine einheitliche Sichtweise aus dem Blickwinkel des Versorgungsausgleichs geboten.
An einer vergleichbaren rechtlichen Anknüpfung fehlt es indessen, wenn mit dem aufgelösten Versorgungsvertrag kein gebundenes Versorgungsvermögen gebildet war. Es handelt sich dann nicht lediglich um einen Anbieter-wechsel aufseiten des Versorgungsträgers für ein zweckgebundenes Versorgungsvermögen, sondern um die rechtlich ungebundene Entscheidung, ein frei werdendes Kapital in anderer oder in gleicher Form neu anzulegen.
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Auf den am 10.11.2020 zugestellten Antrag hat das FamG die am 12.12.2012 geschlossene Ehe des Antragstellers (Ehemann) und der Antragsgegnerin (Ehefrau) geschieden und in der abgetrennten Folgesache den Versorgungsausgleich geregelt. Während der Ehezeit haben beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der privaten Altersversorgung erworben, darunter der Ehemann ein Anrecht aus einer Rentenversicherung bei der Beteiligten zu 4), dessen Ehezeitanteil der Versorgungsträger mit rd. 16.000 € bei einem vorgeschlagenen Ausgleichswert von rd. 8.000 € unter Berücksichtigung von 200 € Teilungskosten angegeben hat.
Versicherungsbeginn des bei der Beteiligten zu 4) bestehenden Anrechts ist der 1.2.2018. Auf den Vertrag sind mtl. Beiträge von 50 € und ein Einmalbetrag i.H.v. rd. 15.000 € eingezahlt worden. Zuvor hatte der Ehemann eine private Rentenversicherung bei der A. Versicherung geführt, auf die zum Ehezeitbeginn ein Vertragsguthaben von rd. 11.000 € angespart war. Am 1.2.2018 betrug das Vertragsguthaben rd. 16.000 €, woraus nach Abzug von Steuern rd. 15.000 € an den Ehemann ausgezahlt wurden.
Das AG teilte die Anrechte jeweils intern mit Ausnahme eines Anrechts der Ehefrau aus einer Lebensversicherung, von dessen Ausgleich es wegen Geringfügigkeit nach § 18 Abs. 2 VersAusglG abgesehen hat. Gegen diese Entscheidung legte der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung der Ehefrau Beschwerde ein, mit der er den zusätzlichen Ausgleich eines von der Ehefrau erworbenen Grundrentenzuschlags verfolgt. Der Ehemann legte ebenfalls Beschwerde ein, mit der er einen Ausschluss des Ausgleichs seines Anrechts bei der Beteiligten zu 4) erreichen wollte. Das OLG ergänzte die Beschlussformel um den Ausgleich des Grundrentenzuschlags und wies die Beschwerde des Ehemanns zurück; gegen die Zurückweisung richtet sich seine zugelassene Rechtsbeschwerde.
Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Ob der Wechsel des Versorgungsträgers im Versorgungsausgleich als eine Auflösung des bestehenden und Neubegründung eines anderen Anrechts oder als Fortführung eines einheitlichen Anrechts anzusehen ist, bedarf ebenso wie die Frage, ob eine Versorgung überhaupt einzubeziehen ist oder nicht, einer wertenden Betrachtung nach Sinn und Zweck des Versorgungsausgleichs. Diese kann im Fall von nicht staatlich geförderten privaten Altersversorgungen jedoch regelmäßig nicht zu einer einheitlichen Betrachtungsweise sukzessiver Versorgungsverhältnisse führen.
Gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG ist ein Anrecht auszugleichen, sofern es durch Arbeit oder Vermögen geschaffen oder aufrechterhalten worden ist. Anrechte im Sinne des Gesetzes sind im In- oder Ausland bestehende Anwartschaften auf Versorgungen und Ansprüche auf laufende Versorgungen (§ 2 Abs. 1 VersAusglG). Wie der Senat bereits entschieden hat, ist ein durch Vermögen geschaffenes oder aufrecht erhaltenes Anrecht gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG auszugleichen, ohne dass das Gesetz nach der Herkunft des Vermögens oder nach dem Zeitpunkt seines Erwerbs unterscheidet. Daher kommt es nicht darauf an, ob das in eine Altersversorgung eingezahlte Kapital aus einem bereits vor der Ehezeit erwirtschafteten Vermögen stammt. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 VersAusglG ist nur erforderlich, dass das Geld, mit dem der Ehegatte die Beiträge entrichtet hat, zu seinem Vermögen gehörte, während es auf die Herkunft des Geldes nicht ankommt. Insbesondere wird nicht danach gefragt, ob es sich um Vermögen handelt, das ein Ehegatte vor oder während der Ehe erworben hatte. Auszugleichen sind im Versorgungsausgleich daher auch Versorgungsanrechte, die mit dem Anfangsvermögen eines Ehegatten nach der Eheschließung erworben wurden.
Denn mit der Einzahlung in die Rentenversicherung verliert der Geldbetrag seine güterrechtliche Zugehörigkeit zum Vermögen und erlangt stattdessen den Charakter einer Altersversorgung. Damit geht einher, dass er nicht mehr dem Verbrauch zum Lebensbedarf der Ehegatten oder dem Ausgleichssystem des Zugewinnausgleichs, sondern fortan dem Ausgleichssystem des Versorgungs-ausgleichs unterfällt. Hiermit strukturell vergleichbar ist grundsätzlich auch die Begründung einer neuen Versorgungsanwartschaft aus Mitteln, die aus der Auflösung eines vorher bestehenden anderen Vertrages erlöst worden sind. Denn auch in dem Fall wird die neue Versorgungsanwartschaft aus Mitteln gespeist, die seit der Auflösung des vorigen Vertrages dem güterrechtlichen Ausgleichssystem unterfielen oder dem gemeinsamen Verbrauch zur Verfügung gestanden hätten. Grundsätzlich besteht insoweit kein Anlass, zwischen Einzahlungen aus dem Anfangsvermögen eines Ehegatten oder solchen aus der Auflösung eines vorher existenten Versorgungsvertrages zu differenzieren.
Zwar bedeutet ein Wechsel des Versorgungsträgers unter versorgungsausgleichsrechtlichen Gesichtspunkten nicht in jedem Fall eine Auflösung des bisher bestehenden und Neubegründung eines anderen Anrechts. So besteht beispielsweise versorgungsausgleichsrechtliche Kontinuität, wenn der gesetzlich bestimmte Träger der Insolvenzsicherung in dem durch § 7 BetrAVG bestimmten Umfang in die vom ursprünglichen Versorgungsträger übernommene Leistungs-verpflichtung eintritt. Ebenso hat der Senat das Bestehen einer einheitlichen Versorgung im Falle sukzessiver Anrechte aus zertifizierten Altersvorsorgeverträgen anerkannt. Dem liegt die Besonderheit zugrunde, dass zu den Voraussetzungen einer Zertifizierung nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz eine dauerhafte Bindung des gebildeten Kapitals an den Versorgungszweck gehört. Ein solcher Vertrag kann nicht frei aufgelöst und das gebildete Kapital nicht steuer- und zulagenunschädlich an den Vertragspartner zur freien Verfügung ausgezahlt, sondern lediglich unter Aufrechterhaltung der Bindung an den Versorgungszweck auf einen anderen Anbieter übertragen werden (§ 1 Abs. 1 Nr. 10 b AltZertG). Auch bei einem nachträglichen Wechsel des Anbieters setzt in dem Fall die Ansparung den Versorgungszweck kontinuierlich fort und ist dann auch eine einheitliche Sichtweise aus dem Blickwinkel des Versorgungsausgleichs geboten.
An einer vergleichbaren rechtlichen Anknüpfung fehlt es indessen, wenn mit dem aufgelösten Versorgungsvertrag kein gebundenes Versorgungsvermögen gebildet war. Es handelt sich dann nicht lediglich um einen Anbieter-wechsel aufseiten des Versorgungsträgers für ein zweckgebundenes Versorgungsvermögen, sondern um die rechtlich ungebundene Entscheidung, ein frei werdendes Kapital in anderer oder in gleicher Form neu anzulegen.
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