Vollstreckung aus einem Zug-um-Zug-Titel
BGH 4.7.2018, VII ZB 4/17Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil des LG M. vom 6.2.2012, mit dem der Schuldner zur Zahlung von 21,25 Mio. € nebst Zinsen an die Gläubigerin Zug um Zug gegen Übergabe und Übertragung des Eigentums an 2,5 Mio. Stück Aktien der C-AG verurteilt worden ist. Am 12.2.2013 veräußerte die Gläubigerin die 2,5 Mio. Aktien für 6,25 Mio. € im freihändigen Verkauf.
Das LG M. stellte mit Urteil vom 22.2.2016 fest, dass der Schuldner durch den freihändigen Verkauf der Aktien der C-AG an die K-AG mit notariellem Kaufvertrag vom 12.2.2013 hinsichtlich der ihm aus dem Urteil des LG M. vom 6.2.2012 Zug um Zug gebührenden Übergabe und Übertragung des Eigentums an 2,5 Mio. Stück Aktien der C-AG befriedigt ist. Die dagegen gerichtete Berufung des Schuldners wies das OLG M. mit Urteil vom 12.1.2017 zurück. Der Schuldner legte gegen dieses Urteil Nichtzulassungsbeschwerde ein, über die noch nicht entschieden ist.
Auf Antrag der Gläubigerin erließ das AG - Vollstreckungsgericht - am 22.3.2016 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem diverse angebliche Forderungen und Vermögensrechte des Schuldners gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen worden sind. Die vom Schuldner gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss eingelegte Vollstreckungserinnerung, mit der der Schuldner die Aufhebung des Beschlusses erstrebt hat, wies das AG zurück. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners blieb vor dem LG ohne Erfolg.
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners hob der BGH die Beschlüsse von AG und LG sowie den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG vom 22.3.2016 auf und wies den Antrag der Gläubigerin auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurück.
Die Gründe:
Die Auffassung des LG, die besonderen Voraussetzungen für den Erlass des von der Gläubigerin beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach § 765 ZPO lägen vor, ist von Rechtsfehlern beeinflusst.
Hängt die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner ab, so darf das Vollstreckungsgericht nach § 765 Nr. 1 1. Halbs. ZPO eine Vollstreckungsmaßregel nur anordnen, wenn der Beweis, dass der Schuldner befriedigt oder im Verzug der Annahme ist, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde geführt wird und eine Abschrift dieser Urkunde bereits zugestellt ist. Für die Beweisführung durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde kommt es auf deren Beweiskraft an, die nach den §§ 415 ff. ZPO zu beurteilen ist. Im Streitfall geht es um die Frage, ob der Beweis, dass der Schuldner hinsichtlich der Zug um Zug zu bewirkenden Leistung der Gläubigerin (Übergabe und Übertragung des Eigentums an 2,5 Mio. Stück Aktien der C-AG) befriedigt ist (§ 765 Nr. 1 Halbs. 1 Fall 1 ZPO), durch das nicht rechtskräftige Feststellungsurteil des LG M. vom 22.2.2016 geführt wird. Das ist nicht der Fall.
Nach § 417 ZPO begründen die von einer Behörde ausgestellten, eine amtliche Anordnung, Verfügung oder Entscheidung enthaltenden öffentlichen Urkunden vollen Beweis ihres Inhalts. Dies bedeutet, dass die Urkunde über den Erlass eines Urteils nach § 417 ZPO den Beweis dafür erbringt, dass die darin beurkundete Entscheidung ergangen ist, nicht jedoch den Beweis für ihre inhaltliche Richtigkeit. Hat der Gläubiger, der aus einem Zug-um-Zug-Titel vollstrecken will, im Hinblick auf §§ 765, 756 ZPO eine Feststellungsklage erhoben mit dem Ziel, festzustellen, dass der Schuldner hinsichtlich der vom Gläubiger Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung befriedigt ist, hängt die materielle Beweiskraft eines daraufhin ergangenen Feststellungsurteils von seiner Rechtskraft ab. Der gerichtliche Feststellungsausspruch erlangt für die Parteien Bindungswirkung erst mit der Rechtskraft des Feststellungsurteils. Nach Eintritt der Rechtskraft richtet sich das Rechtsverhältnis der Parteien nach dem Inhalt der getroffenen Feststellung, ohne dass eine der Parteien geltend machen könnte, die Feststellung sei inhaltlich unrichtig getroffen worden.
Anders als die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint, ergibt sich daraus, dass nicht der Rechtskraft fähige öffentliche Urkunden zum Nachweis dafür, dass der Schuldner hinsichtlich einer Zug um Zug zu bewirkenden Gegenleistung befriedigt ist, herangezogen werden können, nicht, dass im Zusammenhang mit der nach §§ 765, 756 ZPO geforderten Beweisführung durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde in keinem Fall auf den Eintritt der Rechtskraft eines Urteils abgestellt werden darf. Welche Beweiswirkung sich aus einer öffentlichen Urkunde ergibt, bestimmt sich jeweils unter Heranziehung der §§ 415 ff. ZPO. Die formelle Beweiskraft eines nicht rechtskräftigen Feststellungsurteils, mit dem festgestellt wird, dass der Schuldner hinsichtlich der Gegenleistung befriedigt ist, ermöglicht daher gerade nicht die Beweisführung dafür, dass dies tatsächlich der Fall ist. Die dem Feststellungsurteil zugrunde liegende rechtliche Bewertung des Gerichts wird zwischen den Parteien des Verfahrens erst verbindlich, wenn das Urteil rechtskräftig ist.
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