Wirksamkeit des Widerrufs eines Darlehensvertrages zur Finanzierung eines Fahrzeugkaufs
OLG Brandenburg v. 9.3.2022 - 4 U 36/21Der Kläger hatte am 23.1.2016 in den Geschäftsräumen eines Autohauses mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag von 25.500 € zu einem gebundenen Sollzinssatz von 3,92 % p.a. abgeschlossen. Das Darlehen diente der Finanzierung des Kaufpreises für einen gebrauchten Mercedes C 220 T Blue TEC, wobei die Darlehensvaluta vereinbarungsgemäß an die Verkäuferin ausgezahlt werden sollte und auch wurde.
Über das Widerrufsrecht belehrte die Beklagte den Kläger mit einer schwarz umrahmten, auf Seite 2 in den Vertrags-(antrags-)text integrierten "Widerrufsinformation". Auf der ersten Seite des achtseitigen Vertrages ist der folgende Hinweis abgedruckt:
"Ausbleibende Zahlungen
Ausbleibende Zahlungen können schwerwiegende Folgen für Sie haben (z.B. Zwangsverkauf) und die Erlangung eines Kredits erschweren. Für ausbleibende Zahlungen wird Ihnen der gesetzliche Zinssatz für Verzugszinsen berechnet. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz."
Der Kläger war der Ansicht, sein am 27.12.2019 erklärter Widerruf sei wirksam. Die Widerrufsfrist habe nicht zu laufen begonnen, weil verschiedene Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB, Art. 247 §§ 6 - 13 EGBGB in der Vertragsurkunde nicht enthalten bzw. - wie insbesondere die Widerrufsinformation - fehlerhaft seien. Dies sei u.a. wegen der sog. Kaskadenverweisung der Fall. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion könne sich die Beklagte nicht berufen, weil die Beklagte in das Muster eingegriffen und die Widerrufsinformation nicht deutlich hervorgehoben habe.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Widerrufsfrist sei bei Ausübung des Widerrufs mit Schreiben vom 27.12.2019 bereits abgelaufen gewesen. Auch die Berufung des Klägers vor dem OLG blieb erfolglos.
Die Gründe:
Dem Kläger stand zum Zeitpunkt des Widerrufs zwar noch ein Widerrufsrecht gem. § 495 Abs. 1 BGB (i.d.v. 13.6.2014 bis 20.3.2016 geltenden Fassung, im Folgenden: a.F.) zu, weil der Darlehensvertrag nicht "klar und verständlich" sämtliche nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB (i.d.v. 13.6.2014 bis 20.3.2016 geltenden Fassung, im Folgenden: a.F.) erforderliche Pflichtangaben enthält.
Der EuGH hat im Urteil vom 9.9.2021 - C-33/20, C-155/20 und C-187/20 - zu den hier aufgeworfenen Auslegungsfragen entschieden, "dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Verbraucherkreditrichtlinie dahin auszulegen ist, dass in dem Kreditvertrag der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags geltende Satz der Verzugszinsen in Form eines konkreten Prozentsatzes anzugeben und der Mechanismus der Anpassung des Verzugszinssatzes konkret zu beschreiben ist. Haben die Parteien des betreffenden Kreditvertrags vereinbart, dass der Verzugszinssatz nach Maßgabe des von der Zentralbank eines Mitgliedstaats festgelegten und in einem für jedermann leicht zugänglichen Amtsblatt bekannt gegebenen Änderung des Basiszinssatzes geändert wird, reicht ein Verweis im Kreditvertrag auf diesen Basiszinssatz aus, sofern die Methode zur Berechnung des Satzes der Verzugszinsen nach Maßgabe des Basiszinssatzes in diesem Vertrag beschrieben wird. Insoweit sind zwei Voraussetzungen zu beachten:
- Erstens muss die Darstellung dieser Berechnungsmethode für einen Durchschnittsverbraucher, der nicht über Fachkenntnisse im Finanzbereich verfügt, leicht verständlich sein und es ihm ermöglichen, den Verzugszinssatz auf der Grundlage der Angaben im Kreditvertrag zu berechnen.
- Zweitens muss auch die Häufigkeit der Änderung dieses Basiszinssatzes, die sich nach den nationalen Bestimmungen richtet, in dem fraglichen Kreditvertrag angegeben werden.
Dem genügen die Angaben im vorliegenden Vertrag, die sich auf den Hinweis beschränken, dass der Verzugszinssatz fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beträgt, nicht, denn damit wird der Verzugszinssatz im Vertrag lediglich abstrakt als variabler Zinssatz beschrieben, ohne den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses konkret geltenden Verzugszins als bezifferten Prozentsatz anzugeben, und ohne mitzuteilen, wann sich der Basiszinssatz jedes Jahr ändert.
Der Zahlungsantrag des Klägers ist indes trotz Wirksamkeit seines Widerrufs jedenfalls derzeit unbegründet, weil der Kläger gem. § 358 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB a.F. in Bezug auf den der Beklagten zustehenden Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs vorleistungspflichtig ist und der Beklagten daher insoweit ein - mit Schriftsatz vom 7.2.2022 auch geltend gemachtes - Leistungsverweigerungsrecht zusteht, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder der Kläger den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug abgesandt hat. Das Leistungsverweigerungsrecht nach § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB steht der Beklagten auch in Bezug auf die vom Kläger nach der Widerrufserklärung auf das Darlehen erfolgten Zahlungen zu.
Etwas anderes könnte nur gelten, wenn sich die Beklagte in Annahmeverzug befände. Der Kläger hat der Beklagten das Fahrzeug allerdings nicht in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten. In seinem anwaltlichen Widerrufsschreiben vom 27.12.2019 hatte er "bis spätestens 10.1.2020" lediglich die "Rückgabe" des Fahrzeugs angeboten, das ab sofort "zur Abholung" bereit stehe, bzw. für das ein anderer Ort zur Übergabe mitgeteilt werden solle, und forderte bis spätestens 10.1.2020 "nach erfolgter Übergabe" zur Zahlung von 16.798 € (d.s. die bis dahin gezahlten monatlichen Raten abzüglich Wertersatz auf Kilometerbasis) auf.
Dies genügte allerdings weder formal (kein vorheriges tatsächliches Angebot) noch in Bezug auf die die Vorleistungspflicht nicht berücksichtigende Art der Leistung nicht den Anforderungen an ein wörtliches Angebot i.S.d. § 295 BGB. Für die Anträge im Rechtsstreit gilt nichts anderes.
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