12.12.2017

Vorschusskostenanspruch bei Änderung von technischen Normen zwischen Vertragsschluss und Abnahme

Der Auftragnehmer schuldet gem. VOB/B (2006) grundsätzlich die Einhaltung anerkannter allgemeiner Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Abnahme. Das gilt auch bei Änderung dieser zwischen Vertragsschluss und Abnahme. Der Auftragnehmer hat den Auftraggeber über die Änderung in Kenntnis zu setzen, es sei denn, dieser kennt sie. Bei einem Vorschusskostenanspruch des Auftragnehmers zur Mängelbeseitigung sind die Sowieso-Kosten des Auftraggebers zu berücksichtigen.

BGH 14.11.2017, VII ZR 65/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte den Beklagten mit auf Grundlage des Angebots der Beklagten, dem die VOB/B (2006) beigefügt war, im März 2017 mit der Errichtung dreier Pultdachhallen in verzinkter Stahlkonstruktion zum Festpreis beauftragt. Ausweislich des Vertrags war für die Hallen eine Schneelast von 80 kg /m² vorgesehen. Dies entsprach der bis Ende 2006 geltenden DIN-Norm sowie der im Jahr 2006 erteilten Baugenehmigung. Nach den technischen Vorgaben der ab 2007 geltenden DIN-Norm war eine Schneelast von 139 kg/m² anzusetzen.

Die Beklagte errichtete die Hallen in der Zeit bis August 2007. Sie stellte Mitte 2008 die Schlussrechnung und zeigte die Fertigstellung an. Die Klägerin verweigerte jedoch eine förmliche Abnahme. Sie machte Mängel geltend und klagte auf Zahlung eines Vorschusses der Kosten für die Mängelbeseitigung. Sie ist dabei von einer Verpflichtung der Beklagten zur Erstellung einer Dachkonstruktion unter Berücksichtigung der nach der DIN-Norm vorgesehenen Schneelast von 139 kg/m² ausgegangen.

Die Klage hatte sowohl vor dem LG als auch vor dem OLG überwiegend Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hob der BGH das Urteil des OLG insoweit auf, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden war und verwies die Sache zu erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die Auslegung des OLG, die Beklagte schulde nach dem Vertrag ungeachtet der Vereinbarung einer Schneelast von 80 kg/m² wegen der spätestens ab dem Jahr 2010 erfolgten Änderung der allgemein anerkannten Regeln der Technik die Errichtung der Hallen unter Berücksichtigung einer Schneelast von 139 kg/m², ist rechtsfehlerhaft.

Der Auftragnehmer schuldet im Rahmen eines Vertrags, in den die VOB/B (2006) einbezogen ist, gem. § 13 Nr. 1 VOB/B (2006) zum Zeitpunkt der Abnahme ein Werk, das der vereinbarten Beschaffenheit und den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Maßgebend sind nach § 13 Nr. 1 VOB/B (2006) grundsätzlich die Regeln der Technik im Zeitpunkt der Abnahme. Dies gilt i.d.R. auch dann, wenn eine Änderung dieser Regeln zwischen Vertragsschluss und Abnahme passiert. In einem solchen Fall hat der Auftragnehmer den Auftraggeber über die Änderung und die damit verbundenen Konsequenzen für die Bauausführung zu informieren, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder offensichtlich. Der Auftraggeber hat dann aufgrund Treu und Glauben zwei Möglichkeiten. Er kann zum Einen die Einhaltung der neuen Regeln verlangen mit der Folge, dass ein aufwändigeres Verfahren zur Werkserstellung erforderlich werden kann. Der Auftragnehmer kann für die zusätzlichen Leistungen im Regelfall eine Vergütungsanpassung verlangen.

Zum anderen kann der Auftraggeber von einer Einhaltung der neuen Regeln absehen und die Parteien können eine Vereinbarung treffen, wonach die Bauausführung hinter den neuen Regeln der Technik zurückbleibt. Ob eine solche Vereinbarung im Streitfall vorliegt, ist noch nicht abschließend geklärt. Es kommt in Betracht, dass die Klägerin in Kenntnis der sich ändernden Umstände aus Preisgründen eine Bauausführung mit 80 kg/m² gewollt und vereinbart hat.

Die Klägerin darf jedenfalls kein besseres Werk erhalten, als nach dem Vertrag geschuldet war. Für ein Dach, das eine Schneelast von 139 kg/m² trägt, hätte die Klägerin aufgrund des zusätzlichen Herstellungsaufwands sowieso mehr zahlen müssen. Diese Kosten sind als sog. Sowieso-Kosten auf Seiten der Klägerin, der Auftraggeberin, zu berücksichtigen und von einem möglichen Vorschuss abzuziehen. Es besteht keinen Grund, den Auftraggeber im Rahmen von Mängelbeseitigungsansprüchen besser zu stellen.

Linkhinweis:
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