WEG: Bemessung des Streitwerts einer vor dem 1.12.2020 anhängig gemachten Beschlussanfechtungsklage
BGH v. 30.9.2021 - V ZR 258/20
Der Sachverhalt:
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese nimmt die persönlich haftenden Gesellschafter der Bauträgerin wegen Mängeln am gemeinschaftlichen Eigentum in einem anderen Rechtsstreit in Anspruch. Vor dem LG sind ein selbständiges Beweisverfahren sowie ein auf Zahlung von Vorschuss gerichtetes Hauptsacheverfahren anhängig. Nachdem weitere Mängel an dem Objekt festgestellt worden waren (u.a. die Regen- und Schmutzwasserentsorgung betreffend), beschlossen die Eigentümer in der Versammlung vom 28.11.2013 unter TOP 8, die individuellen Mängelbeseitigungsansprüche der Eigentümer auf die Gemeinschaft zu übertragen. Unter TOP 8b in derselben Eigentümerversammlung beschlossen sie, die Vorschussklage ruhend zu stellen; die Verwaltung wurde zudem ermächtigt, im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft Vergleiche abzuschließen, Minderungsbeträge auszuhandeln sowie Minderungsbeträge entgegenzunehmen.
In einer weiteren Eigentümerversammlung vom 16.1.2014 beschlossen die Eigentümer unter TOP 3, das vor dem LG Köln laufende selbständige Beweisverfahren auf die Mängel, die Gegenstand der Beschlussfassung zu TOP 8 der Eigentümerversammlung vom 28.11.2013 gewesen waren, zu erweitern. Zur Deckung der für die gerichtliche Verfolgung der gemeinschaftlichen Mängelbeseitigungsansprüche anfallenden Sachverständigen-, Rechtsanwalts- und Gerichtskosten wurde eine Sonderumlage von 15.000 € erhoben. Unter TOP 4 wurde der Prozessbevollmächtigte der Eigentümergemeinschaft beauftragt, die Interessen der Miteigentümer bzgl. der gemeinschaftlich zu verfolgenden Baumängel gerichtlich und außergerichtlich wahrzunehmen; einem Antrag auf ein selbständiges Beweisverfahren oder einer gerichtlichen Klageerhebung wurde zugestimmt. Schließlich wurden unter TOP 5 die Beschlüsse zu TOP 8b der Eigentümerversammlung vom 28.11.2013 betreffend die Ruhendstellung der Vorschussklage gegen den Bauträger und die Ermächtigung der Verwaltung, im Namen der Gemeinschaft und mit dem Bauträger Vergleiche abzuschließen und mit ihm Minderungsbeträge auszuhandeln, aufgehoben. Am 13.6.2014 fand eine neuerliche Eigentümerversammlung statt, in welcher unter TOP 5 bis 7 die Beschlüsse zu TOP 3 bis 5 der Eigentümerversammlung vom 16.1.2014 aufgehoben wurden.
Auf die Beschlussanfechtungsklage hin erklärte das AG die Beschlüsse zu TOP 5 bis 7 der Eigentümerversammlung vom 13.6.2014 für ungültig. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem LG keinen Erfolg. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.
Die Gründe:
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist der Wert des Beschwerdegegenstands aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend; um dem Revisionsgericht die Prüfung dieser Zulässigkeitsvoraussetzung zu ermöglichen, muss der Beschwerdeführer innerhalb laufender Begründungsfrist darlegen und glaubhaft machen, dass er mit der beabsichtigten Revision das Berufungsurteil in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 € übersteigt, abändern lassen will. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 49a Abs. 1 GKG aF, der hier noch anwendbar ist. Dem steht nicht entgegen, dass die Nichtzulassungsbeschwerde am 3.12.2020 und damit nach Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes eingegangen ist. Ist eine Beschlussanfechtungsklage - wie hier - vor dem 1.12.2020 bei Gericht anhängig geworden, bemisst sich der Streitwert analog § 48 Abs. 5 WEG auch für nach diesem Zeitpunkt eingelegte Rechtsmittel nach § 49a GKG a.F. und nicht nach § 49 GKG. Die (allgemeine) Übergangsvorschrift des § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG, wonach in der Rechtsmittelinstanz neues Recht anwendbar wäre, wird insoweit verdrängt.
