Voraussetzung für das Entstehen einer Einigungsgebühr in Fällen des § 1666 BGB
OLG Bamberg v. 31.3.2023 - 7 WF 74/23 E
Der Sachverhalt:
Gegen die Kindsmutter war nach einer Mitteilung des zuständigen Jugendamtes ein Verfahren eingeleitet worden. Mit Schreiben vom 29.9.2022 wurde angeregt, die Mutter im Rahmen einer Erörterung nach §§ 1666 BGB, 157 FamFG dazu zu motivieren, einen Antrag auf stationäre Jugendhilfe für ihren Sohn zu stellen. Andernfalls müsse vom Jugendamt in Erwägung gezogen werden, zum Schutz der Tochter den Entzug der elterlichen Sorge zu beantragen.
Das Verfahren endete am 15.11.2022 nach Anhörung der Eltern und einer Mitarbeiterin des Jugendamtes durch Gerichtsbeschluss. Darin wurde u.a. festgestellt, dass familiengerichtliche Maßnahmen derzeit nicht erforderlich seien. Gerichtskosten wurden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet. Der Verfahrenswert wurde auf 4.000 € festgesetzt. Unmittelbar zuvor hatten die Beteiligten eine Vereinbarung abgeschlossen, wonach die Kindsmutter sich bereit erklärte, auf Verlangen des Jugendamts einen Drogentest zu machen. Die Kindsmutter erklärte sich zudem bereit, weiterhin mit dem Jugendamt zusammenzuarbeiten.
Der Rechtsanwalt der Mutter beantragte, seine Vergütung (ausgehend von einem Wert von 4.000 € unter Berücksichtigung einer Verfahrensgebühr, einer Terminsgebühr und einer Einigungsgebühr zzgl. Pauschale und Steuern) auf insgesamt 1.181 € festzusetzen. Die Vergütung wurde allerdings mit der Begründung, dass eine Einigungsgebühr nicht angefallen sei, auf (nur) 850 € festgesetzt. Der Anwalt war der Ansicht, dass eine Einigungsgebühr sehr wohl berücksichtigt werden müsse. Die Herstellung eines Einvernehmens habe nämlich dazu gedient, die Angelegenheit einer schnellen und ökonomischen Erledigung zuzuführen. Andernfalls wäre die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich gewesen.
Das Familiengericht hat die Erinnerung zurückgewiesen. Eine Einigung i.S.v. VVRVG Nr. 1000, 1003 setze einen Vertrag, zumindest aber ein gegenseitiges Nachgeben voraus. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Anwalts hat das OLG den Beschluss abgeändert und die aus der Staatskasse zu zahlende Verfahrenskostenvergütung auf 1.181 € festgesetzt.
Die Gründe:
Zutreffend führte der Verfahrensbevollmächtigte der Kindsmutter aus, dass die ihm nach §§ 45 ff RVG zustehende Vergütung aus der Staatskasse tatsächlich nicht (nur) 850 €, sondern 1.181 € beträgt.
Weil Ziffer 1003 Abs. 2 VV RVG dem Wortlaut nach von "Kindschaftssachen" spricht und es dem Gesetzgeber darum ging, "die streitvermeidende oder beendende Tätigkeit des Rechtsanwalts weiter zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken" (vgl. BT-Drs 15/1971, 204), ist die Regelung auch in einem Verfahren nach § 1666 BGB anwendbar. Eine zwischen dem Jugendamt und den Eltern abgeschlossene Vereinbarung kann insoweit eine gerichtliche Entscheidung (nämlich: die Anordnung von Geboten nach § 1666 Abs. BGB) entbehrlich machen. Infolgedessen kam der Senat zu dem Ergebnis, dass die am 15.11.2022 zwischen dem Jugendamt (Muss-Beteiligter nach § 162 Abs. 2 FamFG) und den Eltern (Muss-Beteiligte nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) abgeschlossene Vereinbarung eine gerichtliche Entscheidung (nämlich: die Anordnung von Geboten nach § 1666 Abs. BGB) entbehrlich machte.
Entgegen den Ausführungen des Bezirksrevisors war es ohne Bedeutung, dass das Familiengericht vorliegend festgestellt hatte, gerichtliche Maßnahmen seien "derzeit" entbehrlich. Die vom AG gewählte Formulierung mag darauf zurückzuführen sein, dass das Gericht nach § 166 Abs. 3 FamFG die getroffene Entscheidung, wenn von Maßnahmen nach §§ 1666 ff BGB abgesehen wurde, in einem angemessenen Zeitraum überprüfen soll. Vorliegend aber hatte sich das AG in der Begleitverfügung vom 15.11.2022 keine Frist zur Überprüfung notiert, so dass davon ausgegangen werden konnte, dass eine Überprüfung im vorliegenden Fall für entbehrlich gehalten wurde. Damit führte die Vereinbarung zur Beendigung des Verfahrens, ohne dass hierfür eine gerichtliche Entscheidung notwendig war.
Mehr zum Thema:
Aktionsmodul Familienrecht:
Online-Unterhaltsrechner mit jeweils den aktuellen Werten der Düsseldorfer Tabelle. Top Inhalte online: FamRZ und FamRZ-Buchreihe von Gieseking, FamRB von Otto Schmidt, "Gerhardt" von Wolters Kluwer und vielen Standardwerken. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO: Für Fachanwälte mit Beiträgen zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!
Beratermodul Zöller Zivilprozessrecht:
Die perfekte Basisausstattung zum Zivilprozessrecht finden Praktiker in diesem Modul. Mit neuen Kommentierungen zu digitalen Themen und topaktuellen Annotationen zu Gesetzesänderungen und wichtiger neuer Rechtsprechung. 4 Wochen gratis nutzen!
