03.09.2021

Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter beim Gebrauchtwagenkauf

Um eine uferlose Ausdehnung des Kreises der in den Schutzbereich einbezogenen Personen zu vermeiden, ist die Einbeziehung eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten unabhängig von der Frage der sog. Leistungsnähe und Gläubigernähe dann abzulehnen, wenn ein Schutzbedürfnis des Dritten nicht besteht. Dies ist im Allgemeinen der Fall, wenn dem Dritten eigene vertragliche Ansprüche - gleich gegen wen - zustehen, die denselben oder zumindest einen gleichwertigen Inhalt haben wie diejenigen Ansprüche, die ihm über eine Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrages zukämen.

OLG Brandenburg v. 1.6.2021 - 6 U 90/19
Der Sachverhalt:
Die Beklagte hatte im Dezember 2016 zu dem streitgegenständlichen Fahrzeug einen "KÜSPIus Gebrauchtwagen-Check" im Auftrag der Firma X. erstellt. Mängel wurden dort im Ergebnis nur insoweit festgestellt, als dass danach Lackausbesserungen oder Farbtonunterschiede am Seitenteil links sowie an der Tür links erkennbar waren. Der Kläger erwarb den Gebrauchtwagen am 28.2.2017 für 26.000 €. Der Kauf wurde vermittelt durch die "Automobilvermittlung An- und Verkauf" bzw. deren Inhaber V. Als Verkäufer ist im Kaufvertrag A. benannt. In dem Kaufvertragsformular wird darauf hingewiesen, dass es sich um ein "Kommissionsgeschäft" handelt. Als "Individual-Vereinbarung mit dem Käufer" ist in dem Kaufvertrag u.a. angegeben, dass das Fahrzeug ist ein USA-Import mit Vorschaden sei und das Fahrzeug mit einem Gebrauchtwagen-Gutachten übergeben werde.

Eine vom Kläger bei einem Ingenieurbüro in Auftrag gegebene Begutachtung des Fahrzeugs im Juni 2017 gelangte zu dem Ergebnis, dass das Fahrzeug zwei Unfallschäden in den USA erlitten habe. Der Sachverständige gab die Instandsetzungskosten mit 15.416 € brutto an. Am 29.8.2017 begehrte der Kläger von der Beklagten wegen Falschbegutachtung den Ersatz der Differenz des Kaufpreises zum tatsächlichen Wert des Fahrzeugs sowie Ersatz der Gutachterkosten. Dies lehnte die Beklagte ab.

Das LG hat die auf Zahlung von 22.984 € gerichtete Klage abgewiesen. Auch die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers vor dem OLG blieb erfolglos.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 634 Nr. 4, 328 Abs. 1, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB i.V.m. den Grundsätzen über den Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter oder aus einer anderen Anspruchsgrundlage.

Zwar kann dem Käufer einer Sache aus dem Gesichtspunkt eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter grundsätzlich dann ein Schadensersatzanspruch zustehen, wenn sich das vom Verkäufer zur Kaufsache eingeholte Wertgutachten eines Sachverständigen als fehlerhaft erweist und auch die übrigen - vorstehend bereits dargelegten - Voraussetzungen aus dem Gesichtspunkt eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vorliegen. Dem Kläger kann mit Blick auf den hier von der Beklagten im Auftrag der Firma X. erstellten "Gebrauchtwagen-Check" ein solcher Schadensersatzanspruch jedoch schon deshalb nicht zustehen, weil ein danach berechtigter Dritter nicht nur die erforderliche Leistungs- und Gläubigernähe zur beauftragten Leistung und die diesbezügliche Erkennbarkeit für den Auftragnehmers darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat, sondern auch besonders schutzbedürftig sein muss. Die letztgenannte Voraussetzung liegt im Streitfall allerdings nicht vor.

Um eine uferlose Ausdehnung des Kreises der in den Schutzbereich einbezogenen Personen zu vermeiden, ist die Einbeziehung eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten nach BGH-Rechtsprechung und der überwiegenden Meinung in der Literatur unabhängig von der Frage der sog. Leistungsnähe und Gläubigernähe dann abzulehnen, wenn ein Schutzbedürfnis des Dritten nicht besteht. Dies ist im Allgemeinen der Fall, wenn dem Dritten eigene vertragliche Ansprüche - gleich gegen wen - zustehen, die denselben oder zumindest einen gleichwertigen Inhalt haben wie diejenigen Ansprüche, die ihm über eine Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrages zukämen. Und so liegt der Fall hier.

Indem der Kaufvertrag mit dem auch vom Kläger angenommenen Inhalt zustande gekommen war, hat er gegenüber dem im Kaufvertragsformular bezeichneten privaten - das heißt nicht unternehmerisch handelnden - Verkäufer grundsätzlich einen Erfüllungsanspruch auf Lieferung des Fahrzeugs mit der nach Maßgabe des Prüfergebnisses des "Gebrauchtwagen-Checks" vereinbarten Beschaffenheit erworben. Mit der ausdrücklichen Bezugnahme auf das "Gebrauchtwagen-Gutachten" im Kaufvertrag und der unmittelbar vorhergehenden Verweisung auf dieses zur Erläuterung des im Kaufvertrag offengelegten Vorschadens war das von dem Verkäufer angenommene Kaufangebot des Klägers auf den Erwerb eines Fahrzeugs mit den dadurch beschriebenen Eigenschaften gerichtet, das heißt auf ein Fahrzeug mit einem angeblich geringfügigen und insoweit nur mangelhaft ausgebesserten Vorschaden, wie er in dem "Gebrauchtwagen-Check" beschrieben ist.

An das Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB sind zwar grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen. Die Aufnahme des streitgegenständlichen Prüfberichts als "Gebrauchtwagen-Gutachten" in die Vertragsurkunde selbst spricht hier aber klar dafür, dass die Vertragsparteien den im Kaufvertrag ausdrücklich offengelegten und sogar durch Fettdruck hervorgehobenen Vorschaden als mit dem Ergebnis des "Gebrauchtwagen-Checks" zutreffend beschrieben und daher auch nach seinem angeblichen Umfang als Beschaffenheitsmerkmal vereinbart ansehen wollten.
Landesrecht Brandenburg
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