05.07.2024

WEG: Nachbar muss Saunahaus auf der Terrasse über ihm dulden

Der Aufbau eines Saunahauses auf einer Terrasse stellt keine grundlegende Umgestaltung i.S.v. § 20 Abs. 4 WEG dar. Bloße architektonische Disharmonien, wie sie häufig durch den Anbau von Balkonen oder Außenaufzügen entstehen, genügen nicht für die Annahme einer grundlegenden Umgestaltung. Die intensivere Nutzungsmöglichkeit stellt keine unbillige Beeinträchtigung des Nachbarn dar.

AG Berlin-Mitte v. 11.1.2024 - 29 C 8/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft, die von der ... G-GmbH verwaltet wird. Die Wohnanlage bildet eine U-Form, bestehend aus dem 6-geschossigen Vorderhaus und je einem Gebäudeflügel an der östlichen und an der westlichen Grundstücksseite. Die rückwärtigen Flügel sind teilweise derart gestuft, dass auf unten liegenden Geschossen Dachterrassen darüber liegender Wohnungen angelegt sind. Dem Kläger gehört eine Wohnung im 2. Obergeschoss im hinteren rechten Flügel der Anlage.

Über dem größten Teil seiner Wohnung befindet sich die Dachterrasse der Nachbarn. Die Eigentümer dieser Wohnung hatten sich im Juli 2021 auf ihrer Dachterrasse ein Saunahaus mit Panoramafenster gebaut. Nachdem darüber Streitigkeiten zwischen den Eigentümern entbrannt waren, fassten die Eigentümer auf einer Eigentümerversammlung im Januar 2023 den Beschluss, die bauliche Veränderung zu genehmigen. Ein Beschlussantrag des Klägers auf Rückbau wurde demgegenüber abgelehnt.

Mit der Klage hat der Kläger den Genehmigungsbeschluss angefochten und Beschlussersetzung bezüglich des Rückbaubeschlusses begehrt. Das AG hat die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Zwar lag hier eine bauliche Veränderung i.S.v. § 20 Abs. 1 WEG vor, der Genehmigungsbeschluss war aber nicht anfechtbar, weshalb ein Anspruch auf Beschlussfassung über den Rückbau nicht in Betracht kam. Für die gerichtliche Kontrolle spielte es insoweit keine Rolle, ob die Voraussetzungen des §§ 20 Abs. 2 oder 20 Abs. 3 WEG vorlagen, denn die Beschlussfassung war mehrheitlich erfolgt.

Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4 WEG, die dem Beschluss hätten entgegenstehen können, lagen nicht vor. Denn es war keine grundlegende Umgestaltung gegeben. Der Begriff der grundlegenden Umgestaltung ist regelmäßig eng auszulegen. Eine bloße architektonische Disharmonie genügt insofern nicht. "Grundlegend" ist eine Umgestaltung nur dann, wenn sie der Wohnungseigentumsanlage als Ganzes unter Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls ein neues "Gepräge" gibt. Dies war hier nicht der Fall.

Auch die Voraussetzungen einer unbilligen Benachteiligung des Klägers lagen nicht vor. Zwar kann auch eine Veränderung des optischen Gesamteindrucks einen Nachteil begründen, dies setzt aber voraus, dass das hinzunehmende Maß grob bzw. erheblich überschritten wurde und der Kläger von dieser Veränderung mehr betroffen ist als andere Wohnungseigentümer. Hieran fehlte es im Streitfall allerdings. Die intensivere Nutzungsmöglichkeit stellt keine unbillige Beeinträchtigung des Klägers dar. Die Dachterrasse kann auch anderweitig intensiv genutzt werden, etwa von einer Familie mit Kleinkindern oder Wohnungseigentümern, welche die Dachterrasse zu sportlicher Ertüchtigung nutzen.

Soweit der Kläger statische Einwände erhoben hatte, hat ein zwischenzeitlich von der Beklagten eingeholtes Gutachten ergeben, dass diese nicht durchgreifen. Im Übrigen wäre eine überhöhte Traglast auch nicht ein Problem des Rechtsaktes der baulichen Veränderung, sondern eine Frage der Durchführung der baulichen Veränderung. Diese war jedoch nicht streitgegenständlich. Der Beschluss befasst sich lediglich mit der Genehmigung der baulichen Veränderung, also der Neudefinition des gemeinschaftlichen Eigentums. Die praktische Umsetzung ist hiervon zu trennen. Soweit der Kläger einen Verstoß gegen das öffentliche Baurecht gerügt hatte, war kein Verstoß gegen eine ihn schützende Baurechtsnorm ersichtlich.

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