Verspätung von bei kanadischer Airline gebuchten Teilflügen: Keine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte
BGH v. 21.6.2022 - X ZR 22/21
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c FluggastrechteVO. Die in Deutschland wohnenden Kläger buchten über das Internetportal E. Flüge der in Kanada ansässigen Beklagten von Billund (Dänemark) über Frankfurt a.M. nach Toronto und zurück für den 12. bzw. 30.8.2019.
Der Flug von Billund nach Frankfurt a.M. verlief planmäßig. Für den Anschlussflug wurde den Klägern die Abfertigung verweigert. Sie verpassten den geplanten Flug und erreichten Toronto mit einem Ersatzflug und einer Verspätung von mehr als drei Stunden. Der Rückflug von Toronto nach Frankfurt a.M. verlief planmäßig. Der Anschlussflug wurde annulliert. Die Kläger erreichten Billund mit einem Ersatzflug und einer Verspätung von mehr als 27 Stunden.
Mit ihrer Klage verlangen die Kläger eine Ausgleichszahlung von 1.200 € pro Person nebst Zinsen sowie Freistellung von Kosten für die vorgerichtliche Beauftragung von Rechtsanwälten.
AG und LG verneinten die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte und wiesen die Klage deshalb als unzulässig ab. Die Revision der Kläger hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Zu Recht hat das LG eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aufgrund von Art. 4 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO verneint, da die Beklagte ihren Sitz nicht in einem Mitgliedstaat hat. Mangels eines Sitzes in Deutschland bestimmt sich die Zuständigkeit der deutschen Gerichte gem. Art. 6 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO nach deutschem Recht. Die deutschen Gerichte sind für den Rechtsstreit nicht entsprechend § 21 ZPO zuständig. Die Beklagte unterhält zwar eine Zweigniederlassung in Deutschland. Der Rechtsstreit weist aber nicht den nach § 21 ZPO erforderlichen Bezug zu deren Betrieb auf. Die Voraussetzungen des besonderen Gerichtsstands des Erfüllungsorts gem. § 29 Abs. 1 ZPO sind im Streitfall ebenfalls nicht erfüllt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist der Erfüllungsort für Ausgleichsansprüche nach der Fluggastrechteverordnung nicht nach dem Recht zu bestimmen, dem der Beförderungsvertrag unterliegt, sondern entsprechend dem Rechtsgedanken des Art. 7 Nr. 1 Brüssel-Ia-VO. Nach Art. 7 Nr. 1 Brüssel-Ia-VO ist Frankfurt a.M. nicht Erfüllungsort für die geltend gemachten Ansprüche. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist bei Dienstleistungen, die an mehreren Orten zu erbringen sind, als Erfüllungsort derjenige Ort anzusehen, an dem nach dem Vertrag die Dienstleistung hauptsächlich zu erbringen ist. Bei einem Luftbeförderungsvertrag sind dies grundsätzlich der erste Abflugort und das Endziel des Fluges. Dies gilt auch für Flüge, die durch eine bestätigte einheitliche Buchung für die gesamte Reise gekennzeichnet und in zwei oder mehr Teilflüge unterteilt sind. Nach diesen Grundsätzen ist Frankfurt am Main im Streitfall kein Erfüllungsort, weil dort lediglich ein Umsteigevorgang vorgesehen war.
Nach der neueren Rechtsprechung des EuGH ist allerdings nicht von vornherein auszuschließen, dass aufgrund der spezifischen Klauseln eines Luftbeförderungsvertrags Leistungen, die an anderen Orten zu erbringen sind, für eine Klage auf Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung gegebenenfalls die Zuständigkeit anderer Gerichte begründen können; dies können auch die Gerichte am Ort einer Zwischenlandung sein. Hierzu ist aber zumindest erforderlich, dass einzelne Elemente des Vertrags im Hinblick auf eine sachgerechte Gestaltung des Verfahrens eine hinreichend enge Verbindung zwischen dem zu beurteilenden Sachverhalt und der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründen. Im Streitfall weist der Luftbeförderungsvertrag keine hinreichend enge Verbindung zu Frankfurt a.M. auf. Dass der Vertrag dort das Umsteigen von einem Flugzeug in ein anderes vorsah, genügt nach der aufgezeigten Rechtsprechung EuGH für sich nicht.
