WEG: Beschlüsse müssen für rechtlichen Laien hinreichend nachvollziehbar sein
AG Wuppertal v. 29.9.2021 - 95b C 20/21
Der Sachverhalt:
Die Kläger und die Beklagte sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie verbindet neben dem Wohneigentum eine längere Historie gerichtlicher Auseinandersetzungen. Die Kläger fechten regelmäßig Beschlüsse der WEG an. Im Rahmen mehrerer gerichtlicher Prozesse wurden die von der Verwalterin G. erstellten und auf den Eigentümerversammlungen beschlossenen Jahresendabrechnungen der Jahre 2014 bis 2019 für unwirksam erklärt, da sie nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprachen. Aufgrund vorhandener mehrfacher Verwaltungsmängel und des zerrütteten Vertrauensverhältnisses zwischen der Verwaltung und den Klägern wurde eine Fortsetzungsbestellung der Hausverwaltung G. gerichtlich für unwirksam erklärt.
Auf der Eigentümerversammlung vom 11.12.2020 fasste die Eigentümergemeinschaft den Beschluss Herrn G1 als neuen Verwalter zu bestellen. Herr G1 war in der Vergangenheit bereits für die Hausverwaltung G tätig gewesen, indem er im Namen der Hausverwaltung mehrere Eigentümerversammlungen leitete und als Ansprechpartner zur Verfügung stand. G1 benutzt die Büroräume der Hausverwaltung G, die Ordner der Hausverwaltung G und hat die SEPA-Lastschriftvollmachten der Hausverwaltung G übernommen.
In der Versammlung vom 26.2.2021 wurde dann unter TOP 4 mit 19 von 30 Stimmen der Beschluss gefasst:
"Die Wohnungseigentümer beschließen, es bei dem Stand der Jahresabrechnung 2014 bis 2018 wegen der marginalen Differenz bei der Darstellung der Instandhaltungsrücklage zu belassen. Die Abrechnungen sollen trotz ihrer marginalen Fehlerhaftigkeit und mangels Korrekturmöglichkeit nicht mehr erneut erstellt werden. Die bisherige Verwaltung wird von etwaigen diesbezüglichen Schadensersatzansprüchen freigestellt. Die Eigentümerschaft ist der Auffassung, dass die jahrelangen Prozesse nicht im Verhältnis zu den Veränderungen stehen und dieses schon im Ermessen der Eigentümerschaft liegt."
Die Kläger machten geltend, dass der in TOP 4 beschlossene Verzicht auf eine Berichtigung der Jahresabrechnungen, die gerichtlich für unwirksam erklärt worden waren, nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche. Sie waren der Ansicht, dass die Verwaltung stattdessen die Jahresabrechnungen hätte korrigieren müssen und ordnungsgemäße Jahresabrechnungen erstellen müssen, die dann hätten beschlossen werden können.
Das AG gab der Klage statt. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Der Beschluss TOP 4 der Eigentümerversammlung vom 26.2.2021 ist unwirksam.
Der unter TOP 4 gefasste Beschluss zum Verzicht auf die Berichtigung der Jahresabrechnungen 2014 bis 2018 und die Freistellung der Verwaltung von diesbezüglichen Schadensersatzansprüchen entsprach nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, weil die Beklagte nicht darlegen konnte aus welchem Grund eine Korrektur der Jahresabrechnungen aus den Jahren 2014 bis 2018 nicht möglich oder unwirtschaftlich seien soll. Der gefasste Beschluss enthielt insofern keine konkreten Zahlen. Eine mangelnde Korrekturmöglichkeit, so wie es in dem Beschluss beschrieben wird, war nicht hinreichend nachvollziehbar.
Aus Sicht des Gerichtes wäre es dem geordneten Zusammenleben der Gemeinschaft dienlich gewesen und würde dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechen, den Eigentümern korrigierte Jahresabrechnungen zur Abstimmung vorzulegen, die die Hinweise der Gerichte in den vergangenen Anfechtungsprozessen berücksichtigen. Gleichzeitig war nicht hinreichend nachvollziehbar, welche Schadensersatzansprüche gegen die Verwaltung durch den Beschluss in TOP 4 ausgeschlossen werden sollen und welche Konsequenz dies für den einzelnen Eigentümer haben soll.
Die Gemeinschaft der Eigentümer kann das Klagerecht eines einzelnen Eigentümers durch gemeinsamen Beschluss nicht ausschließen. Die gefassten Beschlüsse der Versammlung müssen für die Eigentümer, als rechtliche Laien, jedoch hinreichend verständlich und nachvollziehbar sein und offenbaren welche rechtlichen Konsequenzen sich für die Gemeinschaft und die Eigentümer ergeben.
