08.03.2024

Willkürlicher Baumrückschnitt auf dem Grundstück des Nachbarn - Schadensersatz bei Zerstörung eines Baumes

Bei der Zerstörung eines älteren Baumes ist in der Regel keine Naturalrestitution zu leisten. Der Anspruch geht vielmehr auf eine Teilwiederherstellung durch Anpflanzung eines jungen Baumes und darüber hinaus einen Ausgleich für eine etwa verbleibende Werteinbuße des Grundstücks.

OLG Frankfurt a.M. v. 6.2.2024 - 9 U 35/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Eigentümerin eines großen Grundstücks im Vordertaunus mit rund 70-jährigem Baumbestand. Der Baum- und Strauchbestand wird jährlich mehrfach durch ein Fachunternehmen beschnitten. An den hinteren Gartenbereich grenzt u.a. das Grundstück des Beklagten. Im Abstand von 1,60 m hierzu steht auf dem klägerischen Grundstück eine Birke, im Abstand von 3,35 m ein Kirschbaum. Beide Bäume waren zum Zeitpunkt des Erwerbs des Beklagten schon lange vorhanden. Die Klägerin war einverstanden, dass der Beklagte die auf sein Grundstück herüberhängenden Äste der Gehölze zurückschneidet.

Ende Mai 2020 hatte der Beklagte gravierende Schnittarbeiten u.a. an den beiden oben genannten Bäumen durchgeführt. An der Birke verblieb daraufhin kein einziges Blatt. Der kurz vor der Ernte befindliche Kirschbaum wurde vollständig eingekürzt. Ob sich die Bäume wieder vollständig erholen oder die derzeitigen Triebe allein sog. Nottriebe sind, die an dem Absterben nichts ändern, blieb zwischen den Parteien streitig. Für die Schnittarbeiten hatte der Beklagte in Abwesenheit der Klägerin deren Grundstück betreten.

Das LG hat der auf Schadensersatz von knapp 35.000 € gerichteten Klage i.H.v. gut 4.000 € stattgegeben. Es war der Ansicht, dass die Wertminderung der Bäume sowie die Kosten für die Entsorgung des Schnittguts zu ersetzen seien. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin führte zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Das LG muss im weiteren Verfahren den Sachverhalt zur Bemessung des Schadensersatzes weiter aufklären.

Nach gefestigter Rechtsprechung ist bei Zerstörung eines Baumes in der Regel nicht Schadensersatz in Form von Naturalrestitution zu leisten, da die Ersatzbeschaffung in Form der Verpflanzung eines ausgewachsenen Baumes regelmäßig mit besonders hohen und damit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre. Der Schadensersatz richtet sich vielmehr auf eine Teilwiederherstellung durch Anpflanzung eines neuen jungen Baumes sowie einen Ausgleichsanspruch für die verbleibende Werteinbuße des Grundstücks. Die Werteinbuße ist dabei zu schätzen. Nach einer insoweit möglichen Bewertungsmethode können die für die Herstellung des geschädigten Gehölzes bis zu seiner Funktionserfüllung erforderlichen Anschaffungs-, Pflanzungs- und Pflegekosten sowie das Anwachsrisiko berechnet und anschließend kapitalisiert werden. Dieser Wert ist dann um eine Alterswertminderung, Vorschäden und sonstige wertbeeinflussende Umstände zu bereinigen.

Ausnahmsweise sind die vollen Wiederbeschaffungskosten nur zuzuerkennen, wenn Art, Standort und Funktion des Baumes für einen wirtschaftlich vernünftig denkenden Menschen den Ersatz durch einen gleichartigen Baum wenigstens nahelegen würden. Aufzuklären ist deshalb bei der Bewertung des Schadensersatzes die Funktion der Bäume für das konkrete Grundstück. Zu berücksichtigen war hier zudem der klägerische Vortrag, wonach es ihr bei der sehr aufwändigen, gleichzeitig naturnahen Gartengestaltung auch darauf angekommen war, Lebensraum für Vögel und sonstige Tiere zu schaffen und einen Beitrag zur Umwandlung von Kohlenstoffdioxid in Sauerstoff zu leisten.

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