WEG: Unzumutbarer Ort für eine Eigentümerversammlung
LG Frankfurt a.M. v. 2.2.2023 - 2-13 S 80/22
Der Sachverhalt:
Mit ihrer gegen die beklagte WEG gerichteten Anfechtungsklage begehrten die Kläger als Mitglieder der WEG die Ungültigerklärung sämtlicher auf der Eigentümerversammlung vom 12.7.2021 gefassten Beschlüsse. Die Gemeinschaft besteht außer den Klägern nur noch aus einer weiteren Eigentümerin. Der Verwalter hatte damals als Ort der Versammlung eine Terrasse bestimmt, die zwar auf Gemeinschaftseigentum liegt, aber faktisch von der einzig weiteren Eigentümerin allein genutzt wird. Die Kläger sind mi ihr seit Jahren zerstritten. Es wurden und werden mehrere Rechtsstreitigkeiten geführt.
Das AG hat allein die Beschlüsse zu TOP 4 und 9 insgesamt sowie den Beschluss zu TOP 5 teilweise "aufgehoben" und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der Berufung verfolgten die Kläger ihr ursprüngliches Begehren auf Ungültigerklärung sämtlicher Beschlüsse weiter. Über spezifische Rügen betreffend die einzelnen Beschlüsse hinaus waren sie der Ansicht, sämtliche Beschlüsse seien schon deshalb für ungültig zu erklären, weil zu der Versammlung, an der sie selbst nicht teilnahmen, ein Verwalter eingeladen habe, der zum Zeitpunkt der Einladung nicht mehr im Amt gewesen sei. Ferner gewähre der Ort der Versammlung nicht die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit, weil Nachbarn hätten lauschen können. Aber auch schon wegen der Streitigkeiten mit der weiteren Eigentümerin sei es ihnen, den Klägern, nicht zuzumuten, sich auf der Terrasse der weiteren Eigentümerin einzufinden.
Das LG hat das Urteil des AG abgeändert und sämtliche auf der Eigentümerversammlung vom 12.7.2021 gefassten Beschlüsse für ungültig erklärt.
Die Gründe:
Zum Zeitpunkt der Einladung vom 14.6.2021 zur Versammlung am 12.7.2021 war der Verwalter im Amt, weshalb auch ihm gem. § 24 Abs. 1 WEG die Einberufung oblag. Der Verwalter war hier zunächst bis zum 31.10.2020 bestellt worden. Vorzeitig abberufen wurde er nicht. Seine Amtszeit verlängerte sich über den 31.10.2020 hinaus gem. § 6 Abs. 1 COVMG; die gesetzlich angeordnete Verlängerung hindernde Beschlüsse fassten die Wohnungseigentümer nicht.
Hingegen waren sämtliche Beschlüsse für ungültig zu erklären, weil die Wahl auf einen Versammlungsort fiel, der für die Kläger unzumutbar war und dies jedenfalls auch kausal für die Abstimmungsergebnisse war. Dies folgte allerdings nicht bereits aus einer Verletzung des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit. Denn allein die entfernte Möglichkeit, dass ein Dritter die Wohnungseigentümer belauschen könnte, reicht für die Annahme eines Verstoßes nicht aus. Unzumutbar war der Versammlungsort für die Kläger aber deshalb, weil zwischen ihnen und der einzig weiteren Eigentümerin weitgehende Zwistigkeiten bestehen.
Das Erscheinen am Versammlungsort muss objektiv betrachtet unter Berücksichtigung der Interessen den Eigentümern zumutbar und für diese akzeptabel sein, was bei zerstrittenen Gemeinschaften einen neutralen Ort erfordert. Einem Wohnungseigentümer kann etwa nicht zugemutet werden, einer Einladung zur Versammlung in der Wohnung eines verfeindeten Wohnungseigentümers zu folgen. Ebenso war es den Klägern auch hier unzumutbar, zur Versammlung auf der Terrasse der verfeindeten Eigentümerin zu erscheinen, zumal auch kein Grund ersichtlich war, warum man sich nicht an einem neutralen Ort hätte treffen können. Dabei ist unerheblich, dass sich die Terrasse auf Gemeinschaftseigentum befindet.
Ob die Wahl eines unzumutbaren Versammlungsorts hier bereits zu einer derart gravierenden Beeinträchtigung der Teilnahme- und Mitwirkungsrechte der Wohnungseigentümer führte, dass die Beschlüsse sogar ohne Prüfung der Kausalität für ungültig zu erklären wären, kann dahinstehen. Denn jedenfalls war die Wahl des Versammlungsorts für die Abstimmungsergebnisse kausal. Unbestritten hätten die Kläger auf eine Einladung zu einem zumutbaren Ort an der Versammlung teilgenommen. Dies hätte auch Auswirkungen auf die Abstimmungsergebnisse gezeitigt, da beiden Einheiten, den Klägern einerseits und der weiteren Eigentümerin andererseits, jeweils eine Stimme zusteht. Da nach alledem die Beschlüsse bereits auf Grund der Wahl des Versammlungsorts für ungültig zu erklären waren, kam auf die die einzelnen Beschlüsse betreffenden Rügen nicht mehr an.
Mehr zum Thema:
Aufsatz:
Wohnungseigentum - Aktuelle Entwicklungen zu Eigentümerversammlung, Verwalter und Verfahren
Olaf Riecke, MDR 2023, 206
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Mit ihrer gegen die beklagte WEG gerichteten Anfechtungsklage begehrten die Kläger als Mitglieder der WEG die Ungültigerklärung sämtlicher auf der Eigentümerversammlung vom 12.7.2021 gefassten Beschlüsse. Die Gemeinschaft besteht außer den Klägern nur noch aus einer weiteren Eigentümerin. Der Verwalter hatte damals als Ort der Versammlung eine Terrasse bestimmt, die zwar auf Gemeinschaftseigentum liegt, aber faktisch von der einzig weiteren Eigentümerin allein genutzt wird. Die Kläger sind mi ihr seit Jahren zerstritten. Es wurden und werden mehrere Rechtsstreitigkeiten geführt.
Das AG hat allein die Beschlüsse zu TOP 4 und 9 insgesamt sowie den Beschluss zu TOP 5 teilweise "aufgehoben" und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der Berufung verfolgten die Kläger ihr ursprüngliches Begehren auf Ungültigerklärung sämtlicher Beschlüsse weiter. Über spezifische Rügen betreffend die einzelnen Beschlüsse hinaus waren sie der Ansicht, sämtliche Beschlüsse seien schon deshalb für ungültig zu erklären, weil zu der Versammlung, an der sie selbst nicht teilnahmen, ein Verwalter eingeladen habe, der zum Zeitpunkt der Einladung nicht mehr im Amt gewesen sei. Ferner gewähre der Ort der Versammlung nicht die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit, weil Nachbarn hätten lauschen können. Aber auch schon wegen der Streitigkeiten mit der weiteren Eigentümerin sei es ihnen, den Klägern, nicht zuzumuten, sich auf der Terrasse der weiteren Eigentümerin einzufinden.
Das LG hat das Urteil des AG abgeändert und sämtliche auf der Eigentümerversammlung vom 12.7.2021 gefassten Beschlüsse für ungültig erklärt.
Die Gründe:
Zum Zeitpunkt der Einladung vom 14.6.2021 zur Versammlung am 12.7.2021 war der Verwalter im Amt, weshalb auch ihm gem. § 24 Abs. 1 WEG die Einberufung oblag. Der Verwalter war hier zunächst bis zum 31.10.2020 bestellt worden. Vorzeitig abberufen wurde er nicht. Seine Amtszeit verlängerte sich über den 31.10.2020 hinaus gem. § 6 Abs. 1 COVMG; die gesetzlich angeordnete Verlängerung hindernde Beschlüsse fassten die Wohnungseigentümer nicht.
Hingegen waren sämtliche Beschlüsse für ungültig zu erklären, weil die Wahl auf einen Versammlungsort fiel, der für die Kläger unzumutbar war und dies jedenfalls auch kausal für die Abstimmungsergebnisse war. Dies folgte allerdings nicht bereits aus einer Verletzung des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit. Denn allein die entfernte Möglichkeit, dass ein Dritter die Wohnungseigentümer belauschen könnte, reicht für die Annahme eines Verstoßes nicht aus. Unzumutbar war der Versammlungsort für die Kläger aber deshalb, weil zwischen ihnen und der einzig weiteren Eigentümerin weitgehende Zwistigkeiten bestehen.
Das Erscheinen am Versammlungsort muss objektiv betrachtet unter Berücksichtigung der Interessen den Eigentümern zumutbar und für diese akzeptabel sein, was bei zerstrittenen Gemeinschaften einen neutralen Ort erfordert. Einem Wohnungseigentümer kann etwa nicht zugemutet werden, einer Einladung zur Versammlung in der Wohnung eines verfeindeten Wohnungseigentümers zu folgen. Ebenso war es den Klägern auch hier unzumutbar, zur Versammlung auf der Terrasse der verfeindeten Eigentümerin zu erscheinen, zumal auch kein Grund ersichtlich war, warum man sich nicht an einem neutralen Ort hätte treffen können. Dabei ist unerheblich, dass sich die Terrasse auf Gemeinschaftseigentum befindet.
Ob die Wahl eines unzumutbaren Versammlungsorts hier bereits zu einer derart gravierenden Beeinträchtigung der Teilnahme- und Mitwirkungsrechte der Wohnungseigentümer führte, dass die Beschlüsse sogar ohne Prüfung der Kausalität für ungültig zu erklären wären, kann dahinstehen. Denn jedenfalls war die Wahl des Versammlungsorts für die Abstimmungsergebnisse kausal. Unbestritten hätten die Kläger auf eine Einladung zu einem zumutbaren Ort an der Versammlung teilgenommen. Dies hätte auch Auswirkungen auf die Abstimmungsergebnisse gezeitigt, da beiden Einheiten, den Klägern einerseits und der weiteren Eigentümerin andererseits, jeweils eine Stimme zusteht. Da nach alledem die Beschlüsse bereits auf Grund der Wahl des Versammlungsorts für ungültig zu erklären waren, kam auf die die einzelnen Beschlüsse betreffenden Rügen nicht mehr an.
Aufsatz:
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Olaf Riecke, MDR 2023, 206
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