27.03.2025

Zum Rückerhalt der Mietsache bei Einwurf der Schlüssel in den Briefkasten des Vermieters

Der Rückerhalt der Mietsache i.S.d. § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters voraus, weil dieser erst durch die unmittelbare Sachherrschaft in die Lage versetzt wird, sich ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache zu machen. Für den Verjährungsbeginn ist der Rückerhalt der Mietsache auch dann maßgeblich, wenn der Mietvertrag noch nicht beendet ist mit der Folge, dass ein Anspruch i.S.d. § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB bereits vor Beendigung des Mietverhältnisses verjähren kann.

BGH v. 29.1.2025 - XII ZR 96/23
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Verjährung von möglichen Schadensersatzansprüchen aus einem gewerblichen Mietverhältnis. Mit Vertrag vom 17.6.2009 vermietete der Kläger der Beklagten eine Halle nebst Lagerbüro und außenliegenden Stellplätzen. Durch Nachtrag vom 28.3.2012 mietete die Beklagte vom Kläger weitere Gewerbeflächen mit Wirkung ab dem 5.6.2012 an. Gleichzeitig vereinbarten die Vertragsparteien, dass sich das Mietverhältnis für die gesamten Flächen nach Ablauf des ersten Jahres ab Übergabe der weiteren Teilflächen jeweils um ein Jahr verlängert, falls es nicht von einer Vertragspartei unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten vor Ablauf der Mietzeit gekündigt wird.

Mit Schreiben vom 10.3.2020 erklärte die Beklagte die Kündigung des Mietverhältnisses "zum nächstmöglichen Zeitpunkt 17.6.2020". Der Kläger wies darauf hin, dass das Mietverhältnis aufgrund der Kündigung deutlich später ende. In der Folgezeit nutzte die Beklagte das Mietobjekt bis zum 31.12.2020 weiter und warf an diesem Tag die Schlüssel in den Hausbriefkasten des Klägers. Mit Schreiben vom 7.1.2021 erklärte der Kläger, dass die Rückgabe der Schlüssel ausdrücklich gegen seinen Willen erfolgt und er nicht empfangsbereit sei. Im Juni 2021 forderte der Kläger die Beklagte schriftlich unter Androhung der Selbstvornahme auf, im Einzelnen benannte Mängel und Schäden an der Mietsache zu beseitigen. Nach Ablauf der im Schreiben gesetzten Frist verlangte er die Zahlung von Schadensersatz sowie die Begleichung rückständiger Mieten.

Der auf Antrag des Klägers vom 26.8.2021 wegen dieser Forderungen erlassene Mahnbescheid wurde der Beklagten am 30.8.2021 zugestellt. Im nachfolgenden Streitverfahren vertrat der Kläger die Ansicht, das Mietverhältnis habe erst zum 4.6.2021 ordentlich gekündigt werden können. Die Beklagte sei mangels ordnungsgemäßer Rückgabe des Mietobjekts zur Erstattung von Instandsetzungskosten verpflichtet, die sich unter Verrechnung mit einem Kautionsguthaben i.H.v. rd. 5.700 € auf rd. 32.100 € beliefen. Die Beklagte erhob hinsichtlich der geltend gemachten Schadensersatzansprüche die Einrede der Verjährung und stellte die Ansprüche im Übrigen nach Grund und Höhe in Abrede.

Das LG gab der Klage teilweise statt, verurteilte die Beklagte zur Zahlung rückständiger Mieten und wies die Klage im Übrigen wegen Verjährung der Schadensersatzansprüche ab. Die Berufung des Klägers hatte vor dem OLG keinen Erfolg, die Anschlussberufung der Beklagten teilweise. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die vom Kläger geltend gemachten Schadenserstzansprüche wegen vertragswidrigen Zustands der Mieträume sind verjährt.
Gem. § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB verjähren Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in sechs Monaten. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält (Satz 2). Nach der Rechtsprechung des BGH setzt der Rückerhalt der Mietsache im Sinne dieser Vorschrift grundsätzlich eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters voraus, weil dieser erst durch die unmittelbare Sachherrschaft in die Lage versetzt wird, sich ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache zu machen und ggf. verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen.

Der Rückerhalt i.S.d. § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt daneben weder die Rückgabe der Mietsache i.S.d. § 546 Abs. 1 BGB noch die Beendigung des Mietverhältnisses voraus. Vielmehr ist der Rückerhalt der Mietsache auch dann für den Verjährungsbeginn maßgeblich, wenn der Mietvertrag noch nicht beendet ist - mit der Folge, dass ein Anspruch i.S.d. § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB bereits vor Beendigung des Mietverhältnisses verjähren kann. Dementsprechend hat der BGH ein Zurückerhalten i.S.d. § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB bejaht, wenn der Mieter nach Kündigung, aber vor Beendigung des Mietverhältnisses dem Vermieter bzw. dessen Bevollmächtigtem die Schlüssel zurückgibt.

Die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, unter welchen Voraussetzungen der Lauf der Verjährungsfrist nach § 548 Abs. 1 BGB beginnt, wenn der Mieter dem Vermieter anbietet, die Mietsache zurückzuerhalten, dieser sie jedoch nicht zurücknimmt, hat der Senat bislang offengelassen. Auch die Frage, ob der Mieter vor Beendigung des Mietverhältnisses zur Rückgabe der Mietsache berechtigt bzw. der Vermieter zur Rücknahme verpflichtet ist, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt. Der Vermieter ist allerdings nicht verpflichtet, die Mietsache jederzeit - sozusagen "auf Zuruf" - zurückzunehmen, etwa wenn der Mieter kurzfristig auszieht, ihm den Schlüssel sofort aushändigen will und diesen nach gescheiterter Übergabe in den Briefkasten des Mietobjekts einwirft. Auf diese vorgenannten Fragen kommt es jedoch nicht an, wenn - wie hier - aufgrund der Umstände des Einzelfalls anzunehmen ist, dass der Vermieter die Mietsache i.S.d. § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB tatsächlich zurückerhalten hat.

Der Lauf der Verjährungsfrist wurde vorliegend durch Einwurf der Schlüssel in den Hausbriefkasten des Klägers in Gang gesetzt, weil dieser hierdurch die Mieträume zurückerhalten hat. Nach dem Einwurf der Schlüssel in den Briefkasten des Klägers ist die für einen Rückerhalt i.S.d. § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Klägers als Vermieter im Sinne eines Übergangs des unmittelbaren Besitzes jedenfalls im Zeitpunkt seiner Kenntnis von der vollständigen Besitzaufgabe der Beklagten und der eigenen Sachherrschaft eingetreten. Dass diese Änderung dem Kläger durch den Einwurf der Schlüssel in seinen Briefkasten aufgedrängt wurde, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn die Beklagte hatte nach den tatrichterlichen Feststellungen keinen Zugang mehr zu den Mieträumen, während der Kläger ungehinderten Zugriff und damit die Möglichkeit der ungestörten Untersuchung erhalten hatte.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | BGB
§ 548 Verjährung der Ersatzansprüche und des Wegnahmerechts
Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl.

Rechtsprechung
"Schlüsselfalle": Rückgabe des Mietobjekts und Beginn der Verjährungsfrist
OLG Hamm vom 01.09.2023 - 30 U 195/22
Rainer Burbulla, MietRB 2023, 325
MIETRB0060524

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