WEG: Kosten für Fahrstühle dürfen nach altem Recht den antragstellenden Eigentümern auferlegt werden
AG Kassel 7.4.2022 - 800 C 4204/19
Der Sachverhalt:
Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft. Hierbei handelt es sich um eine sog. Zwei-Haus-Anlage. In beiden Gebäuden befindet sich je eine Fahrstuhlanlage. In der Teilungserklärung ist in § 6 Nr. 4 der Gemeinschaftsordnung bei größeren Instandsetzungsmaßnahmen eine Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit vorgesehen sowie in § 15 Nr. 5 daselbst die Abstimmung nach Miteigentumsanteilen, sofern nicht Wahl oder Abberufung des Verwalters betroffen ist. Einige der Eigentümer sind auf barrierefreie Fahrstühle angewiesen.
Am 15.11.2018 erfolgte eine routinemäßige Überprüfung der Fahrstuhlanlagen durch den TÜV Hessen, der geringfügigen Mängel feststellte. In der Eigentümerversammlung vom 21.10.2019 berieten die Eigentümer über Arbeiten an den bis dahin nicht barrierefreien Fahrstuhlanlagen. Im TOP 3.1 wurde der Beschlussantrag zur Abstimmung gestellt, barrierefreie Aufzüge in beiden Häusern zu erstellen, wobei die Gesamtkosten i.H.v. ca. 164.000 € aus der Rücklage entnommen werden sollten. Diesem Beschluss stimmten 646,66/1000 Miteigentumsanteile (MEA) zu, 147,50/1000 MEA stimmten mit Nein. Der Versammlungsleiter stellte fest, ein Beschluss sei nicht zustande gekommen. Unter dem TOP 3.2 und TOP 3.3 beschlossen die Miteigentümer mit allen anwesenden Stimmen die Herstellung nahezu barrierefreier Aufzüge in den Häusern Nr. 42 und Nr. 40. Die Mehrkosten sollten von den einzelnen Antragstellern getragen werden.
Der Kläger war der Ansicht, bei dem Beschluss zum TOP 3.1 hätte § 6 Nr. 4 der Gemeinschaftsordnung angewendet werden müssen mit der Folge, dass die vorhandene einfache Mehrheit ausgereicht hätte, um das Zustandekommen des Beschlusses festzustellen. Bei der vorgesehenen Maßnahme habe es sich um eine Instandsetzungsmaßnahme und nicht um eine bauliche Veränderung gehandelt. Folglich seien die in § 22 Abs. 1, 2 WEG a.F. vorgesehenen qualifizierten Mehrheiten bei der Abstimmung nicht erforderlich gewesen. Der Kläger begehrte im Wege der Beschlussanfechtungsklage die Ungültigerklärung der drei Beschlüsse sowie im Wege der Beschlussersetzungsklage die Feststellung, dass ein bestimmter Beschluss getroffen worden ist.
Das AG hat die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Die im Protokoll festgehaltene Beschlussverkündung zu TOP 3.1, der Beschluss sei nicht zu Stande gekommen, ist zutreffend.
Die einfache Mehrheit genügte nicht, um vom Zu-Stande-Kommen des Beschlusses ausgehen zu können. Denn der Beschluss betrifft nicht lediglich eine einfache Instandsetzungsmaßnahme, so dass zur Bestimmung der Mehrheitsverhältnisse weder die Regelung des § 6 Nr. 4 der Gemeinschaftsordnung noch diejenige der §§ 22 Abs. 3, 21 Abs. 3 WEG a.F. Anwendung finden kann. Nach diesen Vorschriften genügt nur für eine gewöhnliche Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsmaßnahme die einfache Mehrheit in der Eigentümerversammlung, um ein Beschluss treffen zu können.
Eine Instandhaltung i.S.v. § 21 Abs. 5 Nummer 2 WEG a.F. liegt dann vor, wenn der bestehende Zustand erhalten werden soll und hier für pflegende, erhaltende und für vorsorgende Maßnahmen zu Beschlussfassung anstehen; Instandsetzung im Sinne dieser Vorschrift bedeutet die Wiederherstellung des ursprünglichen ordnungsmäßigen Zustandes des gemeinschaftlichen Eigentums mittels Reparatur oder Ersatzbeschaffung unter Einschluss von Maßnahmen aufgrund öffentlich-rechtlicher Bestimmungen. Die Begrifflichkeit in § 6 Nr. 4 der Gemeinschaftsordnung entspricht dabei diesem gesetzlichen Befund, da nicht erkennbar ist, dass bei der Errichtung der Gemeinschaftsordnung insoweit etwas anderes gewollt war, als vom Gesetzgeber beabsichtigt. Daran fehlt es hier. Die beschluss- und streitgegenständliche Maßnahme geht über diesen Rahmen eindeutig hinaus.
Auch die Anfechtung der Beschlüsse zu den TOP 3.2 und 3.3. bleibt ohne Erfolg. Die Beschlüsse widersprechen nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Noch unter Geltung des WEG in der bis zum 30.11.2020 gültigen Fassung sind Beschlüsse nämlich nicht deswegen anfechtbar, weil darin die Kosten einer auf Antrag einzelner Eigentümer beschlossenen baulichen Veränderung den antragstellenden Eigentümern auferlegt werden.
