WEG: Darlegungslast für ergebnisrelevanten Fehler der Jahresabrechnung
LG Frankfurt a.M. v. 9.3.2023 - 2-13 S 68/22
Der Sachverhalt:
Die Berufungsklägerin ist Alleinerbin nach dem im Berufungsverfahren verstorbenen Kläger, Mitglied der beklagten WEG. Dieser hatte mit der Anfechtungsklage die Ungültigerklärung verschiedener auf der Versammlung vom 1.9.2021 gefasster Beschlüsse begehrt.
Das AG wies die Klage ab. Auf die Berufung der Berufungsklägerin gab das OLG der Klage teilweise (TOP 4) statt.
Die Gründe:
Der Beschluss zu TOP 4 war im Wesentlichen für ungültig zu erklären. Zu Recht weist die Beklagte allerdings darauf hin, dass nach dem seit dem WEMoG geltenden Recht der Beschluss über die Einforderung von Nachschüssen und die Anpassung der Vorschüsse nicht allein deshalb für ungültig zu erklären ist, wenn das zu Grunde liegende Rechenwerk der Jahresabrechnung zunächst nicht nachvollziehbar ist.
Ist dies nicht der Fall, wird die Jahresabrechnung allerdings ihrer Hauptaufgabe, als eine geordnete und übersichtliche, inhaltlich zutreffende Aufstellung sämtlicher Einnahmen und Ausgaben für das betreffende Wirtschaftsjahr nicht gerecht und insoweit erfüllt die Abrechnung nicht ihre Funktion, die Beschlussfassung nach § 28 Abs. 2 WEG über die Anpassung der Vorschüsse und das Einfordern von Nachschüssen vorzubereiten. Lässt sich aus der Abrechnung mit Hilfe der Anfangs- und Endbestände der Konten nicht nachvollziehen, ob alle im Abrechnungsjahr getätigten Einnahmen und Ausgaben in der Abrechnung aufgeführt sind, ist die Abrechnung nicht plausibel. Damit stellt sich auch die ergebnisrelevante Frage, ob alle Ausgaben berücksichtigt worden sind oder Einnahmen fehlen.
Da die Abrechnung für den durchschnittlichen Wohnungseigentümer auch ohne Hinzuziehung fachlicher Unterstützung verständlich sein muss, genügt der Wohnungseigentümer seiner Darlegungslast, wenn er darlegt, dass die Abrechnung nicht plausibel ist und daher Zweifel an der Richtigkeit der angepassten Vorschüsse oder Nachschüsse bestehen. Insoweit kommt der WEG eine sekundäre Darlegungslast dahingehend zu, zu erläutern, inwieweit die beschlossenen Abrechnungsspitzen gleichwohl zutreffend sind. Der Beschluss gem. § 28 Abs. 2 WEG ist in einer derartigen Konstellation für ungültig zu erklären, wenn der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Falle anfänglicher Nichtnachvollziehbarkeit bis zuletzt nicht die Darlegung gelingt, dass die Abrechnungsmängel keine Ergebnisrelevanz haben oder gar feststeht, dass sich Mängel in den Einzelabrechnungen auf die Höhe der Nachschüsse oder die Anpassung der Vorschüsse ausgewirkt haben.
Hierauf hat die Kammer mit der Terminsladung hingewiesen, woraufhin die Beklagte ergänzenden Vortrag gehalten und die Gesamtabrechnung vorgelegt hat. Aus diesem Vortrag ergibt sich allerdings, dass die Abrechnung Defizite aufweist, die sich auf die Abrechnungsspitzen auswirken. Im Vergleich der zuletzt vorgelegten Gesamtabrechnung zu den Einzelabrechnungen steht ein ergebnisrelevanter Fehler sogar fest. Die daraus folgende Ungültigerklärung betrifft allerdings nur die laufenden Kosten der Bewirtschaftung, nur insoweit besteht Anlass, die Abrechnungsspitzen für ungültig zu erklären. Soweit der Beschluss nach § 28 Abs. 2 WEG auch die Anpassung der Vorschüsse der Rücklagen, hier der Erhaltungsrücklage (§ 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG) erfasst, besteht kein Anlass zu Ungültigerklärung, denn insoweit wirkt sich der Fehler bei den Bewirtschaftungskosten auf die Erhaltungsrücklage nicht aus. Insoweit ist der Beschluss auch nach neuem Recht noch trennbar.
