18.06.2020

Vollstreckungsschutz durch den BGH als Rechtsbeschwerdegericht in einem auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Unterhaltstitels gerichteten Verfahren

Die Gewährung von Vollstreckungsschutz durch den BGH als Rechtsbeschwerdegericht kann in einem auf die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Unterhaltstitels nach völkerrechtlichen Verträgen gerichteten Verfahren nur nach Maßgabe von § 52 Abs. 2 und 3 i.V.m. § 57 AUG erfolgen. Sie scheidet aus, wenn es der Schuldner verabsäumt hat, bereits im Beschwerdeverfahren einen Antrag gem. § 52 Abs. 2 AUG unter Glaubhaftmachung, dass die weiter gehende Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, zu stellen.

BGH v. 27.5.2020 - XII ZB 102/20
Der Sachverhalt:
Das Verfahren hat die Vollstreckbarerklärung eines von einem Gericht in Florida erlassenen Unterhaltstitels zum Gegenstand. Die Beteiligten sind getrenntlebende Ehegatten. Die Antragstellerin ist amerikanische Staatsbürgerin und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt inzwischen in den USA, während der Antragsgegner deutscher Staatsbürger ist und in Deutschland lebt. Die Antragstellerin beantragte bei dem zuständigen Bezirksgericht in Florida die Scheidung. Auf ihren zusätzlich gestellten Antrag auf vorläufige Unterhaltsregelung erließ das Bezirksgericht einen Beschluss vom 10.1.2019, mit dem der Antragsgegner verpflichtet wurde, an die Antragstellerin einen vorübergehenden Unterhalt i.H.v. 15.800 US$ mtl. zu zahlen.

Das AG gab dem Antrag der Antragstellerin, diesen Unterhaltstitel mit der Vollstreckungsklausel zu versehen, statt. Das OLG wies die Beschwerde des Antragsgegners zurück. Hiergegen wendet er sich mit der Rechtsbeschwerde und begehrt die Gewährung von Vollstreckungsschutz durch den Senat. Er beruft sich darauf, dass das Berufungsgericht in Florida mit Entscheidung vom 15.4.2020 den Beschluss des Bezirksgerichts aufgehoben und die Sache dorthin zurückverwiesen habe. Damit fehle es an einem im Ursprungsstaat vollstreckbaren Titel, auch wenn die Berufungsentscheidung bis zur Entscheidung über den von der Antragstellerin angebrachten Antrag auf erneute Anhörung nicht rechtskräftig sei. Die Antragstellerin hält entgegen, die Entscheidung des Berufungsgerichts entfalte wegen des Antrags noch keine Wirksamkeit.

Der BGH wies die vom Antragsgegner gestellten Anträge auf Gewährung von Vollstreckungsschutz zurück.

Die Gründe:
Die Vollstreckungsschutzanträge des Antragsgegners bleiben ohne Erfolg, ohne dass es darauf ankommt, ob der Unterhaltstitel im Ursprungsstaat rechtswirksam aufgehoben worden ist.

Die Vollstreckbarerklärung des vom Bezirksgericht in Florida erlassenen Unterhaltstitels richtet sich nach dem Haager Übereinkommen über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen von 2007 (HUÜ 2007). Die Ausführung dieses völkerrechtlichen Vertrags wird durch das Auslandsunterhaltsgesetz (AUG) geregelt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a AUG) und bestimmt sich nach §§ 57 ff. AUG, wobei gem. § 57 AUG die Vorschriften der §§ 36 bis 56 AUG entsprechend anzuwenden sind, soweit in den §§ 58 bis 63 AUG nichts anderes bestimmt ist. Gem. der für die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltstiteln nach völkerrechtlichen Verträgen geltenden Sondervorschrift des § 60 AUG ist die Zwangsvollstreckung auf Sicherungsmaßregeln beschränkt, solange die Frist zur Einlegung der Beschwerde noch läuft und solange über die Beschwerde noch nicht entschieden ist; im Übrigen gilt § 52 AUG. Nach dessen Absatz 2 kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Schuldners anordnen, dass bis zum Ablauf der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde oder bis zur Entscheidung über diese Beschwerde die Zwangsvollstreckung nicht oder nur gegen Sicherheitsleistung über Maßregeln zur Sicherung hinausgehen kann. Eine solche Anordnung darf nur erlassen werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die weiter gehende Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Wird Rechtsbeschwerde eingelegt, kann der BGH gem. § 52 Abs. 3 Satz 1 AUG auf Antrag des Schuldners eine Anordnung nach Absatz 2 erlassen.

