19.07.2024

Vertretung des Kindes zur Geltendmachung von Unterhalt im Wechselmodell bei miteinander verheirateten Eltern

Bei der Geltendmachung von Kindesunterhalt im paritätischen Wechselmodell bei verheirateten Eltern ist, sofern man in § 1629 Abs. 3 BGB nicht auf das Tatbestandsmerkmal der Obhut ohnehin verzichtet, die Vorschrift des § 1629 Abs. 3 BGB analog anzuwenden. Die Entscheidung, welcher Elternteil in Anspruch genommen wird und welcher nicht, wird so insbesondere nicht dem Gutdünken eines Ergänzungspflegers überlassen, sondern kann unmittelbar gerichtlich geklärt werden, wegen der Möglichkeit eines Widerantrags sogar im selben Verfahren.

OLG Karlsruhe v. 16.7.2024 - 5 UF 33/24
Der Sachverhalt:
Die miteinander verheirateten Antragstellerin und Antragsgegner sind die Eltern von vier Kindern, von denen eines noch minderjährig ist. Das Scheidungsverfahren ist anhängig. Die minderjährige Tochter wird von den Eltern im hälftigen Wechselmodell betreut. Die Antragstellerin hatte für sich und in eigenem Namen für die minderjährige Tochter Unterhalt im Wege des Stufenantrags geltend gemacht. So habe der Antragsgegner auf eine außergerichtliche Aufforderung zur Auskunftserteilung nicht reagiert.

Das Familiengericht hat das schriftliche Vorverfahren angeordnet und den Antragsgegner im Wege der Säumnis zur Auskunft im Rahmen des Trennungsunterhalts verpflichtet. Den Stufenantrag auf Auskunft und Zahlung von Kindesunterhalt hat es als unzulässig abgewiesen, da die Antragstellerin das minderjährige Kind im paritätischen Wechselmodell nicht vertreten könne.

Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat das OLG den Beschluss der Vorinstanz aufgehoben und die Sache an das Familiengericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Gründe:
Die Antragstellerin ist durchausbefugt, den Kindesunterhalt für die minderjährige Tochter geltend zu machen.

In der vorliegenden Konstellation eines paritätischen Wechselmodells verheirateter Eltern ist die Vorschrift des § 1629 Abs. 3 BGB (analog) anzuwenden. Die Vorschrift ist nach h.M. wohl nicht unmittelbar anwendbar. Obwohl § 1629 Abs. 3 BGB nach seinem Wortlaut nicht voraussetzt, dass der Kindesunterhalt begehrende Elternteil Obhüter ist, ergibt sich nach allgemeiner Ansicht das Tatbestandsmerkmal der Obhut des Elternteils, der Unterhaltsansprüche geltend macht, aus dem systematischen Zusammenhang mit Abs. 2 S. 2. An einer Obhut eines Elternteils fehlt es hier. Wenn die Eltern ihr Kind in der Weise betreuen, dass es in etwa gleich langen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebt (Wechselmodell), lässt sich ein Schwerpunkt der Betreuung nicht ermitteln. Das hat zur Folge, dass kein Elternteil die Obhut im Sinne von § 1629 Absatz 2 Satz 2 BGB innehat.

Es liegt eine ungewollte Gesetzeslücke vor und die Interessenlagen sind unmittelbar vergleichbar. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung von § 1629 Abs. 2 und 3 BGB die Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen erleichtern wollen, auf deren zügige Durchsetzung es in vielen Fällen ankommen wird, um einen angemessenen Lebensunterhalt überhaupt zu ermöglichen. Infolgedessen ist es geboten, die Kinder im Wechselmodell nicht schlechter zu stellen als Kinder im Residenzmodell, zumal ein Interessenskonflikt nicht allein daraus abgeleitet werden kann, dass die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs des Kindes nicht nur in dessen Interesse, sondern auch in dem des den Anspruch geltend machenden Elternteils liegt, wenn der andere Elternteil zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet wird, weil er dann einen durch Unterhalt nicht gedeckten Barbedarf des Kindes nicht aus eigenen Mitteln aufbringen muss.

Mit dieser Lösung einer analogen Anwendung von § 1629 Abs. 3 BGB auf das paritätische Wechselmodell können zumindest für verheiratete Eltern insbesondere die Fälle befriedigend gelöst werden, in denen sich beide Elternteile eines Ausgleichsanspruchs hinsichtlich des Kindesunterhalts berühmen. Die Entscheidung, welcher Elternteil in Anspruch genommen wird und welcher nicht, wird insbesondere nicht dem Gutdünken eines Ergänzungspflegers überlassen, sondern kann unmittelbar gerichtlich geklärt werden, wegen der Möglichkeit eines Widerantrags sogar im selben Verfahren.

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Aufsatz
Alexandra Altrogge
Das Eckpunktepapier zum Kindschaftsrecht - der große Wurf oder doch nur ein Flickenteppich? - Teil 2
FamRB 2024, 215
FAMRB0065320

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