Wann liegt ein "Kaufvertrag über den Abschluss eines Einfamilienhauses" i.S.d. § 656c BGB vor?
LG Wuppertal v. 15.8.2023 - 4 O 376/22
Der Sachverhalt:
Die als Maklerin tätige klagende Gesellschaft hatte 2022 im Auftrag des Verkäufers ein Haus mit Gewerbeeinheit zum Kauf angeboten. Auf dem Grundstück befindet sich eine 1901 errichtete Immobilie, die sich auf drei Etagen erstreckt. Jedenfalls seit etwa 1990 war der untere Teil des Hauses abgetrennt von den oberen Räumen und der Zugang zum Garten zu einem zweiten Eingang gestaltet, um eine separate Wohneinheit zu schaffen. Zudem wurde die Elektrik auf unterschiedliche Zähler aufgeteilt. Der Verkäufer wohnte im ersten Obergeschoss und Dachgeschoss, die Wohneinheit im Erdgeschoss bewohnte seine erwachsene Tochter. Zudem befindet sich seitlich an dem Wohnhaus ein Ladengeschäft, das im Zeitpunkt des Verkaufs vermietet war und als Bioladen genutzt wurde.
Auf ein von der Klägerin geschaltetes Inserat auf einer Onlineplattform hin meldete sich die als Rechtsanwältin tätige Beklagte und bekundete Interesse an dem Kaufobjekt. Die Beklagte erhielt von der Klägerin das Exposé zur Immobilie, nachdem sie der Zahlung einer Maklerprovision i.H.v. 4,76 % bei Abschluss des Kaufvertrages zugestimmt hatte. Das Exposé war mit den Worten "Nicht oft im Angebot! Vielfältig nutzbares 2 - 3 Familienhaus mit Gewerbe!" zum Preis von 699.000 € überschrieben.
Schließlich kaufte die Beklagte das Objekt vom Verkäufer zu einem Kaufpreis von 630.000 € sowie Inventar für weitere 20.000 €. In der Vertragsurkunde wurde die Immobilie als "bebaut mit einem Mehrfamilienhaus und einem Geschäftsgebäude" angegeben. Die Klägerin forderte von der Beklagten Maklerlohn i.H.v. 29.988 €. Die Beklagte verweigerte diese. Sie war der Ansicht, die Provisionsvereinbarung sei wegen Verstoßes gegen das sog. Halbteilungsprinzip gem. § 656c Abs. 2 BGB unwirksam. Das Verkaufsobjekt sei als ein Einfamilienhaus zu werten. Insoweit komme es auf den Wohnzweck und damit den Erwerbszweck an.
Das LG gab der Klage vollumfänglich statt.
Die Gründe:
Die Beklagte hat die in Anspruch genommene Nachweistätigkeit der Klägerin gem. § 652 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB i.V.m. dem zwischen den Parteien geschlossenen Maklervertrag - wie von ihr versprochen - zu vergüten.
Der so geschlossene Vertrag ist auch wirksam, insbesondere steht dem nicht die Regelung des § 656c Abs. 2 BGB i.V.m. § 656c Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen. Danach darf sich ein für beide Kaufvertragsparteien tätiger Makler (sog. Doppelmakler) bei der Vermittlung eines Einfamilienhauses von beiden Seiten nur eine gleich hohe Provision versprechen lassen, wenn an dem Vermittlungsgeschäft ein Verbraucher beteiligt ist (vgl. § 656b BGB i.Vm. § 13 BGB). Mit dem sog. Halbteilungsprinzip verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, bei einer Doppelmaklertätigkeit eine als gerecht empfundene Verteilung der Maklerprovision zu bewirken. Der sachliche Anwendungsbereich des § 656c Abs. 1 Satz 1 BGB war im vorliegenden Fall allerdings nicht eröffnet. Das Erwerbsobjekt war im maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Maklervertrages kein "Einfamilienhaus".
