Zulässigkeit der individualvertraglichen Vereinbarung einer Quotenabgeltungsklausel in einem Wohnraummietvertrag
BGH v. 6.3.2024 - VIII ZR 79/22Die Kläger waren Mieter einer Wohnung der Beklagten in Berlin. Sie traten aufgrund einer "Vereinbarung" mit der Beklagten in einen zwischen dieser und einem Vormieter geschlossenen Mietvertrag ein. Im Mietvertrag zwischen der Beklagten und dem Vormieter vom 29.5.2015 ist u.a. folgendes festgehalten:
"§ 11 Schönheitsreparaturen
6. Besteht das Mietverhältnis bei Auszug des Mieter schon länger als ein Jahr oder liegen die letzten Schönheitsreparaturen während der Mietzeit länger als ein Jahr zurück, und endet das Mietverhältnis vor Fälligkeit der Schönheitsreparaturen, ist der Mieter verpflichtet, anteilige Kosten für die Schönheitsreparaturen - einschließlich voraussichtlicher Mehrwertsteuer - entsprechend dem Kostenvoranschlag des Vermieters oder eines vom Vermieter eingeholten Kostenvoranschlags eines Fachbetriebes oder eines Bauingenieurs zu zahlen, die dem Grad der durch sie erfolgten Abnutzung der jeweiligen Teilbereiche der Wohnung entsprechen."
Die zwischen den Parteien geschlossene "Vereinbarung zum Mietvertrag vom 29.5.2015" enthält u.a. folgende Regelungen:
"§ 1 Übernahme Mietverhältnis
Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Nachmieter [die Kläger] anstelle des Mieters in den Mietvertrag vom 29.5.2015 mit allen Rechten und Pflichten zum 16.10.2015 eintreten. Die Wohnung wird an den Nachmieter ohne Gebrauchsspuren übergeben.
§ 2 Schönheitsreparaturen
Zwischen dem Mieter [dem Vormieter] und dem Vermieter wurde bei Vertragsabschluss des Mietvertrages vom 29.5.2015 individuell vereinbart, dass der Mieter die laufenden Schönheitsreparaturen und auch anteilige Schönheitsreparaturkosten trägt, wenn bei Beendigung des Mietverhältnisses Schönheitsreparaturen noch nicht fällig sind.
Der Nachmieter übernimmt auch diese Verpflichtung. Zwischen den Parteien wurde dies ausdrücklich verhandelt. Der Vermieter war bereit, dem Nachmieter insoweit entgegenzukommen und die vom Mieter übernommene Verpflichtung zur Tragung der Schönheitsreparaturen bzw. anteiligen Schönheitsreparaturkosten zu übernehmen, wenn der Nachmieter im Gegenzug einen Betrag von 80 € zahlt. Die Miete wurde im Hinblick auf die Vereinbarung zwischen dem Vermieter und dem Mieter zur Tragung der Schönheitsreparaturen bzw. anteiligen Schönheitsreparaturkosten um diesen Betrag im Mietvertrag vom 29.5.2015 herabgesetzt. Der Nachmieter erklärt aber nach den Verhandlungen ausdrücklich, dass er den Vertrag insoweit unverändert übernimmt einschließlich der Verpflichtung zur Tragung der Schönheitsreparaturen bzw. anteiligen Schönheitsreparaturkosten.
§ 3 Mindestvertragslaufzeit
2. Wird die Wohnung zurückgegeben, bevor die Schönheitsreparaturen fällig sind, verpflichtet sich der Nachmieter für das Entgegenkommen des Vermieters nochmals hinsichtlich der Verkürzung der Mindestlaufzeit auch anteilige Kosten für die Schönheitsreparaturen - einschließlich voraussichtlicher Mehrwertsteuer - entsprechend dem Kostenvoranschlag des Vermieters oder eines vom Vermieter eingeholten Kostenvoranschlags eines Fachbetriebes oder eines Bauingenieurs zu zahlen, die dem Grad der durch sie erfolgten Abnutzung der jeweiligen Teilbereiche der Wohnung entsprechen."
Das Mietverhältnis der Parteien endete am 31.5.2018. Nach Rückgabe der Wohnung rechnete die Beklagte über die seitens der Kläger geleistete Kaution (rd. 3.200 €) ab und erklärte (u.a.) mit anteiligen Schönheitsreparaturkosten - gestützt auf die Kalkulation eines Bauingenieurs - i.H.v. rd. 1.250 € die Aufrechnung. Die Kläger sind der Ansicht, die Verpflichtung zur Zahlung anteiliger Schönheitsreparaturkosten sei ihnen nicht wirksam auferlegt worden, so dass die hierauf gestützte Aufrechnung der Beklagten ihren Kautionsrückzahlungsanspruch nicht teilweise zum Erlöschen gebracht habe.