Mehr zum Thema:
Kommentierung | WEG
§ 28 Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht
Jennißen in Jennißen (Hrsg.), Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2022
Rechtsprechung:
Vorschuss: Beschlussfassung
LG Frankfurt/M. vom 20.04.2022 - 2-13 T 15/22
Oliver Elzer, MietRB 2022, 208
Nachzulesen etwa im Beratermodul Mietrecht und WEG-Recht:
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Die Berufungsklägerin ist Alleinerbin nach dem im Berufungsverfahren verstorbenen Kläger, Mitglied der beklagten WEG. Dieser hatte mit der Anfechtungsklage die Ungültigerklärung verschiedener auf der Versammlung vom 1.9.2021 gefasster Beschlüsse begehrt.
Das AG wies die Klage ab. Auf die Berufung der Berufungsklägerin gab das OLG der Klage teilweise (TOP 4) statt.
Die Gründe:
Der Beschluss zu TOP 4 war im Wesentlichen für ungültig zu erklären. Zu Recht weist die Beklagte allerdings darauf hin, dass nach dem seit dem WEMoG geltenden Recht der Beschluss über die Einforderung von Nachschüssen und die Anpassung der Vorschüsse nicht allein deshalb für ungültig zu erklären ist, wenn das zu Grunde liegende Rechenwerk der Jahresabrechnung zunächst nicht nachvollziehbar ist.
Ist dies nicht der Fall, wird die Jahresabrechnung allerdings ihrer Hauptaufgabe, als eine geordnete und übersichtliche, inhaltlich zutreffende Aufstellung sämtlicher Einnahmen und Ausgaben für das betreffende Wirtschaftsjahr nicht gerecht und insoweit erfüllt die Abrechnung nicht ihre Funktion, die Beschlussfassung nach § 28 Abs. 2 WEG über die Anpassung der Vorschüsse und das Einfordern von Nachschüssen vorzubereiten. Lässt sich aus der Abrechnung mit Hilfe der Anfangs- und Endbestände der Konten nicht nachvollziehen, ob alle im Abrechnungsjahr getätigten Einnahmen und Ausgaben in der Abrechnung aufgeführt sind, ist die Abrechnung nicht plausibel. Damit stellt sich auch die ergebnisrelevante Frage, ob alle Ausgaben berücksichtigt worden sind oder Einnahmen fehlen.
Da die Abrechnung für den durchschnittlichen Wohnungseigentümer auch ohne Hinzuziehung fachlicher Unterstützung verständlich sein muss, genügt der Wohnungseigentümer seiner Darlegungslast, wenn er darlegt, dass die Abrechnung nicht plausibel ist und daher Zweifel an der Richtigkeit der angepassten Vorschüsse oder Nachschüsse bestehen. Insoweit kommt der WEG eine sekundäre Darlegungslast dahingehend zu, zu erläutern, inwieweit die beschlossenen Abrechnungsspitzen gleichwohl zutreffend sind. Der Beschluss gem. § 28 Abs. 2 WEG ist in einer derartigen Konstellation für ungültig zu erklären, wenn der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Falle anfänglicher Nichtnachvollziehbarkeit bis zuletzt nicht die Darlegung gelingt, dass die Abrechnungsmängel keine Ergebnisrelevanz haben oder gar feststeht, dass sich Mängel in den Einzelabrechnungen auf die Höhe der Nachschüsse oder die Anpassung der Vorschüsse ausgewirkt haben.
Hierauf hat die Kammer mit der Terminsladung hingewiesen, woraufhin die Beklagte ergänzenden Vortrag gehalten und die Gesamtabrechnung vorgelegt hat. Aus diesem Vortrag ergibt sich allerdings, dass die Abrechnung Defizite aufweist, die sich auf die Abrechnungsspitzen auswirken. Im Vergleich der zuletzt vorgelegten Gesamtabrechnung zu den Einzelabrechnungen steht ein ergebnisrelevanter Fehler sogar fest. Die daraus folgende Ungültigerklärung betrifft allerdings nur die laufenden Kosten der Bewirtschaftung, nur insoweit besteht Anlass, die Abrechnungsspitzen für ungültig zu erklären. Soweit der Beschluss nach § 28 Abs. 2 WEG auch die Anpassung der Vorschüsse der Rücklagen, hier der Erhaltungsrücklage (§ 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG) erfasst, besteht kein Anlass zu Ungültigerklärung, denn insoweit wirkt sich der Fehler bei den Bewirtschaftungskosten auf die Erhaltungsrücklage nicht aus. Insoweit ist der Beschluss auch nach neuem Recht noch trennbar.
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