Bayern.Recht
Gegen die Kindsmutter war nach einer Mitteilung des zuständigen Jugendamtes ein Verfahren eingeleitet worden. Mit Schreiben vom 29.9.2022 wurde angeregt, die Mutter im Rahmen einer Erörterung nach §§ 1666 BGB, 157 FamFG dazu zu motivieren, einen Antrag auf stationäre Jugendhilfe für ihren Sohn zu stellen. Andernfalls müsse vom Jugendamt in Erwägung gezogen werden, zum Schutz der Tochter den Entzug der elterlichen Sorge zu beantragen.
Das Verfahren endete am 15.11.2022 nach Anhörung der Eltern und einer Mitarbeiterin des Jugendamtes durch Gerichtsbeschluss. Darin wurde u.a. festgestellt, dass familiengerichtliche Maßnahmen derzeit nicht erforderlich seien. Gerichtskosten wurden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet. Der Verfahrenswert wurde auf 4.000 € festgesetzt. Unmittelbar zuvor hatten die Beteiligten eine Vereinbarung abgeschlossen, wonach die Kindsmutter sich bereit erklärte, auf Verlangen des Jugendamts einen Drogentest zu machen. Die Kindsmutter erklärte sich zudem bereit, weiterhin mit dem Jugendamt zusammenzuarbeiten.
Der Rechtsanwalt der Mutter beantragte, seine Vergütung (ausgehend von einem Wert von 4.000 € unter Berücksichtigung einer Verfahrensgebühr, einer Terminsgebühr und einer Einigungsgebühr zzgl. Pauschale und Steuern) auf insgesamt 1.181 € festzusetzen. Die Vergütung wurde allerdings mit der Begründung, dass eine Einigungsgebühr nicht angefallen sei, auf (nur) 850 € festgesetzt. Der Anwalt war der Ansicht, dass eine Einigungsgebühr sehr wohl berücksichtigt werden müsse. Die Herstellung eines Einvernehmens habe nämlich dazu gedient, die Angelegenheit einer schnellen und ökonomischen Erledigung zuzuführen. Andernfalls wäre die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich gewesen.
Das Familiengericht hat die Erinnerung zurückgewiesen. Eine Einigung i.S.v. VVRVG Nr. 1000, 1003 setze einen Vertrag, zumindest aber ein gegenseitiges Nachgeben voraus. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Anwalts hat das OLG den Beschluss abgeändert und die aus der Staatskasse zu zahlende Verfahrenskostenvergütung auf 1.181 € festgesetzt.
Die Gründe:
Zutreffend führte der Verfahrensbevollmächtigte der Kindsmutter aus, dass die ihm nach §§ 45 ff RVG zustehende Vergütung aus der Staatskasse tatsächlich nicht (nur) 850 €, sondern 1.181 € beträgt.
Weil Ziffer 1003 Abs. 2 VV RVG dem Wortlaut nach von "Kindschaftssachen" spricht und es dem Gesetzgeber darum ging, "die streitvermeidende oder beendende Tätigkeit des Rechtsanwalts weiter zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken" (vgl. BT-Drs 15/1971, 204), ist die Regelung auch in einem Verfahren nach § 1666 BGB anwendbar. Eine zwischen dem Jugendamt und den Eltern abgeschlossene Vereinbarung kann insoweit eine gerichtliche Entscheidung (nämlich: die Anordnung von Geboten nach § 1666 Abs. BGB) entbehrlich machen. Infolgedessen kam der Senat zu dem Ergebnis, dass die am 15.11.2022 zwischen dem Jugendamt (Muss-Beteiligter nach § 162 Abs. 2 FamFG) und den Eltern (Muss-Beteiligte nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) abgeschlossene Vereinbarung eine gerichtliche Entscheidung (nämlich: die Anordnung von Geboten nach § 1666 Abs. BGB) entbehrlich machte.
Entgegen den Ausführungen des Bezirksrevisors war es ohne Bedeutung, dass das Familiengericht vorliegend festgestellt hatte, gerichtliche Maßnahmen seien "derzeit" entbehrlich. Die vom AG gewählte Formulierung mag darauf zurückzuführen sein, dass das Gericht nach § 166 Abs. 3 FamFG die getroffene Entscheidung, wenn von Maßnahmen nach §§ 1666 ff BGB abgesehen wurde, in einem angemessenen Zeitraum überprüfen soll. Vorliegend aber hatte sich das AG in der Begleitverfügung vom 15.11.2022 keine Frist zur Überprüfung notiert, so dass davon ausgegangen werden konnte, dass eine Überprüfung im vorliegenden Fall für entbehrlich gehalten wurde. Damit führte die Vereinbarung zur Beendigung des Verfahrens, ohne dass hierfür eine gerichtliche Entscheidung notwendig war.
Aktionsmodul Familienrecht:
Online-Unterhaltsrechner mit jeweils den aktuellen Werten der Düsseldorfer Tabelle. Top Inhalte online: FamRZ und FamRZ-Buchreihe von Gieseking, FamRB von Otto Schmidt, "Gerhardt" von Wolters Kluwer und vielen Standardwerken. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO: Für Fachanwälte mit Beiträgen zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!
Beratermodul Zöller Zivilprozessrecht:
Die perfekte Basisausstattung zum Zivilprozessrecht finden Praktiker in diesem Modul. Mit neuen Kommentierungen zu digitalen Themen und topaktuellen Annotationen zu Gesetzesänderungen und wichtiger neuer Rechtsprechung. 4 Wochen gratis nutzen!