14.03.2023

Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs

Nach § 1068 Abs. 1 ZPO a.F. genügte zum Nachweis der Zustellung nach Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 der Rückschein oder der gleichwertige Beleg. Das schlichte Nichtabholen bei der Post zur Abholung bereitliegender Sendungen stellt im Anwendungsbereich des Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 noch keine treuwidrige Zugangsvereitelung dar.

OLG Frankfurt a.M. v. 21.2.2023 - 26 Sch 11/22
Der Sachverhalt:
Die Parteien erbringen beide gewerbliche Baudienstleistungen. Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Antragsgegnerin liegt in dem Erbringen von Elektro- und Netzwerkinstallationen. Die Parteien hatten im Januar 2016 einen Rahmenvertrag über die Zusammenarbeit bei der Erbringung derartiger Dienstleistungen gegenüber Dritten abgeschlossen. Streitigkeiten im Zusammenhang mit Ansprüchen aus diesem Vertrag sollten vor dem Schiedsgericht der Handels- und Agrarkammer der Tschechischen Republik verhandelt und entschieden werden.

Ende 2020 wandte sich die Antragstellerin mit einem Schiedsantrag an das oben genannte Gericht. Am 6.5.2021 erging ein Schiedsspruch, wonach die Antragsgegnerin verurteilt wurde, der Antragstellerin 116.640 € zzgl. Zinsen und Verfahrenskosten zu zahlen. Im Tenor des Schiedsspruchs war vermerkt: "Dieser Schiedsspruch ist endgültig. Mit Zugang an die Parteien erlangt er die Wirkungen einer rechtskräftigen Entscheidung und ist gerichtlich vollstreckbar".

Die Antragsgegnerin erbrachte keine Zahlungen auf diese Forderung. Stattdessen erhob sie vor dem LG Klage gegen die Antragstellerin. Mit Versäumnisurteil vom 24.1.2022 stellte das LG antragsgemäß fest, dass die Entscheidung des Schiedsgerichts vom 6.5.2021 "für die Parteien keine Rechtskraft entfaltet". Zugleich stellte es fest, dass der durch die Antragstellerin "geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 116.640 € verjährt ist". Die Einspruchsfrist wurde auf einen Monat festgesetzt. Das Versäumnisurteil enthielt im Anschluss an den Tenor weder einen Tatbestand noch Entscheidungsgründe, sondern lediglich eine Rechtsmittelbelehrung, nach der der Einspruch innerhalb von "zwei Wochen" beim LG einzulegen sei. Die Antragstellerin hat das Versäumnisurteil nie erhalten.

Die Antragstellerin legte Ende November 2022 beim LG gegen das Versäumnisurteil Einspruch ein und beantragte mit dem Hinweis, dass bereits die Klageschrift nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei, hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Antragsgegnerin war der Ansicht, dass das Versäumnisurteil vom LG rechtskräftig sei. Das OLG hat den Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt.

Die Gründe:
Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des ausländischen Schiedsspruchs ist zulässig und begründet.

Der Senat war für die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung gem. den §§ 1061, 1025 Abs. 4, 1062 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 ZPO zuständig. Auch stand der Zulässigkeit des Antrags auf Vollstreckbarerklärung nicht der Einwand der entgegenstehenden Rechtskraft entgegen. Zwar verbietet die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung - als negative Prozessvoraussetzung - eine neue Verhandlung über denselben Streitgegenstand (ne bis in idem). Allerdings war der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens mit dem Streitgegenstand des vor dem LG geführten Verfahrens nicht identisch. Der Zulässigkeit des Antrags auf Vollstreckbarerklärung stand auch nicht der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) entgegen. Dieser setzt voraus, dass das neue Verfahren nach Rechtsschutzziel und Klagegrund denselben Streitgegenstand betrifft. Daran fehlte es hier jedoch.

Auch die materiellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs lagen vor. Das Versäumnisurteil des LG war nicht in Rechtskraft erwachsen. Der Einspruch der hiesigen Antragstellerin gegen dieses Versäumnisurteil war nicht verfristet. Die Frage, wann das Versäumnisurteil der Antragstellerin zugestellt worden war, beurteilte sich nach § 1068 Abs. 1 ZPO a.F. i.V.m. Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007. Das am 1.7.2022 in Kraft getretene "Gesetz zur Durchführung der EU-Verordnungen über grenzüberschreitende Zustellungen und grenzüberschreitende Beweisaufnahmen in Zivil- oder Handelssachen, etc." fand auf den Streitfall noch keine Anwendung, weil der Zustellungsversuch bereits im Januar 2022 erfolgte.

Nach § 1068 Abs. 1 ZPO a.F. genügte zum Nachweis der Zustellung nach Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 der Rückschein oder der gleichwertige Beleg. Im Streitfall vermochte der Rückschein die Zustellung gerade nicht nachzuweisen, weil der Rückschein lediglich einen Aufkleber mit dem Vermerk enthielt, dass die Sendung nicht abgeholt worden war. Die Antragstellerin musste sich auch nicht so behandeln lassen, als hätte sie das Schriftstück erhalten. Anknüpfungspunkt, die Adressatin einer nicht zugegangenen Sendung zu behandeln, als sei ihm diese zugegangen, kann allein die Erwägung sein, dass die Adressatin den Zugang treuwidrig verhindert hat. Dementsprechend sanktioniert im nationalen Recht § 179 ZPO die unberechtigte Annahmeverweigerung als einen Fall der dolosen Zugangsvereitelung. Das schlichte Nichtabholen bei der Post stellt jedoch im Anwendungsbereich des Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 noch keine treuwidrige Zugangsvereitelung dar.

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