11.10.2019

Verwendung einer Abgasabschalteinrichtung in Form eines sog. Thermofensters nicht zwangsläufig als Schädigungsvorsatz zu bewerten

Der Käufer eines Fahrzeugs kann von dem Hersteller keinen Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung mit der Begründung verlangen, das Fahrzeug sei mit einer Abschalteinrichtung ausgestattet, die die Abgasreinigung in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur verändere ("Thermofenster").

OLG Schleswig-Holstein v. 18.9.2019 - 12 U 123/18
Der Sachverhalt:
Der Kläger kaufte im Jahre 2012 einen gebrauchten Pkw Mercedes Benz, Typ 220 CDI mit einem Dieselmotor des Typs OM 651. Die Beklagte ist die Herstellerin des Fahrzeugs. Das Fahrzeug weist die Abgasnorm "Euro 5" auf und ist mit einem sogenannten Thermofenster ausgestattet. Dabei handelt es sich um eine Steuerungssoftware, die die Abgasrückführung temperaturabhängig reguliert und die Abgasrückführung
bei kühleren Außentemperaturen reduziert. Der Kläger verlangte von der beklagten Herstellerin die Zahlung von Schadensersatz gegen Rückgabe des Fahrzeugs, weil es sich um eine unzulässige Abgasabschalteinrichtung handele.

Die Klage war vor dem LG erfolgreich. Das OLG gab der hiergegen gerichteten Berufung der Beklagten statt, ließ jedoch die Revision zum BGH zu, welche der Kläger auch bereits einlegte.

Die Gründe:
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung zu. Es fehlt am Schädigungsvorsatz der Beklagten. Ob es sich bei dem "Thermofenster" um eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der EG-Verordnung 715/2007 handelt, ist in der Rechtsprechung umstritten.

Dies kann jedenfalls dahinstehen, wenn - wie im vorliegenden Fall - beim Beklagten kein Schädigungsvorsatz vorliegt. Anders als in den Fällen des Motors EA 189, welcher bei VW-Modellen häufig zum Einsatz kam, ist es hier nicht so, dass auf dem Prüfstand andere Abgasrückführungsmodi aktiviert werden als bei realem Betrieb. Das Thermofenster richtet sich nach der Außentemperatur und ist nicht offensichtlich auf eine "Überlistung" der Prüfungssituation ausgelegt. Kann vom Hersteller - wie hier- als Rechtfertigung der Schutz des Motor- bzw. Bauteilschutzes für den Einbau der Anschalteinrichtung vorgetragen werden, so kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass die Verantwortlichen der Beklagten in dem Bewusstsein gehandelt haben, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden.

Kann dementsprechend aus der bloßen Existenz eines "Thermofensters" nicht auf einen Schädigungsvorsatz geschlossen werden, hätte der Kläger Anhaltspunkte dafür vortragen müssen, dass die Beklagte die Art und Richtung des Schadens und die Schadensfolgen vorausgesehen und die Schädigung zumindest billigend in Kauf genommen hat. Daran fehlt es hier.
OLG Schleswig-Holstein PM vom 10.10.2019
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