21.03.2025

Verstoß gegen Mitwirkungspflicht im Rahmen der Betriebsprüfung ist nicht zwangsläufig grob fahrlässig

Legt der Steuerpflichtige im Rahmen der Außenprüfung entgegen § 200 Abs. 1 AO nicht alle erforderlichen Urkunden vor, so verursacht er damit nicht ohne weiteres in grob fahrlässiger Weise seine spätere Strafverfolgung. Ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht indiziert nicht schon die Qualifikation dieses Verstoßes als grob. Er kann ebenso auf einem schlichten, einfach fahrlässigen Versehen beruhen. Maßgeblich sind für die Beurteilung alle Umstände des Einzelfalls.

LG Nürnberg-Fürth v. 13.3.2025, 12 Qs 62/24
Der Sachverhalt:
Die frühere Beschuldigte war alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin einer GmbH. Das Finanzamt hatte dort eine Außenprüfung durchgeführt. Dabei stellte es fest, dass in den Jahren 2015 bis 2017 vonseiten der GmbH über 560.000 € überwiegend bar und als Provisionen deklariert an den früheren Beschuldigten J. ausgezahlt worden waren, den Lebensgefährten der Beschuldigten. Weiterhin soll J. hochwertige Fahrzeuge der GmbH unentgeltlich genutzt haben. Vorermittlungen der Steufa Nürnberg ergaben, dass J. in Deutschland steuerlich nicht erfasst und in Tschechien eine Briefkastenfirma auf ihn gemeldet war. Auf deren Konto war eine Provision der GmbH i.H.v. 30.000 € gezahlt worden.

Im Rahmen der Betriebsprüfung legte die Beschuldigte einen Kooperationsvertrag zwischen der GmbH und J. vor, wonach sich die Kooperation auf den An- und Verkauf von Immobilien beziehen sollte. Projekt- oder Zeitpläne wurden bei der Betriebsprüfung nicht vorgefunden. Ebenso wenig konnten Nachweise für die Erbringung von Leistungen durch J. gefunden werden. Die Steuerfahndung wertete die Provisionszahlungen als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA), die im Rahmen der Steuererklärungen für die Einkommensteuer der Beschuldigten und der Gewerbesteuer der GmbH 2015 bis 2017 jeweils (zu Unrecht, vgl. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) nicht angegeben worden seien und leitete daraufhin ein Steuerstrafverfahren ein.

Das AG erließ Durchsuchungsbeschlüsse u.a. auch für die Wohnung und die Geschäftsräume der Beschuldigten und Vermögensarreste, die am 23.10.2019 vollzogen wurden. Im Rahmen der Auswertung der sichergestellten Unterlagen fand die Steuerfahndung die Urkunde des Vertrags über eine atypisch stille Gesellschaft, der eine tragfähige Rechtsgrundlage für die zweifelhaften Provisionszahlungen bildete. Diesen hatte die Beschuldigte vor dem Vollzug der Beschlüsse nicht der Betriebsprüfung vorgelegt. Das Ermittlungsverfahren gegen sie wurde sodann eingestellt.

Der Verteidiger der Beschuldigten stellte beim AG Antrag auf Feststellung der Entschädigungspflicht nach dem StrEG betreffend die Durchsuchung und den Vermögensarrest. Das AG lehnte den Antrag ab. Durch das Unterlassen der Vorlage des Vertrags über die atypisch stille Gesellschaft habe die Beschuldigte zu ihrer eigenen Strafverfolgung grob fahrlässig beigetragen. Die Entschädigungspflicht sei damit nach § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG ausgeschlossen.

Auf die sofortige Beschwerde der Beschuldigten hat das LG den Beschluss des AG aufgehoben und festgestellt, dass die frühere Beschuldigte zu entschädigen ist.

Die Gründe:
Der geltend gemachte Entschädigungsanspruch ergab sich aus § 2 Abs. 1, 2 Nr. 4 StrEG.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts war die Entschädigung nicht gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG ausgeschlossen. Zwar sprach alles dafür, dass die Beschuldigte den Vertrag über die atypisch stille Gesellschaft im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht nach § 200 Abs. 1 Satz 1, 2 AO gegenüber dem Betriebsprüfer hätte vorlegen müssen. Allerdings indiziert ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nicht schon die Qualifikation dieses Verstoßes als grob. Er kann ebenso auf einem schlichten, einfach fahrlässigen Versehen beruhen. Maßgeblich sind für die Beurteilung alle Umstände des Einzelfalls.

Hier wäre die Vorlage des Vertrages der Beschuldigten günstig gewesen, weil so der Verdacht verdeckter Gewinnausschüttungen im Keim hätte erstickt werden können. Dass sie unterblieben war, sprach nach Wertung der Kammer dafür, dass der Beschuldigten seine Relevanz für die Besteuerung nicht bewusst war. Das passte dazu, dass die Beschuldigte nach Herkunft und Ausbildung (ausgebildete Sozialpädagogin, früher bei der Stadtmission ... tätig, die in das Immobiliengeschäft zufällig über J. hineingeraten war) mit Steuerfragen nicht erkennbar oder auch nur naheliegenderweise bewandert war und sich der Akte keine Hinweise dahin entnehmen ließen, dass der Außenprüfer die Frage etwaiger vGA´s gegenüber der Beschuldigten überhaupt angesprochen und ihr so die Möglichkeit des Nachdenkens und einer Reaktion eröffnet hätte.

Damit war der Angeklagten im Kern der Vorwurf zu machen, nicht von sich aus die steuerliche Relevanz der Urkundenvorlage erkannt zu haben. Das führte - auch im Lichte der Wertung des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt StrEG (keine grobe Fahrlässigkeit bei schlichter Nichtaussage) - dazu, dass grobe Fahrlässigkeit i.S.d. Entschädigungsausschlusses hier nicht bejaht werden konnte. Die in der genannten Vorschrift formulierte Wertung gilt gleicherweise, wenn sich der Beschuldigte darauf beschränkt, entlastendes Beweismaterial nicht vorzulegen.

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