Eine solche - vom Antragsgegner nur hilfsweise beantragte - Anordnung nach § 52 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 AUG scheidet vorliegend aus. Das gilt unbeschadet der Frage, ob die hierfür erforderliche Aussicht der Rechtsbeschwerde auf Erfolg wegen der im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgetragenen Aufhebung des Unterhaltstitels im Ursprungsstaat vorliegt. Denn nach ständiger BGH-Rechtsprechung, wie sie zum Revisions- und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ergangen ist, kommt eine Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Revisionsgericht nicht in Betracht, wenn der Schuldner es versäumt hat, im Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag gem. § 712 ZPO zu stellen, obwohl ihm ein solcher Antrag möglich und zumutbar gewesen wäre. Diese Grundsätze sind nicht nur auf Ehe- und Familienstreitsachen anzuwenden, in denen der Verpflichtete nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG grundsätzlich bereits in der Beschwerdeinstanz die Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung unter Glaubhaftmachung, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, beantragt haben muss, um in der Rechtsbeschwerdeinstanz mit einem entsprechenden Antrag erfolgreich sein zu können. Sie gelten gleichermaßen auch für das Vollstreckbarerklärungsverfahren.

Einen diesen Erfordernissen genügenden Antrag hat der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren aber nicht gestellt, sondern lediglich beantragt, durch den "Erlass einer vorläufigen Anordnung die weiteren Vollstreckungsversuche der Antragstellerin und Gläubigerin zu unterbinden, bis zu einer endgültigen rechtskräftigen Entscheidung in Deutschland". Unabhängig davon, dass dieses Begehren auf ein anderes Rechtsschutzziel als das von § 52 Abs. 2 AUG vorgesehene gerichtet ist, hat der Antragsgegner gegenüber dem Beschwerdegericht schon nicht dargelegt, dass die über Maßregeln zur Sicherung hinausgehende Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Die von ihm hierzu jetzt angeführten Probleme, die Erstattung eines von der Antragstellerin ggf. ungerechtfertigt vollstreckten Unterhalts gegen diese in den USA durchsetzen zu müssen, konnten - unabhängig von ihrer Eignung, einen nicht zu ersetzenden Nachteil i.S.d. § 52 Abs. 2 Satz 2 AUG zu begründen - ohne weiteres bereits in der zweiten Instanz geltend gemacht werden. Dort aber hatte der Antragsgegner in einem weiteren Schriftsatz lediglich beiläufig darauf hingewiesen, dass der Unterhalt möglicherweise verbraucht sein könnte. Die vom Antragsgegner geltend gemachte Aufhebung des Unterhaltstitels im Ursprungsstaat ist für die Frage, ob mit der Vollstreckung ein nicht zu ersetzender Nachteil verbunden ist, ohne Belang.
Der Antragsgegner stützt sein Verlangen auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung bzw. Aussetzung der Vollziehung sowie Aufhebung eines von der Antragstellerin bereits erwirkten Pfändungsbeschlusses ohne Er-folg einerseits auf § 2 AUG i.V.m. § 64 Abs. 3 FamFG analog und andererseits auf eine entsprechende Anwendung von § 67 Abs. 5 AUG, §§ 769, 770 ZPO. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung durch den Senat in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG hat zu unterbleiben, weil die Verweisungsnorm des § 2 AUG, wonach die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit angewendet werden, soweit im Auslandsunterhaltsgesetz nichts anderes geregelt ist, vorliegend nicht eingreift. Für das Verfahren der Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltstiteln nach völkerrechtlichen Verträgen treffen die §§ 60, 57, 52 AUG nämlich spezielle Regelungen zu Fragen des Vollstreckungsschutzes, die die familienverfahrensrechtlichen Vorschriften verdrängen. Ebenso wenig kommt der Erlass von einstweiligen Anordnungen entsprechend § 67 Abs. 5 AUG, §§ 769, 770 ZPO in Betracht.
BGH online
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