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Justiz NRW
Die Kläger und die Beklagte sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie verbindet neben dem Wohneigentum eine längere Historie gerichtlicher Auseinandersetzungen. Die Kläger fechten regelmäßig Beschlüsse der WEG an. Im Rahmen mehrerer gerichtlicher Prozesse wurden die von der Verwalterin G. erstellten und auf den Eigentümerversammlungen beschlossenen Jahresendabrechnungen der Jahre 2014 bis 2019 für unwirksam erklärt, da sie nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprachen. Aufgrund vorhandener mehrfacher Verwaltungsmängel und des zerrütteten Vertrauensverhältnisses zwischen der Verwaltung und den Klägern wurde eine Fortsetzungsbestellung der Hausverwaltung G. gerichtlich für unwirksam erklärt.
Auf der Eigentümerversammlung vom 11.12.2020 fasste die Eigentümergemeinschaft den Beschluss Herrn G1 als neuen Verwalter zu bestellen. Herr G1 war in der Vergangenheit bereits für die Hausverwaltung G tätig gewesen, indem er im Namen der Hausverwaltung mehrere Eigentümerversammlungen leitete und als Ansprechpartner zur Verfügung stand. G1 benutzt die Büroräume der Hausverwaltung G, die Ordner der Hausverwaltung G und hat die SEPA-Lastschriftvollmachten der Hausverwaltung G übernommen.
In der Versammlung vom 26.2.2021 wurde dann unter TOP 4 mit 19 von 30 Stimmen der Beschluss gefasst:
"Die Wohnungseigentümer beschließen, es bei dem Stand der Jahresabrechnung 2014 bis 2018 wegen der marginalen Differenz bei der Darstellung der Instandhaltungsrücklage zu belassen. Die Abrechnungen sollen trotz ihrer marginalen Fehlerhaftigkeit und mangels Korrekturmöglichkeit nicht mehr erneut erstellt werden. Die bisherige Verwaltung wird von etwaigen diesbezüglichen Schadensersatzansprüchen freigestellt. Die Eigentümerschaft ist der Auffassung, dass die jahrelangen Prozesse nicht im Verhältnis zu den Veränderungen stehen und dieses schon im Ermessen der Eigentümerschaft liegt."
Die Kläger machten geltend, dass der in TOP 4 beschlossene Verzicht auf eine Berichtigung der Jahresabrechnungen, die gerichtlich für unwirksam erklärt worden waren, nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche. Sie waren der Ansicht, dass die Verwaltung stattdessen die Jahresabrechnungen hätte korrigieren müssen und ordnungsgemäße Jahresabrechnungen erstellen müssen, die dann hätten beschlossen werden können.
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Die Gründe:
Der Beschluss TOP 4 der Eigentümerversammlung vom 26.2.2021 ist unwirksam.
Der unter TOP 4 gefasste Beschluss zum Verzicht auf die Berichtigung der Jahresabrechnungen 2014 bis 2018 und die Freistellung der Verwaltung von diesbezüglichen Schadensersatzansprüchen entsprach nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, weil die Beklagte nicht darlegen konnte aus welchem Grund eine Korrektur der Jahresabrechnungen aus den Jahren 2014 bis 2018 nicht möglich oder unwirtschaftlich seien soll. Der gefasste Beschluss enthielt insofern keine konkreten Zahlen. Eine mangelnde Korrekturmöglichkeit, so wie es in dem Beschluss beschrieben wird, war nicht hinreichend nachvollziehbar.
Aus Sicht des Gerichtes wäre es dem geordneten Zusammenleben der Gemeinschaft dienlich gewesen und würde dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechen, den Eigentümern korrigierte Jahresabrechnungen zur Abstimmung vorzulegen, die die Hinweise der Gerichte in den vergangenen Anfechtungsprozessen berücksichtigen. Gleichzeitig war nicht hinreichend nachvollziehbar, welche Schadensersatzansprüche gegen die Verwaltung durch den Beschluss in TOP 4 ausgeschlossen werden sollen und welche Konsequenz dies für den einzelnen Eigentümer haben soll.
Die Gemeinschaft der Eigentümer kann das Klagerecht eines einzelnen Eigentümers durch gemeinsamen Beschluss nicht ausschließen. Die gefassten Beschlüsse der Versammlung müssen für die Eigentümer, als rechtliche Laien, jedoch hinreichend verständlich und nachvollziehbar sein und offenbaren welche rechtlichen Konsequenzen sich für die Gemeinschaft und die Eigentümer ergeben.
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