Widerrufsrechtsausschluss des § 312g BGB regelmäßig nicht auf Werkverträge anwendbar
BGH 30.8.2018, VII ZR 243/17Im Mai 2015 suchte ein Mitarbeiter der Beklagten den Kläger in seinem Wohnhaus auf und stellte ihm verschiedene Liftmodelle zur Installation in seinem Wohnhaus vor. Am Ende des Gesprächs schloss der Kläger mit der Beklagten einen Vertrag über die Bestellung eines Senkrechtslifts i.H.v. 40.600 €. Die Beklagte verpflichtete sich, den Lift nach Bauaufmaß und geklärter Bestellung zu liefern und zu montieren.
Im Anschluss an die Übersendung von Planungsunterlagen erhielt der Kläger eine Vorschussrechnung und zahlte auf diese 12.435 €. Eine Freigabe der Planungsunterlagen erteilte der Kläger nicht. Stattdessen forderte er die Beklagte auf, die Konstruktionszeichnung nachzubessern. Mit Schreiben vom 25.9.2015 widerrief der Kläger schließlich den Vertrag und forderte die Beklagte zur Rückzahlung des Vorschusses auf.
Die darauf gerichtete Zahlungsklage hatte vor dem LG Erfolg. Die gegen das landgerichtliche Urteil eingelegte Berufung der Beklagten hatte ebenso keinen Erfolg wie die Revision vor dem BGH.
Die Gründe:
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückgewähr der von ihm geleisteten Anzahlung i.H.v. 12.435 € aus § 355 Abs. 3 S. 1, § 357 Abs. 1 BGB zu.
Dem Kläger stand ein Recht zum Widerruf des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags nach § 312g Abs. 1, § 355 Abs. 1 S. 1 BGB zu. Der Anwendungsbereich von § 312g war eröffnet und das Widerrufsrecht nicht nach § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB ausgeschlossen. Im Streitfall handelt es sich um einen Verbrauchervertrag, der eine entgeltliche Leistung eines Unternehmers zum Gegenstand hat. Die Beklagte handelte als juristische Person in Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit und schloss mit dem Kläger einen dessen privaten zwecken dienenden entgeltlichen Vertrag ab. Die Anwendbarkeit des § 312g Abs. 1 BGB ist auch nicht nach § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB ausgeschlossen, das es sich nicht um einen Vertrag über erhebliche Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden handelt. Es handelt sich dabei lediglich um einen Anbau, der nicht darunter fällt. Zudem haben die Parteien den Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen der Beklagten geschlossen, nämlich im Wohnhaus des Klägers.
Das Widerrufsrecht der Klägers ist auch nicht nach § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB ausgeschlossen. Nach dem Wortlaut umfasst § 312g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB Verträge, die auf die Lieferung von Waren gerichtet sind. Damit werden Kaufverträge und Werklieferungsverträge erfasst. Dies entspricht auch der Verbraucherrechterichtlinie, deren Umsetzung u.a. § 312g BGB dient. In Abgrenzung zum Kaufvertrag ist dagegen ein Dienstleistungsvertrag gem. Art. 2 Nr. 6 der Verbraucherrechterichtlinie jeder Vertrag, der kein Kaufvertrag ist und nach dem der Unternehmer eine Dienstleistung für den Verbraucher erbringt oder deren Erbringung zusagt und der Verbraucher dafür einen Preis zahlt. Danach sind Werkverträge jedenfalls regelmäßig nicht als auf die Lieferung von Waren gerichtete Verträge einzustufen. Diese Auslegung entspricht zudem der Systematik zu Verbraucherverträgen. Der Schutz der Unternehmer wird nicht durch den Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g BGB verwirklicht, sondern durch den Wertersatz nach § 357 Abs. 8 S. 1 BGB.
Im Streitfall ist der Vertrag der Parteien nicht als Vertrag über die Lieferung von Waren einzuordnen, da er nach den Regelungen des BGB als Werkvertrag und nach denen der Verbraucherrichtlinie als Dienstvertrag zu qualifizieren ist. Der Schwerpunkt des Vertrags liegt nicht auf dem Warenumsatz, sondern in der Herstellung eines funktionstauglichen Werks. Die auch geschuldete Montage stellt nicht eine bloße Ergänzung der Lieferung der einzelnen Teile des Lifts dar. Die Beklagte hatte die Verpflichtung anhand ihrer Planung eine den konkreten örtlichen Verhältnissen angepasste Liftanlage zu errichten.
Schließlich hat der Kläger sein Widerrufsrecht wirksam ausgeübt. Der Kläger hat mit Schreiben vom 25.5.2015 den Widerruf des Vertrags gegenüber der Beklagten in eindeutiger Weise erklärt. Die Widerrufsfrist ist gewahrt, das die Beklagte den Kläger nicht über die Bedingungen, Fristen und das Verfahren des Widerrufs unterrichtet hatte.
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