Hierfür spricht zum einen bereits der Wortlaut des § 49 GKG, der eine Regelung für die Bestimmung des Streitwerts (nur) für "Verfahren nach § 44 Abs. 1 des Wohnungseigentumsgesetzes" trifft und damit ersichtlich auf eine Vorschrift des neuen Rechts verweist. Zum anderen entspricht auch nur diese Sichtweise dem Willen des Gesetzgebers. Dadurch, dass der Streitwert nunmehr (§ 49 Satz 2 GKG) auf den siebeneinhalbfachen und nicht mehr auf den fünffachen Wert des Interesses (§ 49a Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.) des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen gedeckelt und damit höher ist als nach dem bisherigen Recht, wollte der Gesetzgeber den Wegfall der Mehrvertretungsgebühr für den Beklagtenvertreter kompensieren. Nach neuem Recht ist die Beschlussklage nämlich nicht mehr gegen die übrigen Wohnungseigentümer (so § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG a.F.), sondern gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten (§ 44 Abs. 2 Satz 1 WEG), so dass der Rechtsanwalt auf Beklagtenseite nur noch einen Mandanten vertritt.
Mit diesem Verständnis des § 49 GKG wäre es nicht zu vereinbaren, wenn in einem Fall, in dem aufgrund der Übergangsbestimmung des § 48 Abs. 5 WEG im Rechtmittelverfahren die übrigen Wohnungseigentümer weiter Beklagte der Beschlussanfechtungsklage bleiben, bei der Bestimmung des Streitwerts mit § 49 GKG eine Vorschrift angewendet würde, die nach der Vorstellung des Gesetzgebers voraussetzt, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Beklagte ist. Gelten für die Beschlussanfechtungsklage noch die bisherigen Verfahrensvorschriften, ist deshalb auch bei der Bestimmung des Streitwerts das bisherige Recht und damit § 49a GKG a.F. anzuwenden.
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Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese nimmt die persönlich haftenden Gesellschafter der Bauträgerin wegen Mängeln am gemeinschaftlichen Eigentum in einem anderen Rechtsstreit in Anspruch. Vor dem LG sind ein selbständiges Beweisverfahren sowie ein auf Zahlung von Vorschuss gerichtetes Hauptsacheverfahren anhängig. Nachdem weitere Mängel an dem Objekt festgestellt worden waren (u.a. die Regen- und Schmutzwasserentsorgung betreffend), beschlossen die Eigentümer in der Versammlung vom 28.11.2013 unter TOP 8, die individuellen Mängelbeseitigungsansprüche der Eigentümer auf die Gemeinschaft zu übertragen. Unter TOP 8b in derselben Eigentümerversammlung beschlossen sie, die Vorschussklage ruhend zu stellen; die Verwaltung wurde zudem ermächtigt, im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft Vergleiche abzuschließen, Minderungsbeträge auszuhandeln sowie Minderungsbeträge entgegenzunehmen.
In einer weiteren Eigentümerversammlung vom 16.1.2014 beschlossen die Eigentümer unter TOP 3, das vor dem LG Köln laufende selbständige Beweisverfahren auf die Mängel, die Gegenstand der Beschlussfassung zu TOP 8 der Eigentümerversammlung vom 28.11.2013 gewesen waren, zu erweitern. Zur Deckung der für die gerichtliche Verfolgung der gemeinschaftlichen Mängelbeseitigungsansprüche anfallenden Sachverständigen-, Rechtsanwalts- und Gerichtskosten wurde eine Sonderumlage von 15.000 € erhoben. Unter TOP 4 wurde der Prozessbevollmächtigte der Eigentümergemeinschaft beauftragt, die Interessen der Miteigentümer bzgl. der gemeinschaftlich zu verfolgenden Baumängel gerichtlich und außergerichtlich wahrzunehmen; einem Antrag auf ein selbständiges Beweisverfahren oder einer gerichtlichen Klageerhebung wurde zugestimmt. Schließlich wurden unter TOP 5 die Beschlüsse zu TOP 8b der Eigentümerversammlung vom 28.11.2013 betreffend die Ruhendstellung der Vorschussklage gegen den Bauträger und die Ermächtigung der Verwaltung, im Namen der Gemeinschaft und mit dem Bauträger Vergleiche abzuschließen und mit ihm Minderungsbeträge auszuhandeln, aufgehoben. Am 13.6.2014 fand eine neuerliche Eigentümerversammlung statt, in welcher unter TOP 5 bis 7 die Beschlüsse zu TOP 3 bis 5 der Eigentümerversammlung vom 16.1.2014 aufgehoben wurden.
