Wenn die Fluggesellschaft plötzlich insolvent ist
LG Frankfurt a.M. v. 4.11.2021 - 2-24 O 59/21Der Kläger hatte am 31.1.2019 bei der Beklagten für sich und vier weitere volljährige Familienmitglieder einen Flug in der Premium Economy Class gebucht, der die Fluggäste am 5.1.2020 von Kapstadt über Frankfurt nach Düsseldorf mit Ankunft am 6.1.2020 um 05:25 Uhr bringen sollte. Der sodann klägerseitig vollständig beglichene Gesamtpreis mitsamt dem Preis für den Hinflug am 26.12.2019 nach Kapstadt betrug 11.999 €.
Am 1.12.2019 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet. Der Kläger und seine Familie wurden von der Beklagten dennoch entsprechend der Vereinbarung nach Südafrika geflogen und erhielten überdies per E-Mail am 4.1.2020 die Bordkarten für sämtliche Rückflüge, mithin von Capetown über Frankfurt nach Düsseldorf. Die Bordkarten, so die Beschreibung der Beklagten, würden beim Baggage Drop-off und am Abflugsteig (Gate) benötigt. Weiter forderte die Beklagte die Kläger auf, sich spätestens 45 Minuten vor der geplanten Abflugzeit am Abflugsteig (Gate) einzufinden.
Der nach der Großkreismethode über 3.500 Kilometer lange Flug fand sodann nicht wie ursprünglich geplant statt, sondern verspätete sich dergestalt, dass der Kläger und seine Familie mit mehr als drei Stunden Verspätung in Düsseldorf ankamen. Grund hierfür waren unvorhergesehene technische Defekte an sämtlichen Boeing 767 der Beklagten. Das eingesetzte Flugzeug verfügte hingegen nicht bzw. nicht in der Größe über eine Premium Economy Class, so dass dem Kläger und seiner Familie trotz Widerspruchs lediglich fünf Plätze in der Economy-Class zugewiesen wurden. Dieser forderte am 1.3.2020 einen Ausgleich i.H.v. jeweils 600 € pro Fluggast und Minderung des Beförderungsentgelts für den Rückflug i.H.v. 2.824 €, worauf die Beklagte nicht einging.
Am 26.11.2020 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten aufgehoben. Der Kläger meldete seine Forderungen nicht zur Insolvenztabelle an. Er war der Ansicht, ihm stünden aus eigenem und abgetretenem Recht Ansprüche auf Ausgleichszahlung von insgesamt rund 5.825 €. Der Insolvenzverwalter habe gem. § 103 InsO Erfüllung gewählt, dementsprechend seien die Planwirkungen auf ihn nicht zu erstrecken.
Das LG hat die Klage vollumfänglich abgewiesen.
Die Gründe:
Der Kläger hat zunächst keinen Anspruch auf Zahlung von 3.000 € (5 x 600 €) aus Art. 5 Abs. 1 lit. c) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. c) der Fluggastrechteverordnung, weil es an einer bestätigten Buchung i.S.d. Art. 3 Abs. 2 lit. a) Fluggastrechteverordnung fehlte, da sich der zugrundeliegende vertragliche Beförderungsanspruch gegenüber der Beklagten aufgrund des zwischenzeitlich eröffneten Insolvenzverfahrens in eine Insolvenzforderung umgewandelt hatte (§§ 38, 45 InsO).
Konsequenz aus dieser Einordnung als gesetzlicher Anspruch auf vertraglicher Grundlage bzw. dem Erfordernis eines Beförderungsvertrages bzw. eines Beförderungsanspruches ist damit folgende: Fehlt die vertragliche Grundlage, fehlt der Beförderungsanspruch, besteht auch kein daraus abgeleiteter gesetzlicher Anspruch aus der Fluggastrechteverordnung. Eine solche vertragliche Grundlage fehlt hingegen dann nicht, wenn sie Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1, 2 InsO ist bzw. fehlt, wenn der Beförderungsanspruch lediglich als Insolvenzforderung gem. der §§ 38, 45 InsO einordnet wird. Nur im ersteren Fall läge mit anderen Worten noch eine bestätigte Buchung vor. Im vorliegenden Fall war der Beförderungsanspruch nicht mehr vorhanden, sondern lediglich eine Insolvenzforderung.
Im vorliegenden Fall sprechen die besseren Gründe für die Annahme lediglich einer Insolvenzforderung und keiner Masseforderung. Zunächst haben, wie hier der Kläger und die Mitreisenden, bei einem Beförderungsvertrag i.S.d. §§ 631 ff. BGB die Fluggäste einen (primären) Anspruch auf Beförderung. Im Fal der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wandelt sich dieser Primäranspruch gem. §§ 38, 45 InsO jedoch in einen Beförderungsanspruch in Geld um. Mithin ist - mit anderen Worten - der ursprüngliche Beförderungsanspruch des Klägers und seiner Familienangehörigen bereits mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens untergegangen und eine Insolvenzforderung entstanden (§ 38 InsO).
Nicht erheblich ist, dass der Flug erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattfinden sollte, da auf den Rechtsgrund und nicht die Fälligkeit abzustellen ist. Dabei bleibt es vorliegend auch, selbst wenn dem Kläger zuzugestehen ist, dass die Beklagte wohl (rechtsirrig) und ggf. sogar insolvenzzweckwidrig selbst davon ausgegangen ist, die Leistungen gegenüber dem Kläger erfüllen zu müssen bzw. überhaupt zu dürfen. Es ist nach Auffassung der Kammer keine neue schuldrechtliche Grundlage in Form eines Neugeschäfts entstanden, sondern die Insolvenzschuldnerin hat lediglich - ggf. unter Verstoß gegen den insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz - den Kläger und seine Familie nach Kapstadt befördert, das ursprüngliche Leistungssoll erfüllt oder zu erfüllen versucht.
Der die Flüge buchende Kläger hat somit auch keinen Anspruch auf Minderung aus §§ 631, 634 Nr. 3 i.V.m. § 638 BGB oder auf Schadensersatz gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB. Auch diese Ansprüche setzen nämlich einen fortbestehenden Beförderungsvertrag bzw. -anspruch gegen die Beklagte voraus. Zudem scheidet ein Anspruch des Klägers aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 i.V.m. § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB im Ergebnis aus, weil der Kläger keinen Anspruch auf Ersatz für eine Schlechtleistung der geschuldeten Rück-Beförderungsleistung der Beklagten hat. Letztlich scheiterte ein Anspruch aus Art. 10 Abs. 2 lit. c Fluggastrechteverordnung erneut daran, dass es zum Zeitpunkt des "Downgrades" in die Economy Class an einer bestätigten Buchung fehlte.
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