04.02.2014

Zu den Anforderungen an das Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels

Voraussetzung für das Eingreifen der gesetzlichen Vermutung ist, dass der vom Tatrichter herangezogene Mietspiegel die Tatbestandsmerkmale des § 558d Abs. 1 BGB unstreitig, offenkundig oder nachweislich erfüllt. Wird das Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels, also dessen Ausrichtung an anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen, substantiiert bestritten, muss das Gericht - gegebenenfalls unter Einholung amtlicher Auskünfte gem. § 273 Abs. 2 Nr. 2 oder § 358a Nr. 2 ZPO - über das Vorliegen der in § 558d Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen Beweis erheben.

BGH 6.11.2013, VIII ZR 346/12
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist Mieterin einer Drei-Zimmer-Wohnung der Klägerin in Berlin. Seit mindestens Mai 2006 belief sich die Nettokaltmiete auf rund 413 €. Im Januar 2010 forderte die Klägerin die Beklagte unter Benennung von sechs Vergleichswohnungen auf, der Erhöhung der Nettokaltmiete ab April 2010 um 52 € auf 465 € zuzustimmen. Das Schreiben enthielt auch Angaben für die Wohnung nach dem Berliner Mietspiegel 2009.

Die Beklagte stimmte der Mieterhöhung nicht zu. Daraufhin nahm die Klägerin die Beklagte auf Zustimmung zur Mieterhöhung entsprechend ihrem Erhöhungsverlangen in Anspruch. Sie wandte ein, der Mietspiegel 2009 der Stadt Berlin sei nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden. AG und LG wiesen die Klage ab. Auf die zugelassene Revision der Klägerin hob der BGH die Entscheidungen auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Gründe:
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung konnte ein Anspruch der Klägerin nach §§ 558 ff. BGB auf Zustimmung zu der von ihr verlangten Mieterhöhung nicht verneint werden. Der Senat hatte nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom 21.11.2012 (Az.: VIII ZR 46/12) in einer vergleichbaren Sachverhaltsgestaltung grundlegend zu der Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen ein qualifizierter Mietspiegel gegeben ist, der die Vermutungswirkung des § 558d Abs. 3 BGB auslöst. Gemessen an diesen Maßstäben hätte das Berufungsgericht auch im Streitfall die ortsübliche Vergleichsmiete nicht allein unter Verweis auf die in § 558d Abs. 3 BGB einem qualifizierten Mietspiegel zugeschriebene Vermutung feststellen dürfen.

Voraussetzung für das Eingreifen der gesetzlichen Vermutung ist, dass der vom Tatrichter herangezogene Mietspiegel die Tatbestandsmerkmale des § 558d Abs. 1 BGB unstreitig, offenkundig oder nachweislich erfüllt. Auf eine Prüfung dieser Anforderungen kann nicht schon deswegen verzichtet werden, weil der Mietspiegel von seinem Ersteller als qualifizierter Mietspiegel bezeichnet oder von der Gemeinde und/oder von den Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter als solcher anerkannt und veröffentlicht wurde. Denn diese Umstände beweisen noch nicht, dass die Anforderungen des § 558d Abs. 1 BGB auch tatsächlich vorliegen, der Mietspiegel also nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt wurde.

Im Fall eines substantiierten Bestreitens der Voraussetzungen des § 558d Abs. 1 BGB ist über deren Vorliegen - soweit diese nicht offenkundig sind - nach allgemein gültigen Regeln Beweis zu erheben. Wird das Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels, also dessen Ausrichtung an anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen, substantiiert bestritten, muss das Gericht daher - gegebenenfalls unter Einholung amtlicher Auskünfte gem. § 273 Abs. 2 Nr. 2 oder § 358a Nr. 2 ZPO - über das Vorliegen der in § 558d Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen Beweis erheben. Infolgedessen hätte das Berufungsgericht im vorliegenden Fall die ortsübliche Vergleichsmiete nicht allein unter Heranziehung der in § 558d Abs. 3 BGB einem qualifizierten Mietspiegel zugeschriebenen Vermutungswirkung feststellen dürfen, sondern hätte dem Einwand der Klägerin nachgehen müssen, der Mietspiegel 2009 der Stadt Berlin sei nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden.

Die Klägerin hatte die Richtigkeit und Repräsentativität des dem Mietspiegel zugrunde gelegten Datenmaterials substantiiert in Frage gestellt. Mit diesen Einwänden hat sich das Berufungsgericht nicht hinreichend befasst. Es war lediglich auf die Rüge der Klägerin eingegangen, der Berliner Mietspiegel 2009 sehe nicht die Kategorie "beste Wohnlage" vor. Dass das Berufungsgericht sämtliche Einwendungen der Klägerin aus eigener Sachkunde und ausschließlich unter Verwertung ordnungsgemäß in den Prozess eingeführter Unterlagen hätte widerlegen können, war weder dem Berufungsurteil zu entnehmen noch sonst ersichtlich. Das Berufungsgericht hätte daher den Berliner Mietspiegel 2009 nicht ohne Durchführung einer Beweisaufnahme als qualifizierten Mietspiegel i.S.d. § 558d BGB bewerten dürfen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück