Verstoß gegen Rechtsverkehr ist nicht zwangsläufig rücksichtslos
OLG Zweibrücken v. 28.11.2022 - 1 OLG 2 Ss 34/22
Der Sachverhalt:
Der Angeklagte war am 2.1.2022 aus einem siebenwöchigen Urlaub in Thailand zurückgekehrt. Weil er bei dem elfeinhalb Stunden dauernden Nachtflug nicht gut geschlafen hatte, legte er sich für vier Stunden schlafen. Etwa eine Stunde nach dem Aufwachen setzte er sich in sein Auto und fuhr los. Dabei fuhr er auf einer Strecke von zwei bis drei Kilometern eine Landstraße auf der linken Spur. Nach zwei bis drei Minuten Fahrtzeit kollidierte er in einem Kurvenbereich frontal mit dem ihm auf derselben Fahrspur entgegenkommenden Pkw der Geschädigten. Der Angeklagte hatte sich weder vor Fahrtantritt noch während der Fahrt darüber Gedanken gemacht, dass in Deutschland - anders als in Thailand - Rechtsverkehr herrscht. Die Geschädigte und ihr Beifahrer wurden bei dem Unfall verletzt.
Das AG hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 60 € verurteilt, die Fahrerlaubnis entzogen und den Führerschein für acht Monate eingezogen. Das LG hat den Sachverhalt rechtlich als fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen gewertet. Der Angeklagte habe rücksichtslos gehandelt. Im Hinblick auf die Fahrtstrecke von mind. zwei Kilometern und der Fahrzeit von mind. zwei Minuten sei nicht von einem Augenblicksversagen auszugehen.
Auf die Revision des Angeklagten hat das OLG das Urteil des LG dahin geändert, dass der Angeklagte der fahrlässigen Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig ist. Im Umfang der Aufhebung wurde die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des LG zurückverwiesen.
Die Gründe:
Der Schuldspruch hielt der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand, soweit das LG den Angeklagten wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung gem. § 315c Abs. 1 Nr. 2e, Abs. 3 Nr. 2 StGB verurteilt hatte.
Danach macht sich strafbar, wer grob verkehrswidrig und rücksichtslos an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält. Rücksichtslos handelt ein Fahrer, der sich im gegebenen Falle seiner Pflicht bewusst ist, aber aus eigensüchtigen Gründen, etwa seines ungehinderten Vorwärtskommens wegen, sich über sie hinwegsetzt, mag er auch darauf vertraut haben, dass es zu einer Beeinträchtigung anderer Verkehrsteilnehmer nicht kommen werde (bewusste Fahrlässigkeit). Rücksichtslos handelt ferner, wer sich aus Gleichgültigkeit auf seine Pflichten als Fahrer nicht besinnt, Hemmungen gegen seine Fahrweise in sich gar nicht aufkommen lässt und unbekümmert um die Folgen seines Verhaltens drauflosfährt.
Das Tatbestandsmerkmal der Rücksichtslosigkeit erfordert demnach eine gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit. Gelegentliche Unaufmerksamkeit oder reine Gedankenlosigkeit genügen hierfür nicht. Ebenso wenig begründet ein bloß fahrlässiger Verstoß für sich den Vorwurf der Rücksichtslosigkeit, auch nicht bei Eintritt einer konkreten Gefährdung. Der Täter muss vielmehr ein überdurchschnittliches Fehlverhalten gezeigt haben, das von einer besonders verwerflichen Gesinnung geprägt sein muss.
Infolgedessen handelte der Angeklagte nicht rücksichtslos. Zwar setzte sich der Angeklagte über die Regeln der Straßenverkehrsordnung, insbesondere das in § 2 Abs. 2 StVO normierte Rechtsfahrgebot, hinweg, als er sich vor und während der Fahrt keine Gedanken über die in Deutschland geltenden Verkehrsregeln machte. Dabei handelte er nach den Feststellungen des Tatgerichts aber nicht bewusst oder aus Gleichgültigkeit gegenüber anderen Straßenverkehrsteilnehmern, sondern lediglich aus Unachtsamkeit, nachdem er sich sieben Wochen in einem Land aufgehalten hatte, in dem Linksverkehr vorherrschte. Der Angeklagte erwies sich dadurch nicht als gleichgültiger Fahrer. Er handelte insoweit zwar fahrlässig, weil er sich vor Fahrtantritt und während der Fahrt die geltenden Verkehrsregeln hätte vor Augen führen müssen. Ein darüber hinausgehender Vorwurf ist von den Feststellungen aber nicht gedeckt.
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Landesrecht Rheinland-Pfalz
Der Angeklagte war am 2.1.2022 aus einem siebenwöchigen Urlaub in Thailand zurückgekehrt. Weil er bei dem elfeinhalb Stunden dauernden Nachtflug nicht gut geschlafen hatte, legte er sich für vier Stunden schlafen. Etwa eine Stunde nach dem Aufwachen setzte er sich in sein Auto und fuhr los. Dabei fuhr er auf einer Strecke von zwei bis drei Kilometern eine Landstraße auf der linken Spur. Nach zwei bis drei Minuten Fahrtzeit kollidierte er in einem Kurvenbereich frontal mit dem ihm auf derselben Fahrspur entgegenkommenden Pkw der Geschädigten. Der Angeklagte hatte sich weder vor Fahrtantritt noch während der Fahrt darüber Gedanken gemacht, dass in Deutschland - anders als in Thailand - Rechtsverkehr herrscht. Die Geschädigte und ihr Beifahrer wurden bei dem Unfall verletzt.
Das AG hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 60 € verurteilt, die Fahrerlaubnis entzogen und den Führerschein für acht Monate eingezogen. Das LG hat den Sachverhalt rechtlich als fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen gewertet. Der Angeklagte habe rücksichtslos gehandelt. Im Hinblick auf die Fahrtstrecke von mind. zwei Kilometern und der Fahrzeit von mind. zwei Minuten sei nicht von einem Augenblicksversagen auszugehen.
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Danach macht sich strafbar, wer grob verkehrswidrig und rücksichtslos an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält. Rücksichtslos handelt ein Fahrer, der sich im gegebenen Falle seiner Pflicht bewusst ist, aber aus eigensüchtigen Gründen, etwa seines ungehinderten Vorwärtskommens wegen, sich über sie hinwegsetzt, mag er auch darauf vertraut haben, dass es zu einer Beeinträchtigung anderer Verkehrsteilnehmer nicht kommen werde (bewusste Fahrlässigkeit). Rücksichtslos handelt ferner, wer sich aus Gleichgültigkeit auf seine Pflichten als Fahrer nicht besinnt, Hemmungen gegen seine Fahrweise in sich gar nicht aufkommen lässt und unbekümmert um die Folgen seines Verhaltens drauflosfährt.
Das Tatbestandsmerkmal der Rücksichtslosigkeit erfordert demnach eine gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit. Gelegentliche Unaufmerksamkeit oder reine Gedankenlosigkeit genügen hierfür nicht. Ebenso wenig begründet ein bloß fahrlässiger Verstoß für sich den Vorwurf der Rücksichtslosigkeit, auch nicht bei Eintritt einer konkreten Gefährdung. Der Täter muss vielmehr ein überdurchschnittliches Fehlverhalten gezeigt haben, das von einer besonders verwerflichen Gesinnung geprägt sein muss.
Infolgedessen handelte der Angeklagte nicht rücksichtslos. Zwar setzte sich der Angeklagte über die Regeln der Straßenverkehrsordnung, insbesondere das in § 2 Abs. 2 StVO normierte Rechtsfahrgebot, hinweg, als er sich vor und während der Fahrt keine Gedanken über die in Deutschland geltenden Verkehrsregeln machte. Dabei handelte er nach den Feststellungen des Tatgerichts aber nicht bewusst oder aus Gleichgültigkeit gegenüber anderen Straßenverkehrsteilnehmern, sondern lediglich aus Unachtsamkeit, nachdem er sich sieben Wochen in einem Land aufgehalten hatte, in dem Linksverkehr vorherrschte. Der Angeklagte erwies sich dadurch nicht als gleichgültiger Fahrer. Er handelte insoweit zwar fahrlässig, weil er sich vor Fahrtantritt und während der Fahrt die geltenden Verkehrsregeln hätte vor Augen führen müssen. Ein darüber hinausgehender Vorwurf ist von den Feststellungen aber nicht gedeckt.
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