03.07.2023

Vorkaufsrecht der geschiedenen Ehefrau genießt Vorrang vor dem des Mieters

Das dingliche Vorkaufsrecht genießt jedenfalls dann Vorrang vor dem Vorkaufsrecht des Mieters, wenn es von dem Eigentümer zugunsten eines Familienangehörigen i.S.v. § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB bestellt wurde.

BGH v. 27.4.2023 - V ZB 58/22
Der Sachverhalt:
Im Wohnungsgrundbuch wurden im Jahre 2016 H. P. (nachfolgend: Voreigentümer) als Wohnungseigentümer und zeitgleich für die Beteiligte zu 1), seine zwischenzeitlich geschiedene Ehefrau, ein Vorkaufsrecht eingetragen "- auflösend bedingt - für den ersten das Vorkaufsrecht auslösenden Verkaufsfall - vererblich und nicht übertragbar - ".

Im Jahre 2019 verkaufte der Voreigentümer die Wohnung an Dritte. Daraufhin erklärten sowohl die Beteiligte zu 1) als auch der Mieter der Wohnung, der Beteiligte zu 2), jeweils die Ausübung ihres Vorkaufsrechts. Der Voreigentümer ließ die Wohnung mit Genehmigung der Drittkäufer an den Beteiligten zu 2) auf, der im Oktober 2020 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wurde. Die Beteiligte zu 1) nahm den Voreigentümer vor dem LG Dresden u.a. auf Auflassung des Wohnungseigentums in Anspruch. Die Klage wurde mit nicht rechtskräftigem Urteil vom 1.2.2022 abgewiesen. Am 31.3.2022 wurde das zugunsten der Beteiligten zu 1) im Grundbuch eingetragene Vorkaufsrecht gelöscht.

Das AG - Grundbuchamt - half der Beschwerde, mit der die Beteiligte zu 1) beantragt hat, das Vorkaufsrecht wieder einzutragen, nicht ab. Das OLG wies die Beschwerde zurück. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1) ihr nunmehr ausdrücklich auf Eintragung eines Amtswiderspruchs gerichtetes Beschwerdeziel weiter. Der BGH hob den Beschluss des OLG auf und wies das Grundbuchamt an, einen Widerspruch gegen die Löschung des im Grundbuch eingetragenen Vorkaufsrechts einzutragen.

Die Gründe:
Das OLG lehnt es zu Unrecht ab, das Grundbuchamt zur Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die Löschung des Vorkaufsrechts anzuweisen.

Wie das OLG zutreffend sieht, hat das Grundbuchamt bei der Löschung des Vorkaufsrechts gesetzliche Vorschriften verletzt. Dies folgt allerdings nicht nur daraus, dass die Beteiligte zu 1) vor der Löschung nicht angehört wurde, sondern auch daraus, dass die Voraussetzungen für die Löschung nicht vorlagen. Die vom OLG seiner Würdigung zu Grunde gelegte Rechtsauffassung, dass das Vorkaufsrecht des Mieters aus § 577 BGB einem dinglichen Vorkaufsrecht nach § 1094 BGB vorgeht, trifft jedenfalls im vorliegenden Fall nicht zu. Vorliegend bedarf keiner Entscheidung, in welchem Verhältnis Mietervorkaufsrecht und dingliches Vorkaufsrecht generell zueinander stehen. Denn das dingliche Vorkaufsrecht genießt jedenfalls dann Vorrang vor dem Vorkaufsrecht des Mieters, wenn es - wie hier - von dem Eigentümer zugunsten eines Familienangehörigen i.S.v. § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB bestellt wurde.

Nach § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Mieter nicht zum Vorkauf berechtigt, wenn der Vermieter die Wohnräume an einen Familienangehörigen oder an einen Angehörigen seines Haushalts verkauft. Der Begriff des Familienangehörigen entspricht in dieser Vorschrift dem der Regelung in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB über die Eigenbedarfskündigung. Er wird vom Bundesgerichtshof in Übereinstimmung mit § 383 ZPO und § 52 StPO ausgelegt. Ehegatten sind daher - wie in § 383 Abs. 1 Nr. 2 ZPO und § 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO bestimmt - auch dann als Familienangehörige anzusehen, wenn sie geschieden sind.

Die Ausnahmeregelung des § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB findet entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde zwar vorliegend keine unmittelbare Anwendung. Aus der in § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertungsentscheidung folgt aber, dass dem von dem Vermieter zugunsten eines Familienangehörigen bestellte dingliche Vorkaufsrecht Vorrang gegenüber dem gesetzlichen Vorkaufsrecht des Mieters zukommt.

Mehr zum Thema:

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