Warnhinweise beim Verkauf von Zigaretten über Ausgabeautomaten an der Supermarktkasse
EuGH v. 9.3.2023 - C-356/22
Der Sachverhalt:
In zwei Münchener Supermärkten befanden sich an den Kassen Ausgabeautomaten für Zigarettenpackungen. Die Zigarettenpackungen wurden in diesen Automaten vorrätig gehalten, so dass sie für die Kunden nicht sichtbar waren. Die auf den Automaten angebrachten Auswahltasten ließen zwar anhand einer grafischen Darstellung verschiedene Zigarettenmarken erkennen, wiesen aber nicht die vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf. Der Kunde musste, um eine Zigarettenpackung zu kaufen, beim Kassenpersonal um Freigabe des Automaten bitten. Danach musste er selbst die der gewählten Zigarettenpackung entsprechende Auswahltaste drücken, wodurch die Packung aus dem Automaten direkt auf das Kassenband befördert wurde und bezahlt werden konnte.
Der klagende Verbraucherverein Pro Rauchfrei verklagte den Betreiber der Supermärkte auf Unterlassung. Er beantragte, dem Betreiber zu verbieten, Tabakerzeugnisse, nämlich Zigaretten, so zum Verkauf anzubieten, dass zum Zeitpunkt des Anbietens die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf den Packungen und Außenverpackungen der Tabakerzeugnisse für den Verbraucher aufgrund der Benutzung einer Vorrichtung wie der oben beschriebenen verdeckt sind. Hilfsweise beantragte der Kläger, dem Betreiber zu verbieten, solche Erzeugnisse mittels eines Automaten zum Verkauf anzubieten, der nur das Bild der Zigarettenpackungen ohne die auf diesen anzubringenden gesundheitsbezogenen Warnhinweise zeigt.
Der mit der Sache befasste BGH legte dem EuGH in diesem Zusammenhang vier Fragen nach der Auslegung der Tabakrichtlinie 2014/40 vor. Mit Urteil vom 9.12.2021 (C-370/20; Pro Rauchfrei I), beantwortete der EuGH lediglich die dritte und die vierte Frage. Er entschied, dass die Richtlinienbestimmung, wonach auch Bilder von Packungen und Außenverpackungen, die für Verbraucher in der Union bestimmt sind, den Bestimmungen der Richtlinie über Kennzeichnung und Verpackung genügen müssen, erstens dahin auszulegen ist, dass ein Bild, bei dem es sich zwar nicht um eine naturgetreue Wiedergabe einer Zigarettenpackung handelt, der Verbraucher es aber aufgrund seiner Gestaltung hinsichtlich Umrissen, Proportionen, Farben und Markenlogo mit einer solchen Packung assoziiert, ein "Bild von einer Packung" im Sinne dieser Bestimmung darstellt. Zweitens sei diese Bestimmung dahin auszulegen ist, dass ein Bild einer Zigarettenpackung, das unter diese Bestimmung fällt, auf dem aber nicht die erforderlichen gesundheitsbezogenen Warnhinweise zu sehen sind, selbst dann nicht mit dieser Bestimmung vereinbar ist, wenn der Verbraucher vor dem Erwerb der Zigarettenpackung die Gelegenheit hat, diese Warnhinweise auf der dem Bild entsprechenden Zigarettenpackung wahrzunehmen.
In Anbetracht dieser Antworten war der EuGH der Auffassung, dass die ersten beiden Fragen nicht beantwortet zu werden brauchten. Der BGH hält sich jedoch verfahrensrechtlich für verpflichtet, die von der klagenden Partei, also von Pro Rauchfrei, vorgegebene Rangfolge von Haupt- und Hilfsantrag einzuhalten. Der Erfolg des Hauptantrags von Pro Rauchfrei hänge von der Beantwortung der ersten und der zweiten Vorlagefrage ab. Die Beantwortung der dritten und der vierten Frage sei nur für die Beurteilung des Hilfsantrags relevant, weshalb eine Antwort auf die erste und die zweite Frage noch immer erforderlich sei. Der BGH hat Zweifel in Bezug auf die Bedeutung des Begriffs "Inverkehrbringen" i.S.d. Richtlinienbestimmung, wonach die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf einer Packung und der Außenverpackung unablösbar aufgedruckt, unverwischbar und vollständig sichtbar sind und dass sie, wenn die Tabakerzeugnisse in Verkehr gebracht werden, nicht teilweise oder vollständig durch Steuerzeichen, Preisaufkleber, Sicherheitsmerkmale, Hüllen, Taschen, Schachteln oder sonstige Gegenstände verdeckt oder getrennt werden (Art. 8 Abs. 3 Satz 1). Außerdem hat er Zweifel hinsichtlich der Reichweite des in dieser Bestimmung enthaltenen Verbots, die Warnhinweise durch "sonstige Gegenstände" zu verdecken.