Das AG wies die auf Zahlung von 1.250 € nebst Zinsen gerichtete Klage ab; das LG gab ihr antragsgemäß statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Urteil des LG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Mit der vom LG gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung der für die Renovierung der Wohnung (anteilig) aufzuwendenden Kosten aus § 535 Abs. 1 BGB i.V.m. der zwischen den Parteien vereinbarten Quotenabgeltungsklausel, mit dem sie gegenüber dem von den Klägern geltend gemachten - hier nach dem Zugang der Abrechnung der Beklagten bei den Klägern auch fälligen - Anspruch auf Rückzahlung der Mietkaution (§ 551 BGB i.V.m. der zwischen den Mietvertragsparteien getroffenen Sicherungsabrede) aufrechnen kann, nicht verneint werden.
Noch rechtsfehlerfrei ist das LG allerdings davon ausgegangen, dass die Quotenabgeltungsklausel, die den Klägern als Mietern der Wohnung einen Teil der zukünftig entstehenden Kosten für Schönheitsreparaturen für den Fall auferlegt, dass das Mietverhältnis - wie hier - vor Fälligkeit der ihnen nach der mietvertraglichen Vereinbarung zukommenden Verpflichtung zur Vornahme von Schönheitsreparaturen endet, dann unwirksam ist - und damit ein aufrechenbarer Gegenanspruch der Beklagten nicht besteht -, wenn es sich bei dieser Vereinbarung um eine AGB (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB) handelt. Denn diese benachteiligt die Kläger nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen, weil sie von ihnen verlangt, zur Ermittlung der auf sie bei Vertragsbeendigung zukommenden Kostenbelastung mehrere hypothetische Betrachtungen anzustellen, die eine sichere Einschätzung der tatsächlichen Kostenbelastung nicht zulassen.
Rechtsfehlerhaft hat das LG jedoch angenommen, dass die Beklagte ihren zur Aufrechnung gestellten Zahlungsanspruch auch dann nicht mit Erfolg auf die Quotenabgeltungsklausel stützen kann, wenn diese zwischen den Parteien - was das Berufungsgericht offengelassen hat und was daher zugunsten der Beklagten im Revisionsverfahren zu unterstellen ist - individualvertraglich vereinbart wurde. In diesem Fall ist die Vereinbarung einer Quotenabgeltungsklausel - anders als das LG gemeint hat - wirksam möglich.
Entgegen der Ansicht des LG folgt eine Unwirksamkeit der - unterstellt - individuell ausgehandelten Quotenabgeltungsklausel nicht aus der Bestimmung des § 556 Abs. 4 BGB. Vorliegend geht es nicht um die Übernahme von Betriebskosten nach Maßgabe des § 556 Abs. 1 BGB durch die Kläger. Die Pflicht zur Ausführung von Schönheitsreparaturen und zur Tragung diesbezüglicher anteiliger Kosten aufgrund der Quotenabgeltungsklausel betrifft vielmehr die Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB. Denn die Ausführung von Schönheitsreparaturen ist nach ständiger BGH-Rechtsprechung ein Teil der - grundsätzlich den Vermieter treffenden (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) - Instandhaltungspflicht.
Die Bestimmung des § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB ist dispositiv. Die Pflicht zur Ausführung von Schönheitsreparaturen kann deshalb sowohl durch AGB - insoweit allerdings eingeschränkt - als auch individualvertraglich auf den Mieter übertragen werden. Hiervon ausgehend kann nach der Rechtsprechung des Senats eine Quotenabgeltungsklausel zwar nicht im Wege von AGB wirksam zum Inhalt des Wohnraummietvertrags gemacht werden. Sie kann jedoch grundsätzlich individualvertraglich wirksam zwischen den Mietvertragsparteien vereinbart werden.
Kommentierung | BGB
§ 535 Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags
Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl.
Rechtsprechung (Vorinstanz):
Quotenabgeltungsklauseln sind auch als Individualvereinbarung unwirksam
LG Berlin vom 15.03.2022 - 67 S 240/21
Philipp M. Bettenhausen, MietRB 2022, 196
Rechtsprechung (Siehe Leitsätze):
Schönheitsreparaturen: Kostenbeteiligungsklauseln in Wohnraummietverträgen sind unwirksam!
BGH vom 18.03.2015 - VIII ZR 242/13
Robert Harsch, MietRB 2015, 196
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