16.09.2014

Zum dinglichen Vorkaufsrecht an ungeteilten Grundstücken bei Erwerb eines noch zu bildenden Miteigentumsanteils an einem belasteten Grundstück

Es ist anerkannt, dass ein dingliches Vorkaufsrecht an einem ungeteilten Grundstück auf den Erwerb eines noch zu bildenden Miteigentumsanteils an dem belasteten Grundstück gerichtet sein kann, wenn der zu verschaffende Miteigentumsanteil hinreichend bestimmt oder bestimmbar ist. Ob diese Möglichkeit der Ausgestaltung eines Vorkaufsrechts auch für eine Beschränkung der Ausübung auf den Erwerb ideeller Bruchteile gilt, ist für das Vorkaufsrecht im Allgemeinen bislang noch nicht diskutiert worden, letztlich aber zu bejahen.

BGH 11.7.2014, V ZR 18/13
Der Sachverhalt:
Den Klägern gehört seit 1986 eine Eigentumswohnung in Form eines Wohnungs- und Teilerbbaurechts. Das Erbbaurecht hatte sich der damalige Eigentümer an einer Teilfläche zunächst selbst bestellt, um, "nach Neuparzellierung durch Veräußerung von Miterbbaurechtsanteilen Bauinteressenten im Rahmen einer Baugemeinschaft die Gebäudeerrichtung unter Bildung von Wohnungs- und Teileigentum zu ermöglichen". Auf dem Erbbaugrundstück lastet ein dingliches Vorkaufsrecht folgenden Inhalts:

"Der Grundstückseigentümer räumt dem jeweiligen Erbbauberechtigten - mehreren gemeinschaftlich, bei Wohnungs- und Teilerbbaurechten mehreren Berechtigten in einer Einheit gemeinschaftlich - für die Dauer des Erbbaurechts ein Vorkaufsrecht für alle Fälle des Verkaufs an dem Erbbaugrundstück ein."

Über das Vermögen der damaligen Eigentümerin wurde 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der beklagte Insolvenzverwalter bot den Wohnungserbbauberechtigten, darunter den Klägern, einen ihren Wohnungs- oder Teilerbbaurechten entsprechenden Miteigentumsanteil an dem Grundstück zum Kauf an. Das Angebot lehnten die Kläger ab, weil ihnen der Preis zu hoch erschien, während andere Wohnungserbbauberechtigte es annahmen.

Der Beklagte übertrug im März 2005 das Eigentum an dem Erbbaugrundstück und an weiteren 86, ebenfalls mit Erbbaurechten belasteten Grundstücken unentgeltlich an eine unmittelbar zuvor gegründete Gesellschaft. Außerdem übertrug er die Anteile an der Gesellschaft und an deren Komplementärin für 25.000 € für die Anteile an der Komplementärin, einer GmbH, und von 7,44 Mio. € für die Kommanditanteile auf eine Investorin. Die Kläger, die aufgrund der im März 2005 geschlossenen Verträge den Vorkaufsfall für eingetreten hielten, übten das Vorkaufsrecht aus und verlangen u.a. die Übertragung des ihrem Wohnungs- und Teilerbbaurecht entsprechenden Miteigentumsanteils an dem Erbbaugrundstück Zug um Zug gegen Zahlung von 14.860 €.

Die Klage blieb in den Tatsacheninstanzen erfolglos. Mit Urteil vom 27.1.2012 (Az.: V ZR 272/10) hatte der BGH das erste Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen. Dieses hat die Berufung der Kläger erneut zurückgewiesen. Auf die weitere Berufung der Kläger hat der BGH das Berufungsurteil wiederum aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen.

Gründe:
Zu Unrecht hat das OLG angenommen, das Vorkaufsrecht verschaffe den Berechtigten nur einen Anspruch auf Ankauf des ganzen Erbbaugrundstücks und stehe den Wohnungserbbauberechtigten auch nur gemeinschaftlich zu. Das Vorkaufsrecht hat vielmehr den von den Klägern angenommenen Inhalt. Es steht den Berechtigten jedes Wohnungserbbaurechts einzeln zu und ist auf die Verschaffung eines Miteigentumsanteils an dem Erbbaugrundstück gerichtet, der ihrer Mitberechtigung an dem Erbbaurecht entspricht.

Zwar kann ein dingliches Vorkaufsrecht nach §§ 1094, 1095 BGB nur an dem ganzen Grundstück oder an bereits bestehenden Miteigentumsanteilen bestellt werden. Anerkannt ist allerdings ein an dem ganzen (ungeteilten) Grundstück lastendes dingliches Vorkaufsrecht, das in der Weise beschränkt ist, dass der Berechtigte bei dem Verkauf des Grundstücks nur eine reale Teilfläche soll erwerben dürfen, die aber hinreichend bestimmt sein muss. Ob diese Möglichkeit der Ausgestaltung eines Vorkaufsrechts auch für eine Beschränkung der Ausübung auf den Erwerb ideeller Bruchteile gilt, ist für das Vorkaufsrecht im Allgemeinen bislang, soweit ersichtlich, noch nicht diskutiert worden. Die Frage ist aber zu bejahen.

Der Annahme eines Vorkaufsrechts jedes einzelnen Inhabers von Wohnungserbbaurechten an dem Erbbaugrundstück steht auch nicht entgegen, dass es sich um ein subjektiv-dingliches Vorkaufsrecht handelt und ein solches Vorkaufsrecht bei der Aufteilung des herrschenden Grundstücks nicht in Einzelrechte zerfällt, sondern als einheitliches Recht bestehen bleibt und nur gemeinschaftlich ausgeübt werden kann. Die Vorkaufsberechtigung der Wohnungserbbauberechtigten war hier nicht als bloße Folge der Aufteilung des Erbbaurechts in Wohnungseigentum entstanden. Sie war vielmehr von vornherein als eigenständige Berechtigung der Wohnungserbbauberechtigten vorgesehen, freilich unter der dann auch eingetretenen - Bedingung, dass es zu dieser Aufteilung kommt. Das war rechtlich möglich.

Einer Vorkaufsberechtigung der einzelnen Inhaber von Wohnungserbbaurechten steht auch nicht entgegen, dass das Erbbaugrundstück dann mit mehreren Vorkaufsrechten belastet ist, die alle den gleichen Rang haben und nach der Gestaltungsidee auch haben sollen. Die Begründung mehrerer gleichrangiger Vorkaufsrechte an einem Grundstück ist zwar grundsätzlich ausgeschlossen. Etwas anderes gilt nach h.M. aber jedenfalls dann, wenn durch Vereinbarung Kollisionen zwischen den gleichrangigen Vorkaufsrechten vermieden werden. Das war hier der Fall, weil die Vorkaufsrechte auf Verschaffung ideeller Bruchteile entsprechend der Aufteilung des Erbbaurechts gerichtet waren.

Linkhinweis:

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