Die Gründe:
Der EuGH hat dem BGH wie folgt geantwortet:
Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Tabakrichtlinie ist dahin auszulegen, dass der Begriff "Inverkehrbringen" im Sinne dieser Bestimmung das Anbieten von Tabakerzeugnissen über Warenausgabeautomaten erfasst, in denen die Packungen dieser Produkte derart vorrätig gehalten werden, dass sie von außen nicht sichtbar sind.
Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Tabakrichtlinie ist dahin auszulegen, dass die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf einer Packung oder einer Außenverpackung eines Tabakerzeugnisses nicht allein deshalb im Sinne dieser Vorschrift "verdeckt" sind, weil dieses Erzeugnis in einem Warenausgabeautomaten vorrätig gehalten wird und deshalb von außen überhaupt nicht sichtbar ist.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung:
Automatische Zigarettenausgabe mit zunächst unsichtbaren Warnhinweisen
BGH vom 24.02.2022 - I ZR 176/19
MDR 2022, 1107
Nachzulesen auch im Aktionsmodul Zivilrecht:
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EuGH online
In zwei Münchener Supermärkten befanden sich an den Kassen Ausgabeautomaten für Zigarettenpackungen. Die Zigarettenpackungen wurden in diesen Automaten vorrätig gehalten, so dass sie für die Kunden nicht sichtbar waren. Die auf den Automaten angebrachten Auswahltasten ließen zwar anhand einer grafischen Darstellung verschiedene Zigarettenmarken erkennen, wiesen aber nicht die vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf. Der Kunde musste, um eine Zigarettenpackung zu kaufen, beim Kassenpersonal um Freigabe des Automaten bitten. Danach musste er selbst die der gewählten Zigarettenpackung entsprechende Auswahltaste drücken, wodurch die Packung aus dem Automaten direkt auf das Kassenband befördert wurde und bezahlt werden konnte.
Der klagende Verbraucherverein Pro Rauchfrei verklagte den Betreiber der Supermärkte auf Unterlassung. Er beantragte, dem Betreiber zu verbieten, Tabakerzeugnisse, nämlich Zigaretten, so zum Verkauf anzubieten, dass zum Zeitpunkt des Anbietens die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf den Packungen und Außenverpackungen der Tabakerzeugnisse für den Verbraucher aufgrund der Benutzung einer Vorrichtung wie der oben beschriebenen verdeckt sind. Hilfsweise beantragte der Kläger, dem Betreiber zu verbieten, solche Erzeugnisse mittels eines Automaten zum Verkauf anzubieten, der nur das Bild der Zigarettenpackungen ohne die auf diesen anzubringenden gesundheitsbezogenen Warnhinweise zeigt.
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In Anbetracht dieser Antworten war der EuGH der Auffassung, dass die ersten beiden Fragen nicht beantwortet zu werden brauchten. Der BGH hält sich jedoch verfahrensrechtlich für verpflichtet, die von der klagenden Partei, also von Pro Rauchfrei, vorgegebene Rangfolge von Haupt- und Hilfsantrag einzuhalten. Der Erfolg des Hauptantrags von Pro Rauchfrei hänge von der Beantwortung der ersten und der zweiten Vorlagefrage ab. Die Beantwortung der dritten und der vierten Frage sei nur für die Beurteilung des Hilfsantrags relevant, weshalb eine Antwort auf die erste und die zweite Frage noch immer erforderlich sei. Der BGH hat Zweifel in Bezug auf die Bedeutung des Begriffs "Inverkehrbringen" i.S.d. Richtlinienbestimmung, wonach die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf einer Packung und der Außenverpackung unablösbar aufgedruckt, unverwischbar und vollständig sichtbar sind und dass sie, wenn die Tabakerzeugnisse in Verkehr gebracht werden, nicht teilweise oder vollständig durch Steuerzeichen, Preisaufkleber, Sicherheitsmerkmale, Hüllen, Taschen, Schachteln oder sonstige Gegenstände verdeckt oder getrennt werden (Art. 8 Abs. 3 Satz 1). Außerdem hat er Zweifel hinsichtlich der Reichweite des in dieser Bestimmung enthaltenen Verbots, die Warnhinweise durch "sonstige Gegenstände" zu verdecken.
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Der EuGH hat dem BGH wie folgt geantwortet:
Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Tabakrichtlinie ist dahin auszulegen, dass der Begriff "Inverkehrbringen" im Sinne dieser Bestimmung das Anbieten von Tabakerzeugnissen über Warenausgabeautomaten erfasst, in denen die Packungen dieser Produkte derart vorrätig gehalten werden, dass sie von außen nicht sichtbar sind.
Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Tabakrichtlinie ist dahin auszulegen, dass die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf einer Packung oder einer Außenverpackung eines Tabakerzeugnisses nicht allein deshalb im Sinne dieser Vorschrift "verdeckt" sind, weil dieses Erzeugnis in einem Warenausgabeautomaten vorrätig gehalten wird und deshalb von außen überhaupt nicht sichtbar ist.
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