WEMoG: WEG-Verwalter darf stellvertretend die Auflassung erklären
OLG München v. 11.7.2024, 34 Wx 155/24 e
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten zu 2) und 3) sind im Grundbuch als Miteigentümerinnen von Grundbesitz zu je 1/2 eingetragen. Mit notariellem Kaufvertrag vom 4.1.2024 hatten sie ihren Grundbesitz an die Beteiligte zu 1), eine Eigentümergemeinschaft, verkauft, zu deren Gunsten am 19.1.2024 eine Auflassungsvormerkung eingetragen wurde. Für die Beteiligte zu 1) handelte bei der Beurkundung die Hausverwaltung. In der Urkunde vom 4.1.2024 wurde von den Beteiligten auch die Einigung über den Eigentumsübergang erklärt und der Notar bevollmächtigt, für sie die vorstehende Einigung zur grundbuchamtlichen Eintragung zu bewilligen und zu beantragen.
Mit Schreiben vom 19.3.2024 beantragte die Urkundsnotarin gem. § 15 GBO den Vollzug der Auflassung und die Löschung der für den Käufer eingetragenen Auflassungsvormerkung. Beigefügt war dem Schreiben neben der notariellen Auflassungsbewilligung ein Protokoll der Eigentümerversammlung vom 30.9.2022 mit notariell beglaubigten Unterschriften des organschaftlichen Vertreters der Hausverwaltung, der Vorsitzenden des Beirats und einer weiteren Miteigentümerin. Gem. Ziffer 5 des Protokolls war die Hausverwaltung für den Zeitraum 1.1.2023 bis 31.12.2027 einstimmig zum Verwalter der WEG bestellt worden.
Außerdem war ein Protokoll der Eigentümerversammlung vom 10.11.2023 beigefügt, wonach unter Ziffer 6 der Erwerb des Grundstücks von den Grundstücksnachbarn [= die Beteiligten zu 2 und 3] und der Zuschlag der Fläche zum Gemeinschaftseigentum mehrheitlich beschlossen wordear. Die Verwaltung wurde zudem beauftragt und, soweit rechtlich möglich auch bevollmächtigt, den Kaufvertrag im Namen der WEG abzuschließen. Dieses Protokoll war jeweils unbeglaubigt vom organschaftlichen Vertreter der Hausverwaltung, der Vorsitzenden des Beirats und einer weiteren Miteigentümerin unterzeichnet.
Das Grundbuchamt beanstandete daraufhin das Fehlen der Unterschriftsbeglaubigungen auf dem WEG-Beschluss, der den Verwalter zur Vertretung der WEG ermächtigte. Hiergegen wandte sich die von der Notarin im Auftrag der Beteiligten zu 1) eingelegte Beschwerde. Diese war vor dem OLG erfolgreich.
Die Gründe:
Die Vertretungsberechtigung der Hausverwaltung für die Beteiligte zu 1) im Rahmen der Auflassungserklärung ergab sich vorliegend aus § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG i.V.m. dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 30.9.2022.
Seit Inkrafttreten des WEMoG zum 1.12.2020 regelt § 9b Abs. 1 WEG eine inhaltlich umfassende Vertretungsmacht des Verwalters für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. § 9b WEG begründet die organschaftliche Vertretungsmacht, die den Verwalter zur Abgabe von Willenserklärungen für die Gesellschaft entsprechend § 164 BGB befugt. Der Verwalter vertritt kraft Gesetzes - grundsätzlich unbeschränkt und gem. § 9b Abs. 1 Satz 3 WEG unbeschränkbar - die Gemeinschaft.
