Wann ist eine Vorpfändung zur Durchsetzung eines titulierten Anspruchs erforderlich?
BGH v. 19.3.2025 - VII ZB 30/24
Der Sachverhalt:
Die Gläubigerin begehrt die Festsetzung von Vollstreckungskosten für eine Vorpfändung nach § 845 ZPO. Mit dem Schuldner am 7.6.2021 zugestellten, für vorläufig vollstreckbar erklärten Urkundenvorbehaltsurteil vom 2.6.2021 verurteilte das LG den Schuldner zur Zahlung von rd. 22.000 € nebst Zinsen an die Gläubigerin. Gemäß Auftrag der Gläubigerin mit Schreiben vom 28.6.2021 stellte der Gerichtsvollzieher der Drittschuldnerin am 5.7.2021 ein vorläufiges Zahlungsverbot nach § 845 ZPO zu; die Zustellung an den Schuldner erfolgte am 7.7.2021. Zwischenzeitlich hatte der Schuldner am 2.7.2021 eine Zahlung von rd. 23.000 € an die Gläubigerin geleistet. Einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragte die Gläubigerin daraufhin nicht mehr.
Auf Antrag der Gläubigerin setzte das AG - Vollstreckungsgericht - von dem Schuldner an die Gläubigerin zu erstattende Vollstreckungskosten von insgesamt rd. 300 € fest. Bei den Kosten für das vorläufige Zahlungsverbot gem. § 845 ZPO handele es sich um notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.v. § 788 ZPO. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners änderte das LG den Kostenfestsetzungsbeschluss des AG ab und wies den Antrag der Gläubigerin auf Festsetzung der Kosten der Zwangsvollstreckung zurück. Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin blieb vor dem BGH ohne Erfolg.
Die Gründe:
Nach § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO fallen die Kosten der Zwangsvollstreckung, soweit sie notwendig waren (§ 91 ZPO), dem Schuldner zur Last. Notwendig sind diese Kosten, wenn sie für eine Maßnahme angefallen sind, die der Gläubiger zum Zeitpunkt ihrer Vornahme bei verständiger Würdigung der Sachlage zur Durchsetzung seines titulierten Anspruchs objektiv für erforderlich halten durfte. Allein von der Zulässigkeit der Vollstreckungsmaßnahme kann nicht auf die von § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO verlangte Notwendigkeit der Kosten geschlossen werden.
Ein Gläubiger darf eine Vorpfändung zur Durchsetzung seines titulierten Anspruchs nur dann objektiv für erforderlich halten, wenn bei verständiger Würdigung der Sachlage Beeinträchtigungen einer späteren Zwangsvollstreckung zu befürchten sind, vor denen die Vorpfändung schützen kann. Mithin ist die Vorpfändung notwendig i.S.v. § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte die Besorgnis besteht, dass dem Gläubiger ohne sie bei späterer Pfändung Rangnachteile entstehen oder bis dahin beeinträchtigende Verfügungen über das zu pfändende Recht erfolgen. Die Vorpfändung wirkt rangwahrend, so dass sie geeignet ist, den Gläubiger vor dem Schaden zu bewahren, der ihm durch die Verzögerung einer gerichtlichen Pfändung entstehen könnte, etwa durch einen Rangnachteil nach § 804 Abs. 3 ZPO. Zudem schützt sie den Gläubiger dank der relativen Unwirksamkeit gem. §§ 136, 135 BGB bei Verstößen gegen das Verfügungsverbot vor beeinträchtigenden Verfügungen bis zur Pfändung, da bereits die Benachrichtigung des Drittschuldners durch den Gläubiger nach § 845 ZPO die hoheitliche Wirkung einer Verstrickung der betroffenen Forderung herbeiführt.
Es ist Sache des eine Kostenfestsetzung begehrenden Gläubigers, die tatsächlichen Anhaltspunkte darzulegen, welche zum Zeitpunkt der Vornahme der Vorpfändung die Besorgnis begründeten, dass ohne sie bei späterer Pfändung Rangnachteile entstehen oder bis dahin beeinträchtigende Verfügungen über das zu pfändende Recht erfolgen und der Anspruch nicht oder nur teilweise oder nur zeitverzögert durchgesetzt werden kann. Einen entsprechenden Vortrag der Gläubigerin hat das LG zu Recht vermisst. Solchen zeigt auch die Rechtsbeschwerde nicht auf.
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Die Gläubigerin begehrt die Festsetzung von Vollstreckungskosten für eine Vorpfändung nach § 845 ZPO. Mit dem Schuldner am 7.6.2021 zugestellten, für vorläufig vollstreckbar erklärten Urkundenvorbehaltsurteil vom 2.6.2021 verurteilte das LG den Schuldner zur Zahlung von rd. 22.000 € nebst Zinsen an die Gläubigerin. Gemäß Auftrag der Gläubigerin mit Schreiben vom 28.6.2021 stellte der Gerichtsvollzieher der Drittschuldnerin am 5.7.2021 ein vorläufiges Zahlungsverbot nach § 845 ZPO zu; die Zustellung an den Schuldner erfolgte am 7.7.2021. Zwischenzeitlich hatte der Schuldner am 2.7.2021 eine Zahlung von rd. 23.000 € an die Gläubigerin geleistet. Einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragte die Gläubigerin daraufhin nicht mehr.
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Es ist Sache des eine Kostenfestsetzung begehrenden Gläubigers, die tatsächlichen Anhaltspunkte darzulegen, welche zum Zeitpunkt der Vornahme der Vorpfändung die Besorgnis begründeten, dass ohne sie bei späterer Pfändung Rangnachteile entstehen oder bis dahin beeinträchtigende Verfügungen über das zu pfändende Recht erfolgen und der Anspruch nicht oder nur teilweise oder nur zeitverzögert durchgesetzt werden kann. Einen entsprechenden Vortrag der Gläubigerin hat das LG zu Recht vermisst. Solchen zeigt auch die Rechtsbeschwerde nicht auf.
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