Vor diesem Hintergrund vermag der Umstand, dass nach dem Vortrag der Kläger sowohl auf dem Hin- als auch auf dem Rückflug in Frankfurt a.M. eine entscheidende Ursache für die Verspätung am Zielort gesetzt wurde, nicht dazu zu führen, dass Frankfurt a.M. als Erfüllungsort anzusehen wäre. Die nach dem Vortrag der Kläger verletzten Pflichten, sie zum Flug von Frankfurt nach Toronto zuzulassen und den Flug von Frankfurt nach Billund planmäßig durchzuführen, stellen keine spezifischen Pflichten aus dem Luftbeförderungsvertrag dar. Sie betreffen vielmehr Einzelaspekte der jedem Vertrag dieser Art innewohnenden Grundpflicht, den Fluggast vertragsgemäß zu befördern. Dies genügt nach der Rechtsprechung des EuGH gerade nicht, um einen besonderen Bezug zu Orten zwischen dem ersten Abflugort und dem Endziel zu begründen.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung:
Entschädigung bei verpasstem Flug wegen überlanger Wartezeit vor der Sicherheitskontrolle
OLG Frankfurt vom 27.01.2022 - 1 U 220/20
MDR 2022, 701
Aufsatz:
Die Entwicklung des Reiserechts der Luftbeförderung einschließlich der EU-Fluggastrechte-VO im Jahre 2020
Ernst Führich, MDR 2021, 909
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BGH online
Die Parteien streiten über eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c FluggastrechteVO. Die in Deutschland wohnenden Kläger buchten über das Internetportal E. Flüge der in Kanada ansässigen Beklagten von Billund (Dänemark) über Frankfurt a.M. nach Toronto und zurück für den 12. bzw. 30.8.2019.
Der Flug von Billund nach Frankfurt a.M. verlief planmäßig. Für den Anschlussflug wurde den Klägern die Abfertigung verweigert. Sie verpassten den geplanten Flug und erreichten Toronto mit einem Ersatzflug und einer Verspätung von mehr als drei Stunden. Der Rückflug von Toronto nach Frankfurt a.M. verlief planmäßig. Der Anschlussflug wurde annulliert. Die Kläger erreichten Billund mit einem Ersatzflug und einer Verspätung von mehr als 27 Stunden.
Mit ihrer Klage verlangen die Kläger eine Ausgleichszahlung von 1.200 € pro Person nebst Zinsen sowie Freistellung von Kosten für die vorgerichtliche Beauftragung von Rechtsanwälten.
AG und LG verneinten die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte und wiesen die Klage deshalb als unzulässig ab. Die Revision der Kläger hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist der Erfüllungsort für Ausgleichsansprüche nach der Fluggastrechteverordnung nicht nach dem Recht zu bestimmen, dem der Beförderungsvertrag unterliegt, sondern entsprechend dem Rechtsgedanken des Art. 7 Nr. 1 Brüssel-Ia-VO. Nach Art. 7 Nr. 1 Brüssel-Ia-VO ist Frankfurt a.M. nicht Erfüllungsort für die geltend gemachten Ansprüche. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist bei Dienstleistungen, die an mehreren Orten zu erbringen sind, als Erfüllungsort derjenige Ort anzusehen, an dem nach dem Vertrag die Dienstleistung hauptsächlich zu erbringen ist. Bei einem Luftbeförderungsvertrag sind dies grundsätzlich der erste Abflugort und das Endziel des Fluges. Dies gilt auch für Flüge, die durch eine bestätigte einheitliche Buchung für die gesamte Reise gekennzeichnet und in zwei oder mehr Teilflüge unterteilt sind. Nach diesen Grundsätzen ist Frankfurt am Main im Streitfall kein Erfüllungsort, weil dort lediglich ein Umsteigevorgang vorgesehen war.
Nach der neueren Rechtsprechung des EuGH ist allerdings nicht von vornherein auszuschließen, dass aufgrund der spezifischen Klauseln eines Luftbeförderungsvertrags Leistungen, die an anderen Orten zu erbringen sind, für eine Klage auf Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung gegebenenfalls die Zuständigkeit anderer Gerichte begründen können; dies können auch die Gerichte am Ort einer Zwischenlandung sein. Hierzu ist aber zumindest erforderlich, dass einzelne Elemente des Vertrags im Hinblick auf eine sachgerechte Gestaltung des Verfahrens eine hinreichend enge Verbindung zwischen dem zu beurteilenden Sachverhalt und der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründen. Im Streitfall weist der Luftbeförderungsvertrag keine hinreichend enge Verbindung zu Frankfurt a.M. auf. Dass der Vertrag dort das Umsteigen von einem Flugzeug in ein anderes vorsah, genügt nach der aufgezeigten Rechtsprechung EuGH für sich nicht.
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