Wann ist der Räumungsanspruches des Vermieters erfüllt?
OLG Dresden v. 11.10.2024 - 5 W 647/24
Der Sachverhalt:
Die Beklagten wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen eine zu ihren Lasten erfolgte Kostenentscheidung des LG nach von den Parteien übereinstimmend erklärter Hauptsacherledigung. Die Klägerin hatte die Beklagten auf Räumung und Herausgabe von Geschäftsräumen in Anspruch genommen. Die Klägerin und die Beklagte zu 1, einer GbR, deren Gesellschafter die Beklagten zu 2 und zu 3 sind, waren durch einen Mietvertrag in Bezug auf die streitgegenständlichen Räumlichkeiten verbunden, welchen die Klägerin unstrittig mit außerordentlicher Kündigung vom 17.1.2024 beendete.
Im Nachgang kam es zu außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen der Parteien mit strittigem Ergebnis. Am 7.3.2024 erhob die Klägerin die Räumungsklage. Im Rahmen eines Treffens der Parteien in den streitgegenständlichen Räumen am 04.04.2024 kam es unter ansonsten umstrittenen Umständen zur Übergabe von einigen Schlüsseln. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem LG erklärten die Beklagten durch ihren Prozessbevollmächtigten, sie hätten keine weiteren Schlüssel zu den streitgegenständlichen Räumen mehr im Besitz und zudem keinen Besitzwillen. Im Nachgang zur mündlichen Verhandlung erklärten die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt.
Das LG erlegte den Beklagten als Gesamtschuldnern die Kosten des Rechtsstreites auf. Zur Begründung führte es aus, die Beklagten hätten die Kosten des Rechtsstreites zu tragen, weil sie bei Fortgang des Rechtsstreites voraussichtlich in der Sache unterlegen gewesen wären. Die zulässige Räumungsklage der Klägerin sei wegen des Anspruches aus § 546 Abs. 1 BGB begründet gewesen. Die vollständige Herausgabe der angemieteten Räumlichkeiten sei erst bis zur mündlichen Verhandlung vor dem LG am 7.8.2024 erfolgt. Ein Annahmeverzug der Klägerin habe nicht vorgelegen.
Gegen diesen Beschluss legten die Beklagten sofortige Beschwerde ein und beantragten, der Klägerin die Kosten des Rechtsstreites aufzuerlegen. Zur Begründung führten sie aus, das LG habe zu Unrecht die Erfolgsaussichten der ursprünglichen Räumungsklage bejaht. Der Räumungsklage habe das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt, weil die Klägerin ihr Räumungsbegehren auch ohne Klage hätte durchsetzen können. Die Beklagten hätten die Verpflichtung zur Räumung bereits vorprozessual nicht geleugnet und die Rückgabe der Mietsache sowohl am 28.3. als auch am 4.4.2024 ganz konkret angeboten. Sie hätten die Klägerin damit hinsichtlich des Räumungsanspruches in Annahmeverzug gesetzt.
Das OLG hat die sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg, weil das LG in der Sache im Ergebnis zutreffend den Beklagten als Gesamtschuldnern die Kosten des Rechtsstreites auferlegt hat. Maßgeblich für die Kostenentscheidung nach § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO ist vor allem, wer im Verfahren voraussichtlich unterlegen gewesen wäre, wenn es nicht zur Hauptsacheerledigung gekommen wäre. Dies aber waren hinsichtlich des erledigten Räumungsantrages der Klägerin die Beklagten, denn der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch aus § 546 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte zu 1. auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Gewerberäume, für welchen die Beklagten zu 2. und zu 3. als Gesellschafter der Beklagten zu 1. haften, war bei Klageerhebung Anfang März 2024 begründet und wurde (erst) durch die Erklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem LG vom 7.8.2024 dahin, sie hätten keine weiteren Schlüssel zu den streitgegenständlichen Räumen mehr im Besitz und zudem keinen Besitzwillen, unbegründet.
Der Senat teilt die Auffassung des LG, dass der Räumungsklage der Klägerin nicht das Rechtsschutzbedürfnis fehlte, denn die Klägerin hatte aufgrund der wirksamen außerordentlichen Kündigung des ursprünglich bestehenden Mietverhältnisses einen fälligen Räumungsanspruch gegen die Beklagte zu 1 aus § 546 Abs. 1 BGB, für welchen die Beklagten zu 2 und zu 3 hafteten. Etwaige Rückgabeangebote der Beklagten vom 28.3. oder 4.4.2024 ließen das Rechtsschutzinteresse für die zulässige Räumungsklage nicht nachträglich entfallen, weil sie selbst dann, wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, dass die Klägerin dadurch in Annahmeverzug gemäß § 293 BGB geriet, nicht zum Erlöschen des Räumungsanspruches der Klägerin aus § 546 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte zu 1., für welchen die Beklagten zu 2. und zu 3. hafteten, führten.
Der Eintritt des Annahmeverzuges gemäß § 293 BGB führt nämlich grundsätzlich gemäß § 300 BGB weder zur Modifikation des Leistungsinhaltes noch gar zur Erfüllung oder zum Erlöschen der Leistungspflicht. So ist es auch in Bezug auf den Räumungsanspruch aus § 546 Abs. 1 BGB. Die Erfüllung der darin enthaltenen Rückgabeverpflichtung des Mieters setzt grundsätzlich eine Veränderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters voraus, im Rahmen derer der Mieter seinen Besitz am Mietobjekt vollständig und unzweideutig aufgibt (vgl. BGH v. 27.2.2019 - XII ZR 63/18). Der Eintritt des Annahmeverzuges allein führt eine solche Veränderung der Besitzverhältnisse aber nicht herbei. Hinzutreten muss in einem solchen Fall die Besitzaufgabe nach § 303 Satz 1 BGB, welche dem Vermieter grundsätzlich gemäß § 303 Satz 2 BGB zuvor angedroht werden muss (vgl. OLG Düsseldorf v. 21.1.1999 - 10 U 32/98).
Eine auf die Besitzaufgabe gerichtete Erklärung, verbunden mit der Klarstellung, dass sie keine weiteren Schlüssel zum Mietobjekt mehr in Besitz haben, gaben die Beklagten aber erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem LG am 7.8.2024 ab. Vorher entfiel die Begründetheit des Räumungsanspruches der Klägerin nicht.
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Rechtsprechung:
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Die Beklagten wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen eine zu ihren Lasten erfolgte Kostenentscheidung des LG nach von den Parteien übereinstimmend erklärter Hauptsacherledigung. Die Klägerin hatte die Beklagten auf Räumung und Herausgabe von Geschäftsräumen in Anspruch genommen. Die Klägerin und die Beklagte zu 1, einer GbR, deren Gesellschafter die Beklagten zu 2 und zu 3 sind, waren durch einen Mietvertrag in Bezug auf die streitgegenständlichen Räumlichkeiten verbunden, welchen die Klägerin unstrittig mit außerordentlicher Kündigung vom 17.1.2024 beendete.
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Die Gründe:
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