25.10.2022

Wohngebäudeversicherung: Versehentliches Einschalten einer Kochplatte ist grob fahrlässig

Grundsätzlich ist das Anschalten einer Herdplatte auf höchster Stufe bei gleichzeitigem Verlassen des Hauses für ca. 20 Minuten subjektiv eine erhebliche Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt. Die Rechtsprechung zu sog. (typischerweise unbewusst ausgeübten) Routinehandlungen setzt voraus, dass der Handelnde mit einer bestimmten Tätigkeit dauernd beschäftig ist, die ständig Konzentration erfordert, weil ein einmaliger "Ausrutscher" bei solchen Tätigkeiten jedem und damit auch einem ansonsten sorgfältigen Versicherungsnehmer unterlaufen kann.

OLG Bremen 12.5.2022 - 3 U 37/21
Der Sachverhalt:
Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung (auch bei Feuer), der die Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 2010) - Grundsicherung Standard zugrunde liegen. Danach kann der Ausgleich für Schäden, die grob fahrlässig herbeigeführt wurden nach Schwere des Verschuldens entsprechend gekürzt werden.

Am 1.2.2020 war es zu einem Brand in der Küche des Wohnhauses der Klägerin gekommen. Ursache dafür war, dass die Klägerin - kurz bevor sie das Haus verlassen hat - den Elektroherd nicht ausgeschaltet hatte, sondern versehentlich den Drehknopf einer anderen Herdplatte betätigt und diese dadurch auf die höchste Stufe gestellt hatte. Den verursachten Schaden hat die Beklagte zu 75% reguliert. Hinsichtlich der restlichen 8.962 € hat sie den Ausgleich im Hinblick auf eine ihrer Ansicht nach vorliegende grobe Fahrlässigkeit der Klägerin verweigert.

Das LG hat der auf den Restbetrag gerichteten Klage stattgegeben und ausgeführt, die Klägerin habe den Brand zwar fahrlässig, aber nicht grob fahrlässig verursacht. Zwar sei es fahrlässig gewesen, dass sich die Klägerin nach dem Betätigen des Reglers nicht noch einmal versichert hat, den Herd auch tatsächlich ausgeschaltet zu haben. Allerdings liege insoweit kein "typischer sog. Herdplattenfall" vor, in dem jemand nach Einleitung des Koch- oder Bratvorgangs das Koch- oder Bratgut bewusst oder unbewusst auf dem eingeschalteten Herd zurücklässt.

Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitere Versicherungsleistungen aus dem Wohngebäudeversicherungsvertrag, weil sie den Schaden grob fahrlässig verursacht hatte. Die Kürzung der Versicherungsleistung um 25% ist angemessen.

Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Grundsätzlich ist auch subjektiv das Anschalten einer Herdplatte auf höchster Stufe bei gleichzeitigem Verlassen des Hauses für ca. 20 Minuten eine erhebliche Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt. Allerdings glaubte die Klägerin subjektiv, sämtliche Herdplatten ausgeschaltet zu haben. Allein auf diesen Eindruck durfte sie sich allerdings nicht verlassen. Offensichtlich hatte sie die Drehknöpfe ohne Sichtkontakt verstellt, denn sonst hätte sie nicht den falschen Schalter betätigt.

Angesichts der besonderen Gefährlichkeit eines in Betrieb befindlichen Elektroherdes oblag der Klägerin die Pflicht, sich durch einen Blickkontakt zu vergewissern, dass der Herd auch tatsächlich - wie von ihr beabsichtigt - ausgeschaltet war. Dies gilt insbesondere deswegen, weil sie beabsichtigte, unmittelbar nach der Betätigung des Herdes das Haus zu verlassen. Eine solche Vergewisserung war auch einfach, schnell und unproblematisch möglich, entweder durch einen Blick auf die Drehknöpfe (bei modernen Geräten auf das Display) oder auf den farblichen Zustand der Ceranfelder. Hätte die Klägerin eine solche Nachschau vorgenommen, hätte sie sofort festgestellt, dass ein (weiteres) Kochfeld betätigt worden war. Auch unter Berücksichtigung der Grundsätze des "Augenblicksversagens" konnte nicht zugunsten der Klägerin von einem geringeren Maß subjektiver Pflichtwidrigkeit ausgegangen werden. Eine besondere Eile oder eine Ablenkung durch eine außergewöhnliche (Not-)Situation war nicht erkennbar.

Auch die Rechtsprechung zu sog. (typischerweise unbewusst ausgeübten) Routinehandlungen war hier nicht anwendbar. Voraussetzung dafür ist, dass der Handelnde mit einer bestimmten Tätigkeit dauernd beschäftig ist, die ständig Konzentration erfordert, weil ein einmaliger "Ausrutscher" bei solchen Tätigkeiten jedem und damit auch einem ansonsten sorgfältigen Versicherungsnehmer unterlaufen kann. Doch weder handelte es sich bei der Bedienung des Herdes um eine routinemäßige Dauertätigkeit, die ständige Konzentration erforderte, noch war erkennbar, dass die Klägerin durch äußere Umstände abgelenkt war. Das Abstellen des Herdes unmittelbar vor dem Verlassen des Hauses ist vielmehr eine besondere Konstellation und keine Routinehandlung.

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