30.09.2024

Wann führt eine fehlerhafte Jahresabrechnung zu einer gerichtlichen Ungültigerklärung?

Fehler der einem Beschluss nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG zugrunde liegenden Jahresabrechnung können nur dann zu einer gerichtlichen Ungültigerklärung führen, wenn der Fehler sich auf die Abrechnungsspitze und damit auf die Zahlungspflicht des Wohnungseigentümers auswirkt. Es ist zu berücksichtigen, dass die zu einer gesetzmäßigen Verwaltung verpflichteten Wohnungseigentümer im Zweifel keinen rechtswidrigen Beschluss fassen wollen.

BGH v. 20.9.2024 - V ZR 195/23
Der Sachverhalt:
Der zum Vorsteuerabzug berechtigte Kläger ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Im Jahr 2009 hatten die Wohnungseigentümer beschlossen, dass die GdWE bei allen Lieferungen und Leistungen, die sie im Rahmen der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums an die zum Vorsteuerabzug berechtigten Eigentümer erbringt, auf ihre Umsatzsteuerfreiheit verzichtet und die Hausverwaltung bei allen Buchungsvorgängen die Umsatzsteuer zu erfassen und in den Abrechnungen jeweils auszuweisen hat.

Gemäß Einzelwirtschaftsplan für das Jahr 2020 ist der Kläger zur Zahlung von monatlichen Vorschüssen i.H.v. 353,89 € an die GdWE verpflichtet. Darin enthalten sind neben einem Beitrag zur Instandhaltungsrücklage ein Hausgeldvorschuss von 283,63 € (netto) und die Kostenposition "MwSt. Nebenkosten ohne RL" i.H.v. 53,89 €. Mit dem Zweiten Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnah-men zur Bewältigung der Corona-Krise vom 29.6.2020 - Zweites Corona-Steuerhilfegesetz - wurden die Umsatzsteuersätze zeitlich befristet vom 1.7. bis zum 31.12.2020 von 19 % auf 16 % bzw. von sieben Prozent auf fünf Prozent gesenkt. Deshalb berechnete die Verwalterin für die vorsteuerabzugsberechtigten Eigentümer für die Monate Juli bis Dezember 2020 eine um drei Prozentpunkte reduzierte Umsatzsteuer auf die Hausgeldvorschüsse. Einen gesonderten Beschluss über eine Anpassung der monatlich zu zahlenden Vorschüsse fassten die Wohnungseigentümer nicht.

In der Eigentümerversammlung vom 24.7.2021 beschlossen die Wohnungseigentümer, die sich aus den Jahreseinzelabrechnungen für 2020 jeweils ergebenden Nachzahlungen bzw. Guthaben auf der Grundlage der in den Einzelwirtschaftsplänen 2020 festgesetzten Wohngeldvorauszahlungen zu genehmigen. Aus der Einzelabrechnung für den Kläger ergab sich eine Nachzahlung von 172,72 €. Die negative Abrechnungsspitze wurde dergestalt ermittelt, dass die Netto-Abrechnungssumme und der Rücklagenbeitrag addiert und hiervon das netto geschuldete Hausgeldsoll und der Sollbeitrag zu der Instandhaltungsrücklage abgezogen wurden. Auf den Differenzbetrag von 148,90 € wurde ein Umsatzsteuerbetrag von 16 % (= 23,82 €) aufgeschlagen.

Das AG hat die gegen den Beschluss erhobene Anfechtungsklage abgewiesen. Das LG hat den Beschluss im Berufungsverfahren für ungültig erklärt. Auf die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hat der BGH das Urteil des LG insoweit aufgehoben, als darin der in der Eigentümerversammlung vom 24.7.2021 gefasste Beschluss für ungültig erklärt worden war.

Gründe:
Zu Recht hat das LG die Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG in der ab dem 1.12.2020 geltenden Fassung angewandt, da es - mangels abweichender Übergangsvorschriften - auf das zur Zeit der Beschlussfassung (hier: 24.7.2021) geltende Recht ankam.

Aufgrund des nach neuem Recht reduzierten Beschlussgegenstandes widerspricht ein Beschluss der Wohnungseigentümer über die Einforderung von Nachschüssen oder Anpassung der beschlossenen Vorschüsse nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn er betragsrelevante Mängel aufweist. Fehler der einem Beschluss nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG zugrunde liegenden Jahresabrechnung können nur dann zu einer gerichtlichen Ungültigerklärung führen, wenn der Fehler sich auf die Abrechnungsspitze und damit auf die Zahlungspflicht des Wohnungseigentümers auswirkt. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn eine GdWE - wie hier die Beklagte - auf die Befreiung von der nach § 4 Nr. 13 UStG bestehenden Umsatzsteuerfreiheit verzichtet und zur Umsatzsteuer optiert (§ 9 Abs. 1 UStG). In diesem Fall muss sie den zum Vorsteuerabzug berechtigten Wohnungseigentümern die Umsatzsteuer in Rechnung stellen.

Richtig hat das LG zwar zudem entschieden, dass es für die zutreffende Berechnung der Abrechnungsspitze darauf ankommt, welchen Betrag der Wohnungseigentümer nach dem Beschluss betreffend den Wirtschaftsplan schuldet und ob in der Jahresabrechnung das nach dem Wirtschaftsplan geschuldete Hausgeld-Soll mit dem richtigen Betrag eingestellt worden ist. Seine weitere Annahme, der Kläger sei nach dem ihn betreffenden Wirtschaftsplan zur Zahlung von 19 % Umsatzsteuer (auch) für die zweite Jahreshälfte 2020 verpflichtet gewesen, war jedoch von Rechtsfehlern beeinflusst.

Der Umstand, dass die Wohnungseigentümer bei der Festsetzung des Hausgeld-Solls von einem Regelsteuersatz von 19 % für alle Leistungen ausgegangen sind, bedeutet nicht, dass dieser Steuersatz auch dann gelten soll, wenn er sich - wie hier - während des Wirtschaftsjahres ändert. Vielmehr ist es nächstliegend, die in dem Beschluss verwendete Formulierung "MwSt. Nebenkosten ohne RL" dahingehend auszulegen, dass der jeweils gesetzlich gültige (Regel-)Umsatzsteuersatz von den optierenden Wohnungseigentümern geschuldet ist. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die zu einer gesetzmäßigen Verwaltung verpflichteten Wohnungseigentümer im Zweifel keinen rechtswidrigen Beschluss fassen wollen.

Hieraus folgte, dass der Kläger laut Wirtschaftsplan für den Zeitraum 1.1. bis 30.6.2020 auf die Nettoumsätze einen Umsatzsteuerbetrag i.H.v. 19 % schuldete und - anders als das LG meinte - für die Zeit vom 1.7. bis zum 31.12.2020 einen ermäßigten Regelsteuersatz von nur 16 %. Von diesem nächstliegenden Verständnis des Beschlusses über den Wirtschaftsplan ist der Verwalter zutreffend ausgegangen und hat dem Kläger und den anderen vorsteuerabzugsberechtigten Wohnungseigentümern für die zweite Jahreshälfte des Jahres 2020 die Umsatzsteuer mit dem reduzierten Regelsteuersatz von 16 % in Rechnung gestellt.

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