02.07.2021

Zu den inhaltlichen Anforderungen an eine Berufungsbegründung

Um den inhaltlichen Anforderungen an eine Berufungsbegründung gem. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO zu genügen, muss der Berufungsführer in einer aus sich heraus verständlichen Weise angeben, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils er bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen. Will der Berufungsführer die Berufung auf neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel i.S.v. § 531 Abs. 2 ZPO stützen, muss die Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO die Tatsachen bezeichnen, aufgrund derer die neuen Angriffs- oder Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen sind.

BGH v. 11.5.2021 - VIII ZB 50/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Räumung einer Wohnung und Zahlung rückständiger Miete in Anspruch. Am 17.6.2015 unterzeichneten die Beklagte und deren zwischenzeitlich verstorbener Bruder, der als Alleinerbe Eigentümer eines Anwesens ihres gemeinsamen zuvor verstorbenen Vaters in W. geworden war, ein als "Mietvertrag" bezeichnetes Schriftstück über die im Erdgeschoss jenes Anwesens gelegene Wohnung, wonach die Beklagte eine Nettomiete von 300 € mtl. schuldete. Nachdem die Beklagte ab Juni 2019 keine Zahlungen mehr erbracht hatte, ließ die Klägerin, die mit dem zu diesem Zeitpunkt bereits verstorbenen Bruder der Beklagten verheiratet gewesen war, das Mietverhältnis mit Schreiben vom 31.7.2019 fristlos, hilfsweise ordentlich kündigen. In zweiter Instanz ist streitig geworden, ob die Klägerin Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemanns ist.

AG und LG gaben der auf Räumung der Wohnung sowie Zahlung rückständiger Miete nebst Zinsen gerichteten Klage statt. Das LG führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Berufung der Beklagten sei nicht in der gesetzlichen Form begründet, da die - fristgerecht eingereichte - Berufungsbegründung weder Angriffe gegen die Rechtsanwendung enthalte (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO), noch konkrete Anhaltspunkte aufzeige, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründeten und deshalb eine erneute Feststellung geböten (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO). Die Berufungsbegründung bezeichne auch keine neuen Angriffs- oder Verteidigungsmittel (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO). Soweit sie erstmals das Vorbringen enthalte, die Beklagte und ihr Bruder seien nach dem Tod des Vaters als Miterben eingesetzt worden, bzw. sie die Alleinerbenstellung der Klägerin nach dem Tod ihres Ehemanns infrage stelle, fehle es nicht nur an Ausführungen dazu, weshalb das erstinstanzliche Urteil durch das neue Vorbringen unrichtig geworden sei, sondern zudem an der Darlegung von Tatsachen, aufgrund derer dieses neue Vorbringen nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen sei.

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Beurteilung des LG, dass die Berufungsbegründung der Beklagten inhaltlich nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO genüge, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO muss sie konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen in dem angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt.

Besondere formale Anforderungen bestehen zwar nicht; auch ist es für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen. Will der Berufungsführer die Berufung auf neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel i.S.v. § 531 Abs. 2 ZPO stützen, muss die Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO die Tatsachen bezeichnen, aufgrund derer die neuen Angriffs- oder Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen sind.

Das LG hat hier rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Berufungsbegründung der Beklagten diesen Anforderungen nicht gerecht wird. Die Beklagte hat in der Berufungsbegründung zunächst ihre bereits erstinstanzlich aufgestellten Behauptungen wiederholt, wonach zwischen ihr und ihrem Bruder zu keinem Zeitpunkt ein Mietverhältnis, sondern eine - dem Ansinnen der Eltern entsprechende - Einigung dahingehend zustande gekommen sei, dass sie bis an ihr Lebensende in dem Anwesen wohnen dürfe, und sie sich lediglich bereit erklärt habe, dem Bruder für eine bestimmte Zeit mtl. 300 € zur Verfügung zu stellen, um ihm die Tilgung der Schulden zu erleichtern. Daneben hat sie Zweifel daran geäußert, dass ihr Bruder nach dem Tod des Vaters das Anwesen allein - und nicht gemeinsam mit ihr - geerbt habe. Insoweit bitte sie um die Einholung eines Grundbuchauszugs sowie die Beiziehung der Nachlassakten. Schließlich hat sie - ohne darzulegen, welche (rechtliche) Bedeutung sie diesem Umstand beimisst - infrage gestellt, dass ihr Bruder ein Testament hinterlassen habe.

Diese Ausführungen genügen den in § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO normierten Anforderungen an eine Berufungsbegründung nicht, da sie einen Zusammenhang mit den tragenden Erwägungen des Erstgerichts gänzlich vermissen lassen. Das AG ist von einem wirksamen Mietvertrag mit der Beklagten ausgegangen, in den die Klägerin mit dem Tod ihres Ehemanns als Alleinerbin auf Vermieterseite eingetreten sei und den sie sodann wegen Zahlungsverzugs wirksam gekündigt habe. Die Einwendungen der Beklagten dagegen hat es mangels Beweises für nicht durchgreifend erachtet. Für ihre Behauptung, der schriftliche Mietvertrag sei nur "pro forma" abgeschlossen worden, habe die insoweit beweispflichtige Beklagte keinen Beweis angeboten. Für eine Vernehmung der Beklagten als Partei, welche diese zum Beweis ihrer weiteren Behauptung angeboten habe, sie habe sich mit dem Bruder auf ein lebenslanges Wohnrecht verständigt, lägen die Voraussetzungen nicht vor. Auf diese Erwägungen geht die Berufungsbegründung der Beklagten nicht ansatzweise ein.
BGH online
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