Eine Beschränkung des gesetzlich geregelten Umfangs der Vertretungsmacht ist im Außenverhältnis nicht möglich. Ausgenommen hiervon ist nach § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG lediglich der Abschluss von Grundstückskauf- oder Darlehensverträgen. Vertretungsmacht hat der Verwalter in diesen Fällen nur dann, wenn er durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft ermächtigt ist. Dies beschränkt sich allerdings nach dem klaren Wortlaut und der eindeutigen Begründung dieser Vorschrift allein auf das schuldrechtliche Rechtsgeschäft. Nicht betroffen von der Ausnahme ist das dingliche Geschäft, also insbesondere die Erklärung der Auflassung beim Grundstückskaufvertrag.
Somit war die Hausverwaltung im vorliegenden Fall gem. § 9b Abs. 1 WEG im Außenverhältnis zur Erklärung der Auflassung für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer befugt, ohne dass es darauf ankam, ob im Innenverhältnis diesbezüglich ein wirksamer Beschluss vorlag. Die Bestellung der Hausverwaltung zum Verwalter war durch das Protokoll vom 30.9.2022 nachgewiesen. Die vorgelegte Niederschrift entsprach den Anforderungen des § 26 Abs. 4 WEG, eine öffentlich beglaubigte Urkunde i.S.d. § 29 GBO lag damit vor. Angesichts der nunmehr in § 9b Abs. 1 WEG geregelten umfassenden Organvertretungsmacht des Verwalters für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hält der Senat nicht daran fest, dass im Grundbuchverfahren bei Erwerb von Grundeigentum durch die Gemeinschaft - vertreten durch den Verwalter - der Nachweis der durch Mehrheitsbeschluss erfolgten Verwalterermächtigung durch Protokollvorlage gem. § 26 Abs. 3 WEG i.V.m. § 24 Abs. 6 WEG geführt werden muss.
Mehr zum Thema:
Beratermodul Mietrecht und WEG-Recht
Die perfekte Basisausstattung zum Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht für Praktiker. Jetzt topaktuell mit Beiträgen u.a.: Übersicht zu den neuen §§ 5 u. 6a HeizkostenV - Teil I, Wohnungseigentum - praktische Fragen zur Eintragung von Beschlüssen. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO: Wann immer es zeitlich passt: Für Fachanwälte bietet das Beratermodul Beiträge zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!
Bayern.Recht
Die Beteiligten zu 2) und 3) sind im Grundbuch als Miteigentümerinnen von Grundbesitz zu je 1/2 eingetragen. Mit notariellem Kaufvertrag vom 4.1.2024 hatten sie ihren Grundbesitz an die Beteiligte zu 1), eine Eigentümergemeinschaft, verkauft, zu deren Gunsten am 19.1.2024 eine Auflassungsvormerkung eingetragen wurde. Für die Beteiligte zu 1) handelte bei der Beurkundung die Hausverwaltung. In der Urkunde vom 4.1.2024 wurde von den Beteiligten auch die Einigung über den Eigentumsübergang erklärt und der Notar bevollmächtigt, für sie die vorstehende Einigung zur grundbuchamtlichen Eintragung zu bewilligen und zu beantragen.
Mit Schreiben vom 19.3.2024 beantragte die Urkundsnotarin gem. § 15 GBO den Vollzug der Auflassung und die Löschung der für den Käufer eingetragenen Auflassungsvormerkung. Beigefügt war dem Schreiben neben der notariellen Auflassungsbewilligung ein Protokoll der Eigentümerversammlung vom 30.9.2022 mit notariell beglaubigten Unterschriften des organschaftlichen Vertreters der Hausverwaltung, der Vorsitzenden des Beirats und einer weiteren Miteigentümerin. Gem. Ziffer 5 des Protokolls war die Hausverwaltung für den Zeitraum 1.1.2023 bis 31.12.2027 einstimmig zum Verwalter der WEG bestellt worden.