Auf die Beschlussanfechtungsklage hin erklärte das AG die Beschlüsse zu TOP 5 bis 7 der Eigentümerversammlung vom 13.6.2014 für ungültig. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem LG keinen Erfolg. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.
Die Gründe:
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist der Wert des Beschwerdegegenstands aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend; um dem Revisionsgericht die Prüfung dieser Zulässigkeitsvoraussetzung zu ermöglichen, muss der Beschwerdeführer innerhalb laufender Begründungsfrist darlegen und glaubhaft machen, dass er mit der beabsichtigten Revision das Berufungsurteil in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 € übersteigt, abändern lassen will. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 49a Abs. 1 GKG aF, der hier noch anwendbar ist. Dem steht nicht entgegen, dass die Nichtzulassungsbeschwerde am 3.12.2020 und damit nach Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes eingegangen ist. Ist eine Beschlussanfechtungsklage - wie hier - vor dem 1.12.2020 bei Gericht anhängig geworden, bemisst sich der Streitwert analog § 48 Abs. 5 WEG auch für nach diesem Zeitpunkt eingelegte Rechtsmittel nach § 49a GKG a.F. und nicht nach § 49 GKG. Die (allgemeine) Übergangsvorschrift des § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG, wonach in der Rechtsmittelinstanz neues Recht anwendbar wäre, wird insoweit verdrängt.
Hierfür spricht zum einen bereits der Wortlaut des § 49 GKG, der eine Regelung für die Bestimmung des Streitwerts (nur) für "Verfahren nach § 44 Abs. 1 des Wohnungseigentumsgesetzes" trifft und damit ersichtlich auf eine Vorschrift des neuen Rechts verweist. Zum anderen entspricht auch nur diese Sichtweise dem Willen des Gesetzgebers. Dadurch, dass der Streitwert nunmehr (§ 49 Satz 2 GKG) auf den siebeneinhalbfachen und nicht mehr auf den fünffachen Wert des Interesses (§ 49a Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.) des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen gedeckelt und damit höher ist als nach dem bisherigen Recht, wollte der Gesetzgeber den Wegfall der Mehrvertretungsgebühr für den Beklagtenvertreter kompensieren. Nach neuem Recht ist die Beschlussklage nämlich nicht mehr gegen die übrigen Wohnungseigentümer (so § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG a.F.), sondern gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten (§ 44 Abs. 2 Satz 1 WEG), so dass der Rechtsanwalt auf Beklagtenseite nur noch einen Mandanten vertritt.
Mit diesem Verständnis des § 49 GKG wäre es nicht zu vereinbaren, wenn in einem Fall, in dem aufgrund der Übergangsbestimmung des § 48 Abs. 5 WEG im Rechtmittelverfahren die übrigen Wohnungseigentümer weiter Beklagte der Beschlussanfechtungsklage bleiben, bei der Bestimmung des Streitwerts mit § 49 GKG eine Vorschrift angewendet würde, die nach der Vorstellung des Gesetzgebers voraussetzt, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Beklagte ist. Gelten für die Beschlussanfechtungsklage noch die bisherigen Verfahrensvorschriften, ist deshalb auch bei der Bestimmung des Streitwerts das bisherige Recht und damit § 49a GKG a.F. anzuwenden.