Ob ein "Kaufvertrag über den Abschluss eines Einfamilienhauses" i.S.d. § 656c BGB vorliegt, bestimmt sich objektiv an der tatsächlichen Nutzung des Objekts bei Abschluss des Maklervertrages. Dazu führt eine am Wortlaut und den tatsächlichen Gegebenheiten orientierte Rechtsanwendung, die Wertungswidersprüche vermeidet und dem verfolgten Gesetzesziel, eine klare Vertragsgrundlage herzustellen, Rechnung trägt. Insbesondere würde eine subjektive Betrachtung des Begriffs "Einfamilienhaus" zu einer künstlichen Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhaltes führen. Denn bei natürlicher Betrachtung ist es nicht mehr nachvollziehbar, dass derselbe Gegenstand gleichzeitig ein Einfamilienhaus (Maklergeschäft mit Erwerber) und ein Mehrfamilienhaus (Kaufgeschäft) sein soll; und dies unter Wahrung der nach § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderlichen Kongruenz.
Hier war das Haus unstreitig in zwei separate Wohnungen aufgeteilt, die jeweils über einen eigenen Zugang, Stromversorgung und Küche verfügten sowie von zwei Haushalten bewohnt wurden. Diese Betrachtung entsprach im Übrigen der Wertung der Kaufvertragsparteien, wie er in dem notariell beurkundeten Kaufvertrag seinen Niederschlag gefunden hatte. Offenbleiben konnte vorliegend, ob eine "Einliegerwohnung von untergeordneter Bedeutung" für die Qualifikation als Einfamilienhaus unschädlich ist. Außerdem stand der Anwendung des § 656c BGB entgegen, dass zu dem Verkaufsobjekt fremdvermietete Gewerberäume gehören. Denn bei einer Mischnutzung aus Wohn- und Gewerberäumen dient der gewerbliche Teil nicht dem Wohnen einer Familie. Entsprechend hat der Gesetzgeber die Möglichkeit einer untergeordneten Gewerbenutzung nicht vorgesehen.
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Justiz NRW
Die als Maklerin tätige klagende Gesellschaft hatte 2022 im Auftrag des Verkäufers ein Haus mit Gewerbeeinheit zum Kauf angeboten. Auf dem Grundstück befindet sich eine 1901 errichtete Immobilie, die sich auf drei Etagen erstreckt. Jedenfalls seit etwa 1990 war der untere Teil des Hauses abgetrennt von den oberen Räumen und der Zugang zum Garten zu einem zweiten Eingang gestaltet, um eine separate Wohneinheit zu schaffen. Zudem wurde die Elektrik auf unterschiedliche Zähler aufgeteilt. Der Verkäufer wohnte im ersten Obergeschoss und Dachgeschoss, die Wohneinheit im Erdgeschoss bewohnte seine erwachsene Tochter. Zudem befindet sich seitlich an dem Wohnhaus ein Ladengeschäft, das im Zeitpunkt des Verkaufs vermietet war und als Bioladen genutzt wurde.
Auf ein von der Klägerin geschaltetes Inserat auf einer Onlineplattform hin meldete sich die als Rechtsanwältin tätige Beklagte und bekundete Interesse an dem Kaufobjekt. Die Beklagte erhielt von der Klägerin das Exposé zur Immobilie, nachdem sie der Zahlung einer Maklerprovision i.H.v. 4,76 % bei Abschluss des Kaufvertrages zugestimmt hatte. Das Exposé war mit den Worten "Nicht oft im Angebot! Vielfältig nutzbares 2 - 3 Familienhaus mit Gewerbe!" zum Preis von 699.000 € überschrieben.