Außerdem war ein Protokoll der Eigentümerversammlung vom 10.11.2023 beigefügt, wonach unter Ziffer 6 der Erwerb des Grundstücks von den Grundstücksnachbarn [= die Beteiligten zu 2 und 3] und der Zuschlag der Fläche zum Gemeinschaftseigentum mehrheitlich beschlossen wordear. Die Verwaltung wurde zudem beauftragt und, soweit rechtlich möglich auch bevollmächtigt, den Kaufvertrag im Namen der WEG abzuschließen. Dieses Protokoll war jeweils unbeglaubigt vom organschaftlichen Vertreter der Hausverwaltung, der Vorsitzenden des Beirats und einer weiteren Miteigentümerin unterzeichnet.
Das Grundbuchamt beanstandete daraufhin das Fehlen der Unterschriftsbeglaubigungen auf dem WEG-Beschluss, der den Verwalter zur Vertretung der WEG ermächtigte. Hiergegen wandte sich die von der Notarin im Auftrag der Beteiligten zu 1) eingelegte Beschwerde. Diese war vor dem OLG erfolgreich.
Die Gründe:
Die Vertretungsberechtigung der Hausverwaltung für die Beteiligte zu 1) im Rahmen der Auflassungserklärung ergab sich vorliegend aus § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG i.V.m. dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 30.9.2022.
Seit Inkrafttreten des WEMoG zum 1.12.2020 regelt § 9b Abs. 1 WEG eine inhaltlich umfassende Vertretungsmacht des Verwalters für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. § 9b WEG begründet die organschaftliche Vertretungsmacht, die den Verwalter zur Abgabe von Willenserklärungen für die Gesellschaft entsprechend § 164 BGB befugt. Der Verwalter vertritt kraft Gesetzes - grundsätzlich unbeschränkt und gem. § 9b Abs. 1 Satz 3 WEG unbeschränkbar - die Gemeinschaft.
Eine Beschränkung des gesetzlich geregelten Umfangs der Vertretungsmacht ist im Außenverhältnis nicht möglich. Ausgenommen hiervon ist nach § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG lediglich der Abschluss von Grundstückskauf- oder Darlehensverträgen. Vertretungsmacht hat der Verwalter in diesen Fällen nur dann, wenn er durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft ermächtigt ist. Dies beschränkt sich allerdings nach dem klaren Wortlaut und der eindeutigen Begründung dieser Vorschrift allein auf das schuldrechtliche Rechtsgeschäft. Nicht betroffen von der Ausnahme ist das dingliche Geschäft, also insbesondere die Erklärung der Auflassung beim Grundstückskaufvertrag.
Somit war die Hausverwaltung im vorliegenden Fall gem. § 9b Abs. 1 WEG im Außenverhältnis zur Erklärung der Auflassung für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer befugt, ohne dass es darauf ankam, ob im Innenverhältnis diesbezüglich ein wirksamer Beschluss vorlag. Die Bestellung der Hausverwaltung zum Verwalter war durch das Protokoll vom 30.9.2022 nachgewiesen. Die vorgelegte Niederschrift entsprach den Anforderungen des § 26 Abs. 4 WEG, eine öffentlich beglaubigte Urkunde i.S.d. § 29 GBO lag damit vor. Angesichts der nunmehr in § 9b Abs. 1 WEG geregelten umfassenden Organvertretungsmacht des Verwalters für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hält der Senat nicht daran fest, dass im Grundbuchverfahren bei Erwerb von Grundeigentum durch die Gemeinschaft - vertreten durch den Verwalter - der Nachweis der durch Mehrheitsbeschluss erfolgten Verwalterermächtigung durch Protokollvorlage gem. § 26 Abs. 3 WEG i.V.m. § 24 Abs. 6 WEG geführt werden muss.
Beratermodul Mietrecht und WEG-Recht
Die perfekte Basisausstattung zum Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht für Praktiker. Jetzt topaktuell mit Beiträgen u.a.: Übersicht zu den neuen §§ 5 u. 6a HeizkostenV - Teil I, Wohnungseigentum - praktische Fragen zur Eintragung von Beschlüssen. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO: Wann immer es zeitlich passt: Für Fachanwälte bietet das Beratermodul Beiträge zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!