17.10.2024

Vorvertragliche Aufklärungspflichten einer Bank bei Abschluss eines Fremdwährungsdarlehens mit Stopp-Loss-Vereinbarung

Ein Finanzierungsberatungsvertrag kann - ähnlich wie ein Anlageberatungsvertrag, der nicht eine Finanzierung, sondern die Anlage eines Geldbetrags betrifft - auch stillschweigend durch die Aufnahme von Beratungsgesprächen geschlossen werden. Die kreditgebende Bank hat in Bezug auf das von ihr gewährte Darlehen ungefragt lediglich über dessen Konditionen aufzuklären.

BGH v. 10.9.2024 - XI ZR 165/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte bei einer Bank ein Darlehen in Schweizer Franken aufgenommen, das 2012 zur Rückzahlung fällig war. Er hätte einen Verlust erlitten, wenn er zu dem damaligen EUR/CHF-Kurs Schweizer Franken erworben hätte, um das Darlehen zu tilgen. Infolgedessen nahm der Kläger, vertreten durch die B-GmbH, zwecks Ablösung des fälligen Fremdwährungsdarlehens Verhandlungen mit der Beklagten auf. In der Kreditanfrage vom 14.11.2011 war als Verwendungszweck "Umfinanzierung Darlehn CHF 4.102.500,00 bei der N. L. " angegeben.

Das Darlehen zur Umschuldung des bestehenden Kredits nahm der Kläger schließlich bei der D. P. S.A. L. (D. P.) i.H.v. 3.790.500 CHF auf. Mit der Beklagten schloss der Kläger am 22./27.2.2012 einen Avalkreditvertrag über den gleichen Betrag. Bis zur Höhe dieses Betrags übernahm die Beklagte gegenüber der D. P. eine Garantie. Die Risiken der Finanzierung in Fremdwährung sollte durch eine unwiderrufliche 'Stopp-Loss-Order' eingegrenzt werden. Die Bestätigung des Limit-Auftrags durch die Beklagte vom 27.2.2012 enthielt den handschriftlichen Zusatz:

"Wir haben auf die Möglichkeit hingewiesen, dass der Limitkurs mitunter deutlich unterschritten wird."

Dieser Zusatz war auch in der von dem Kläger unterzeichneten Gegenbestätigung vom selben Tag enthalten, nur mit der Abweichung, dass es dort "Möglichkeiten" hieß. Der Zusatz war dort vom Kläger gesondert unterzeichnet. Neben dem Avalkreditvertrag schlossen die Parteien eine Reihe von Sicherungsverträgen, die u.a. die Verpfändung verschiedener Guthaben und Wertpapiere beinhalteten.

Die Beklagte führte die Stopp-Loss-Order am 16.1.2015 aus. Auf Basis eines Ausführungskurses von 1,0156 EUR/CHF war für den Erwerb von 3.790.500 CHF im Wege eines Kassa-Geschäftes bei der D. B. AG ein Betrag i.H.v. 3.732.276,49 € aufzuwenden. Mit diesem Betrag belastete die Beklagte das Konto des Klägers, der hingegen auf der Basis des Limit-Kurses von 1,1900 EUR/CHF lediglich einen Betrag i.H.v. 3.185.294,12 € zur Verfügung stellte. Nachdem die Beklagte den Kläger in der Folgezeit wiederholt erfolglos zum Ausgleich der dadurch entstandenen Überziehung auf seinem Girokonto aufgefordert hatte, erklärte sie im August 2015 die Kündigung der Geschäftsbeziehung und verwertete anschließend einen Teil der Sicherheiten. Danach blieb noch ein Betrag i.H.v. 378.815,08 € offen.

Der Kläger begehrte in erster Instanz u.a. die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 218.380,97 € nebst Zinsen und zur Freigabe der verpfändeten Sicherheiten ohne Verwertungsrecht. Er war der Ansicht, die Beklagten habe im Zusammenhang mit der Umsetzung der Stopp-Loss-Order ihre Beratungs- und Aufklärungspflichten verletzt. Die Beklagte hat widerklagend beantragt, den Kläger zur Zahlung von 378.815,08 € zu verurteilen.

Das LG hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Das OLG hat dies im Berufungsverfahren weitestgehend bestätigt. Der BGH hat die hiergegen gerichtete Revision weitestgehend zurückgewiesen.

Gründe:
Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Pflichten aus einem Finanzierungsberatungsvertrag durch die Beklagte zu.

Ein solcher Vertrag kann zwar - ähnlich wie ein Anlageberatungsvertrag, der nicht eine Finanzierung, sondern die Anlage eines Geldbetrags betrifft - auch stillschweigend durch die Aufnahme von Beratungsgesprächen geschlossen werden. Allerdings fehlte es hier nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts an einem substantiierten Vortrag des Klägers dazu, inwieweit dieser die Beklagte um fachmännischen Rat gebeten hatte, obwohl er eigeninitiativ und vertreten durch die B-GmbH um die Möglichkeit der Aufnahme eines Darlehens in der Währung Schweizer Franken nachgesucht hatte. In Ermangelung eines Finanzierungsberatungsvertrags konnte somit eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht daraus abgeleitet werden, dass sie dem Kläger überhaupt einen mit einer Stopp-Loss-Order ohne garantierten Wechselkurs abgesicherten Avalkredit angeboten hatte.

Die Vorinstanzen haben auch rechtsfehlerfrei angenommen, dass dem Kläger kein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten bezüglich der Stopp-Loss-Order durch die Beklagte zusteht. Denn die kreditgebende Bank hat in Bezug auf das von ihr gewährte Darlehen ungefragt lediglich über dessen Konditionen aufzuklären. Danach war die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Beklagte den Kläger hinreichend über die Risiken der vereinbarten Stopp-Loss-Order aufgeklärt hatte, rechtsfehlerfrei. Die Beklagte hatte nicht nur beiläufig, sondern klar und deutlich auf die Möglichkeit hingewiesen, dass der vereinbarte Limitkurs mitunter deutlich unterschritten wird, wie der handschriftliche und von dem Kläger gesondert unterzeichnete Zusatz auf der Bestätigung des Limitauftrags zeigte.

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