WEG: Folgen einer unzulässigen Kündigung des Verwaltervertrages
LG Köln v. 9.6.2022 - 29 S 151/21Die Klägerin war im Juni 2017 von der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft als Verwalterin für den Zeitraum 1.1.2019 bis 31.12.2022 bestellt worden. Die Parteien schlossen einen Verwaltervertrag, demnach die monatliche Grundvergütung der Klägerin 736 € netto betrug. In der Eigentümerversammlung vom 2.12.2019 beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich zu TOP 6: "Die Eigentümergemeinschaft beauftragt und ermächtigt den Verwaltungsbeirat mit der vorzeitigen Kündigung des Verwaltervertrages mit der W S GmbH zum 31.12.2019".
Mit Schreiben vom 6.1.2020 bot die Klägerin an, weiterhin ihre Leistungen zu erbringen. Der Verwaltungsbeirat teilte der Klägerin am selben Tag mit: "wir lehnen Ihr Angebot hiermit ab, da eine außerordentliche Kündigung bereits ausgesprochen wurde und nach unserer Auffassung diese rechtswirksam ist".
Die Klägerin forderte die Beklagte am 18.2.2020 auf, die sich bis zum Ablauf der regulären Vertragslaufzeit ergebende Verwaltervergütung i.H.v. rund 21.196 € zu zahlen. Sie war der Ansicht, es habe seitens der Beklagten keinerlei Grund bestanden, den Verwaltervertrag mit der Klägerin vorzeitig zu kündigen, ohnehin sei keine fristlose Kündigung ausgesprochen worden, sondern eine solche zum 31.12.2019. Dass die Eigentümerversammlung im Jahr 2019 verspätet stattgefunden habe, sei auf personelle Engpässe zurückzuführen, es habe sich um eine einmalige Verspätung gehandelt. Die Ausstellung der Jahresabrechnung sei lediglich einmalig verspätet erfolgt; eine gefestigte Rechtsprechung, dass bis zum Ende des ersten Quartals des Folgejahres die Jahresabrechnung zu erstellen sei, gebe es nicht.
das AG hat die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich um eine unzulässige Saldoklage handele. Der Klageantrag sei nicht hinreichend bestimmt, da der Schaden bzgl. des zukünftigen Honorars noch nicht eingetreten sei. Auf die Berufung der Klägerin hat das LG die Entscheidung abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben.
Die Gründe:
Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein Vergütungsanspruch aus §§ 615, 611 Abs. 1 BGB i.H.v. 10.598 € zu, denn der zwischen den Parteien geschlossene Verwaltervertrag aus Juni 2017 war nicht vorzeitig beendet worden.
Nach der herrschenden Trennungstheorie ist zwischen der Organstellung und dem Verwaltervertrag zu unterscheiden (vgl. Jennißen in Jennißen, WEG, 7. Aufl., § 26 Rdnr. 36 ff.). Selbst wenn in der Beschlussfassung vom 2.12.2019 eine Abberufung der Klägerin als Verwalterin liegen sollte, konnte die Klägerin ihre Vergütungsansprüche geltend machen, auch wenn sie die Abberufung nicht angefochten hatte, dabei konnte dahingestellt bleiben, ob es erforderlich ist, dass der Verwalter seine Leistungen ausdrücklich anbieten und die Wohnungseigentümergemeinschaft in Annahmeverzug setzen muss, denn die Klägerin hatte durch ihr Schreiben vom 6.1.2020 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie vom Fortbestand des Verwaltervertrages ausgehe und deshalb die Vergütungsansprüche einfordere , was die Beklagte mit Schreiben vom 18.2.2020 eindeutig abgelehnt hat.
Die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung bzw. die vorzeitige Beendigung des Verwaltervertrages lagen nicht vor. Für eine Kündigung aus wichtigem Grund, für die die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet war, lagen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Zwar räumte die Klägerin Pflichtverletzungen ein, jedoch handelte es sich dabei nicht um solche Gründe, die abmahnfeindlich waren. Auch wenn von einer pflichtwidrigen Verzögerung der Einberufung einer Eigentümerversammlung auszugehen war, handelte es sich insoweit um einen einmaligen Vorfall.
Die Klägerin musste sich allerdings ersparte Aufwendungen anrechnen lassen, § 615 S. 2 BGB. Dabei war zu berücksichtigen, ob die Verwalterin durch den Wegfall des Objektes in der Lage war, fixe Kosten und insbesondere Personal einzusparen. Ist dies nicht der Fall, wird von der Rechtsprechung eine pauschale Ersparnis der variablen Kosten von 20% angenommen. Dass bei der Größe des Unternehmens der Klägerin durch den Wegfall des streitgegenständlichen Objektes Einsparungen bei den fixen Kosten sowie den Personalkosten in einem größeren Umfang als 20% angefallen waren, konnte mangels konkretem Vortrag nicht angenommen werden. Dafür lagen auch keine Anhaltpunkte vor.
Der Klägerin stand indes ein Anspruch lediglich für den Zeitraum bis einschließlich Juni 2021 zu. Denn es war zu berücksichtigen, dass die Beklagte mit der Neufassung des WEG zum 1.12.2020 den Verwalter jederzeit abberufen konnte und der Vertrag spätestens sechs Monate nach dessen Abberufung endete, § 26 Abs. 3 WEG n.F. Es handelte sich dabei nicht um eine unzulässige Rückwirkung der neuen Regelung in § 26 Abs. 3 WEG. Denn zu Grunde gelegt wurde nicht das Handeln der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vor dem 1.12.2020, vielmehr wurde auf eine rechtmäßige Verhaltensweise abgestellt, die der Beklagten alternativ ab dem 1.12.2020 zur Verfügung stand.
Aufsatz
Das selbständige Beweisverfahren im WEG-Prozessrecht - praktische Fragestellungen und aktuelle Fallkonstellationen
Kai-Uwe Agatsy, MietRB 2022, 243
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