13.02.2024

Vorlage von Original-Urkunden: Keine Berufung auf das Bankgeheimnis bei höher zu gewichtendem Interesse des Beweisführers

Ein Bankinstitut kann nicht unter Berufung auf das Bankgeheimnis gem. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO die Vorlage von Original-Urkunden verweigern, wenn im Einzelfall das Interesse des Beweisführers an ihrer Vorlage höher zu gewichten ist (hier: zum Beweis der Unechtheit der Urkunden).

BGH v. 29.11.2023 - XII ZB 141/22
Der Sachverhalt:
Das Verfahren betrifft den Zwischenstreit über ein von der sonstigen Beteiligten (Bausparkasse) geltend gemachtes Zeugnisverweigerungsrecht. Gegenstand des Hauptsacheverfahrens ist die Folgesache Versorgungsausgleich im Scheidungsverbund.

Die Antragstellerin (Ehefrau) und der Antragsgegner (Ehemann) sind getrenntlebende Eheleute. Gemeinsam mit der Mutter des Ehemanns sind sie Miteigentümer eines von ihnen bewohnten Anwesens. Auf Antrag der Ehefrau ist das Scheidungsverfahren anhängig. Der Ehemann beantragte, von der Durchführung des von Amts wegen als Folgesache eingeleiteten Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG abzusehen. Dazu trug er vor, die Ehefrau habe unberechtigt seine Unterschriften auf einer Bürgschaftsurkunde und einer Eigentümererklärung vom 3.2.2011 angebracht. Hiervon habe er erstmals erfahren, als die Bausparkasse ihn im März 2019 auf Zahlung von rd. 19.500 € für ein Darlehen des volljährigen Sohnes in Anspruch genommen habe.

Zum Beweis der behaupteten Fälschung seiner Unterschriften beantragte der Ehemann die Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens und begehrte zu diesem Zweck die an die Bausparkasse gerichtete gerichtliche Anordnung, die in ihrem Besitz befindlichen Originale der in Kopie vorliegenden Bürgschaftsurkunde und Eigentümererklärung vorzulegen. Die Bausparkasse verweigerte die Vorlage der beiden Original-Urkunden unter Bezugnahme auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht aus § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, da die Unterlagen ein Darlehensverhältnis zwischen ihr und einer dritten, am gerichtlichen Verfahren nicht beteiligten Person beträfen, die ihr ausdrücklich die Herausgabe der Unterlagen untersagt habe.

Das AG sah sich aufgrund des aus seiner Sicht bestehenden Zeugnisverweigerungsrechts gehindert, die Vorlage der Urkunden anzuordnen. Mit Zwischenbeschluss wies es den Antrag des Ehemanns, zu erkennen, dass die Weigerung unberechtigt sei, hilfsweise, dass die Bausparkasse die Vorlegung nach § 142 Abs. 2 ZPO nicht verweigern könne, zurück. Auf die sofortige Beschwerde des Ehemanns stellte das OLG fest, dass die Bausparkasse nicht berechtigt sei, die Vorlage der beiden Original-Urkunden zu verweigern. Die Rechtsbeschwerde der Bausparkasse hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Nach dem gem. § 30 Abs. 1 FamFG entsprechend anwendbaren § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind Personen, denen kraft ihres Gewerbes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, in Betreff der Tatsachen, auf welche die Verpflichtung zur Verschwiegenheit sich bezieht, zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt. Die Vorschrift, die nach §§ 142 Abs. 2, 428, 429 Satz 2 ZPO und §§ 144 Abs. 2 Satz 1, 371 Abs. 2 Satz 2, 428, 429 Satz 2 ZPO auch für die Vorlegung von Urkunden und Augenscheinsobjekten durch Dritte Anwendung findet, begründet ein Zeugnisverweigerungsrecht für die dem zivilrechtlichen Bankgeheimnis unterfallenden Tatsachen.

Dieses Bankgeheimnis gilt jedoch nicht grenzenlos. So sieht bereits das Gesetz selbst Durchbrechungen vor. Darüber hinaus kann es zu einer Kollision des Bankgeheimnisses mit Aufklärungs- oder Auskunftsansprüchen eines anderen Kunden oder eines Dritten kommen, die im Einzelfall durch eine Interessen- und Güterabwägung zu lösen ist. Insbesondere in Fällen von Kreditsicherheiten eines Dritten für eine fremde Darlehensschuld wie bei einer Bürgschaft oder Grundschuld kann im Einzelfall eine Aufklärungs- oder Informationspflicht bestehen, die dem Bankgeheimnis vorgeht. Nach diesen Maßgaben hat das OLG im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Bausparkasse nicht berechtigt ist, gem. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO unter Berufung auf das Bankgeheimnis die Vorlage der Originale der Bürgschaftsurkunde und der Eigentümererklärung zu verweigern. Denn dem als Drittsicherungsgeber in Anspruch genommenen Ehemann steht gegenüber der Bausparkasse ein Einsichtsrecht nach § 810 Alt. 2 BGB zu, hinter dem im vorliegenden Fall das Bankgeheimnis zurücktreten muss.

Nach § 810 Alt. 2 BGB kann jeder die Gestattung der Einsicht in eine Urkunde von deren Besitzer verlangen, wenn die Urkunde in seinem Interesse nämlich zumindest auch für ihn als Beweismittel errichtet wurde und in dieser ein zwischen ihm und einem anderen bestehendes ggf. unwirksames Rechtsverhältnis beurkundet ist. Auf ein rechtliches Interesse kann sich jeder berufen, der wie hier der Ehemann die Einsichtnahme in eine Urkunde zur Förderung, Erhaltung oder Verteidigung seiner rechtlich geschützten Interessen benötigt. So steht etwa dem Bürgen gegenüber dem Gläubiger des Hauptschuldners grundsätzlich ein Einsichtsrecht in die das Rechtsverhältnis des Gläubigers zum Hauptschuldner betreffenden Urkunden zu. Nichts Anderes kann für denjenigen gelten, der seiner Inanspruchnahme als Bürge mit der substantiierten Behauptung entgegentritt, die Bürgschaftserklärung sei gefälscht, und der die Einsichtnahme in die Bürgschaftsurkunde benötigt, um diese Behauptung zu beweisen.

Vorliegend hat der Ehemann ein solches schützenswertes rechtliches Interesse an der Einsichtnahme und damit an der Vorlage der Originale der beiden Urkunden im gerichtlichen Verfahren, da sie zur Einholung des schriftvergleichenden Gutachtens und damit zur Aufklärung seiner Behauptung, seine Ehefrau habe die Unterschriften gefälscht, notwendig sind.

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Kommentierung | ZPO
§ 383 Zeugnisverweigerung aus persönlichen Gründen
Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024
10/2023

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