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Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft. Hierbei handelt es sich um eine sog. Zwei-Haus-Anlage. In beiden Gebäuden befindet sich je eine Fahrstuhlanlage. In der Teilungserklärung ist in § 6 Nr. 4 der Gemeinschaftsordnung bei größeren Instandsetzungsmaßnahmen eine Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit vorgesehen sowie in § 15 Nr. 5 daselbst die Abstimmung nach Miteigentumsanteilen, sofern nicht Wahl oder Abberufung des Verwalters betroffen ist. Einige der Eigentümer sind auf barrierefreie Fahrstühle angewiesen.
Am 15.11.2018 erfolgte eine routinemäßige Überprüfung der Fahrstuhlanlagen durch den TÜV Hessen, der geringfügigen Mängel feststellte. In der Eigentümerversammlung vom 21.10.2019 berieten die Eigentümer über Arbeiten an den bis dahin nicht barrierefreien Fahrstuhlanlagen. Im TOP 3.1 wurde der Beschlussantrag zur Abstimmung gestellt, barrierefreie Aufzüge in beiden Häusern zu erstellen, wobei die Gesamtkosten i.H.v. ca. 164.000 € aus der Rücklage entnommen werden sollten. Diesem Beschluss stimmten 646,66/1000 Miteigentumsanteile (MEA) zu, 147,50/1000 MEA stimmten mit Nein. Der Versammlungsleiter stellte fest, ein Beschluss sei nicht zustande gekommen. Unter dem TOP 3.2 und TOP 3.3 beschlossen die Miteigentümer mit allen anwesenden Stimmen die Herstellung nahezu barrierefreier Aufzüge in den Häusern Nr. 42 und Nr. 40. Die Mehrkosten sollten von den einzelnen Antragstellern getragen werden.
Der Kläger war der Ansicht, bei dem Beschluss zum TOP 3.1 hätte § 6 Nr. 4 der Gemeinschaftsordnung angewendet werden müssen mit der Folge, dass die vorhandene einfache Mehrheit ausgereicht hätte, um das Zustandekommen des Beschlusses festzustellen. Bei der vorgesehenen Maßnahme habe es sich um eine Instandsetzungsmaßnahme und nicht um eine bauliche Veränderung gehandelt. Folglich seien die in § 22 Abs. 1, 2 WEG a.F. vorgesehenen qualifizierten Mehrheiten bei der Abstimmung nicht erforderlich gewesen. Der Kläger begehrte im Wege der Beschlussanfechtungsklage die Ungültigerklärung der drei Beschlüsse sowie im Wege der Beschlussersetzungsklage die Feststellung, dass ein bestimmter Beschluss getroffen worden ist.
Das AG hat die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Die im Protokoll festgehaltene Beschlussverkündung zu TOP 3.1, der Beschluss sei nicht zu Stande gekommen, ist zutreffend.
Die einfache Mehrheit genügte nicht, um vom Zu-Stande-Kommen des Beschlusses ausgehen zu können. Denn der Beschluss betrifft nicht lediglich eine einfache Instandsetzungsmaßnahme, so dass zur Bestimmung der Mehrheitsverhältnisse weder die Regelung des § 6 Nr. 4 der Gemeinschaftsordnung noch diejenige der §§ 22 Abs. 3, 21 Abs. 3 WEG a.F. Anwendung finden kann. Nach diesen Vorschriften genügt nur für eine gewöhnliche Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsmaßnahme die einfache Mehrheit in der Eigentümerversammlung, um ein Beschluss treffen zu können.
Eine Instandhaltung i.S.v. § 21 Abs. 5 Nummer 2 WEG a.F. liegt dann vor, wenn der bestehende Zustand erhalten werden soll und hier für pflegende, erhaltende und für vorsorgende Maßnahmen zu Beschlussfassung anstehen; Instandsetzung im Sinne dieser Vorschrift bedeutet die Wiederherstellung des ursprünglichen ordnungsmäßigen Zustandes des gemeinschaftlichen Eigentums mittels Reparatur oder Ersatzbeschaffung unter Einschluss von Maßnahmen aufgrund öffentlich-rechtlicher Bestimmungen. Die Begrifflichkeit in § 6 Nr. 4 der Gemeinschaftsordnung entspricht dabei diesem gesetzlichen Befund, da nicht erkennbar ist, dass bei der Errichtung der Gemeinschaftsordnung insoweit etwas anderes gewollt war, als vom Gesetzgeber beabsichtigt. Daran fehlt es hier. Die beschluss- und streitgegenständliche Maßnahme geht über diesen Rahmen eindeutig hinaus.
Auch die Anfechtung der Beschlüsse zu den TOP 3.2 und 3.3. bleibt ohne Erfolg. Die Beschlüsse widersprechen nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Noch unter Geltung des WEG in der bis zum 30.11.2020 gültigen Fassung sind Beschlüsse nämlich nicht deswegen anfechtbar, weil darin die Kosten einer auf Antrag einzelner Eigentümer beschlossenen baulichen Veränderung den antragstellenden Eigentümern auferlegt werden.
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