Schließlich kaufte die Beklagte das Objekt vom Verkäufer zu einem Kaufpreis von 630.000 € sowie Inventar für weitere 20.000 €. In der Vertragsurkunde wurde die Immobilie als "bebaut mit einem Mehrfamilienhaus und einem Geschäftsgebäude" angegeben. Die Klägerin forderte von der Beklagten Maklerlohn i.H.v. 29.988 €. Die Beklagte verweigerte diese. Sie war der Ansicht, die Provisionsvereinbarung sei wegen Verstoßes gegen das sog. Halbteilungsprinzip gem. § 656c Abs. 2 BGB unwirksam. Das Verkaufsobjekt sei als ein Einfamilienhaus zu werten. Insoweit komme es auf den Wohnzweck und damit den Erwerbszweck an.
Das LG gab der Klage vollumfänglich statt.
Die Gründe:
Die Beklagte hat die in Anspruch genommene Nachweistätigkeit der Klägerin gem. § 652 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB i.V.m. dem zwischen den Parteien geschlossenen Maklervertrag - wie von ihr versprochen - zu vergüten.
Der so geschlossene Vertrag ist auch wirksam, insbesondere steht dem nicht die Regelung des § 656c Abs. 2 BGB i.V.m. § 656c Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen. Danach darf sich ein für beide Kaufvertragsparteien tätiger Makler (sog. Doppelmakler) bei der Vermittlung eines Einfamilienhauses von beiden Seiten nur eine gleich hohe Provision versprechen lassen, wenn an dem Vermittlungsgeschäft ein Verbraucher beteiligt ist (vgl. § 656b BGB i.Vm. § 13 BGB). Mit dem sog. Halbteilungsprinzip verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, bei einer Doppelmaklertätigkeit eine als gerecht empfundene Verteilung der Maklerprovision zu bewirken. Der sachliche Anwendungsbereich des § 656c Abs. 1 Satz 1 BGB war im vorliegenden Fall allerdings nicht eröffnet. Das Erwerbsobjekt war im maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Maklervertrages kein "Einfamilienhaus".
Ob ein "Kaufvertrag über den Abschluss eines Einfamilienhauses" i.S.d. § 656c BGB vorliegt, bestimmt sich objektiv an der tatsächlichen Nutzung des Objekts bei Abschluss des Maklervertrages. Dazu führt eine am Wortlaut und den tatsächlichen Gegebenheiten orientierte Rechtsanwendung, die Wertungswidersprüche vermeidet und dem verfolgten Gesetzesziel, eine klare Vertragsgrundlage herzustellen, Rechnung trägt. Insbesondere würde eine subjektive Betrachtung des Begriffs "Einfamilienhaus" zu einer künstlichen Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhaltes führen. Denn bei natürlicher Betrachtung ist es nicht mehr nachvollziehbar, dass derselbe Gegenstand gleichzeitig ein Einfamilienhaus (Maklergeschäft mit Erwerber) und ein Mehrfamilienhaus (Kaufgeschäft) sein soll; und dies unter Wahrung der nach § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderlichen Kongruenz.
Hier war das Haus unstreitig in zwei separate Wohnungen aufgeteilt, die jeweils über einen eigenen Zugang, Stromversorgung und Küche verfügten sowie von zwei Haushalten bewohnt wurden. Diese Betrachtung entsprach im Übrigen der Wertung der Kaufvertragsparteien, wie er in dem notariell beurkundeten Kaufvertrag seinen Niederschlag gefunden hatte. Offenbleiben konnte vorliegend, ob eine "Einliegerwohnung von untergeordneter Bedeutung" für die Qualifikation als Einfamilienhaus unschädlich ist. Außerdem stand der Anwendung des § 656c BGB entgegen, dass zu dem Verkaufsobjekt fremdvermietete Gewerberäume gehören. Denn bei einer Mischnutzung aus Wohn- und Gewerberäumen dient der gewerbliche Teil nicht dem Wohnen einer Familie. Entsprechend hat der Gesetzgeber die Möglichkeit einer untergeordneten Gewerbenutzung nicht vorgesehen.
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